Büdner

  • Frage an die Kundigen.


    Büdner=Häusler klingt relativ einfach, Besitzer eines kleinen Hausgutes mit Garten und etwas Acker, hat meist mit einer weiteren Beschäftigung/Hirte, Handwerk etc. seine Nahrung verdient.


    Ich habe hier allerdings einen Büdner aus Sachsen, Gebiet südlich von Dresden: Er zinste 1558 zu Michaelis 7 Gulden, zu Walpurgis 6 Gulden, 1 Sichel, 1 Sense. Die Zinsen der anderen Höfe im Ort waren nicht sehr viel höher /ca. je 10 Gulden. Ist es realistisch, das ein kleiner Häusler solche hohe Zinslast trägt oder hatte ein Büdner in Sachsen etwas mehr Landbesitz als an anderen Orten?


    Lg Nikolaus

  • Er zinste 1558 zu Michaelis 7 Gulden, zu Walpurgis 6 Gulden, 1 Sichel, 1 Sense. Die Zinsen der anderen Höfe im Ort waren nicht sehr viel höher /ca. je 10 Gulden.


    Das ist nicht ganz klar ausgedrückt. Wenn das bedeutet, dass die Büdner im Jahr 13 Gulden zinsten und die Hofbesitzer 20 Gulden, so ist das doch "sehr viel höher". Dazu muss die Kaufkraft bedacht werden. Diese ist außerordentlich schwer zu demonstrieren, weil das davon abhängt, welche Ware bzw. Dienstleistung man zum Vergleich heranzieht. Man findet Angaben, die von 20 bis 500 Euro (!) reichen.
    Also, langer Rede kurzer Sinn: Der Unterschied bei der Zinslast zwischen Büdnern und Hofbesitzern ist deutlich und würde mir kein Problem machen, den Büdner wie gewöhnlich als "Häusler" zu betrachten.

    Viele Grüße
    h :) nry


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    Was kann man von Menschen erwarten, die den Beginn eines neuen Jahrtausends ein Jahr zu früh gefeiert haben?

  • Meine Gedanken gingen in folgende Richtung: Die Erbzinsen waren doch Grundlasten, das heißt, sie lagen auf Hof/Haus und Land. War das zusätzliche Einkommen, dass der Büdner mit einem Gewerk o.ä. erzielte mit den Zinsen abgegolten oder gab es eine weitere Besteuerung (abgesehen vom Zehnten)?


    Denn wenn man das Einkommen aus Hof und Land so ungefähr aus der Zinslast ersehen kann, kämen ja die Einnahmen aus dem zusätzlichen Gewerk noch dazu und der Häusler/Büdner wäre nicht wesentlich schlechter gestellt als der Bauer.


    (Mir ist natürlich klar, dass der Vergleich mit einem modernen Steuersystem hinkt.)


    Lg Nikolaus

  • wenn man das Einkommen aus Hof und Land so ungefähr aus der Zinslast ersehen kann

    Hallo Nikolaus,


    zwischen dem Erbzins (fixe Grundlast) und der variablen "Einkommen- bzw Ertragsteuer" besteht überhaupt kein rechtlicher oder fiskalischer Zusammenhang.


    Gruß
    Detlef

  • Mir liegt der Abdruck einer Steuerliste (Düsseldorf) von 1689 vor, hier werden die Steuerpflichtigen nach "Erb" (Haus-bzw. Grundbesitz) und "Gewinn" (Ertrag aus Gewerbe oder Landwirtschaft) veranschlagt und zwar in einem Betrag.
    Freundliche Grüße, Wilfried

  • Jetzt würde ich aber umgekehrt sagen, Detlef:

    Die "Zinslast" bzw. der "Erbzins", von der/dem hier von Anfang an die Rede ist, ist doch eine Steuer. Somit passt Wilfrieds Steuerliste genau.
    Andererseit ist "Zinslast einer Grundschuld" etwas ganz anderes, von dem aber hier nie die Rede war. Oder? ?(

    Viele Grüße
    h :) nry


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    Was kann man von Menschen erwarten, die den Beginn eines neuen Jahrtausends ein Jahr zu früh gefeiert haben?

  • Verwechselt bitte nicht Abgaben/ Steuern mit Grundschuld. Henry hat damit zwingend recht.
    Eine Grundschuld wurde, wie heute, bei einer Beleiung eingetragen. Das konnten Ackerstücke, Gärten oder Häuser sein. Ich kenne es bisher nur aus Städten. Dokumentiert wurde es in Stadtverlassbüchern, ab ca.1840 in Stadtbüchern und ab ca.1900 in Grundbüchern. Das älteste Stadtverlassbuch, das ich kenne, beginnt 1406. Dort ging es um Absicherung bei Geldverleiung.


    Steuern und Abgaben wurden anfangs pauschal und später nach Größe und vor allem "nach Bonitierung zu Werte gebracht". Die Ertragskraft spielte eine wesentliche Rolle. Ich hatte es in einer Steuerliste von 1500 das "er nur das halbe gegeben weil alles voll Sand und gar kein Volk". Das bedeutet, dass die Felder vom Sand verweht und er nicht verheiratet war.


    Teritorial hat es sicher Unterschiede gegeben. Eine Büdner- oder Kossatenstelle konnte durchaus mehr Steuern entrichten, wie eine Kleinbauernstelle. Häuslereien hatten meist nur einen Garten und Viehhaltung zur Eigenversorgung.


    Gruß Lupus

    Nicht Gold hat die Welt verändert, es war das Blei.
    Nicht das Blei aus der Flinte, eher das Blei aus dem Setzkasten (Willi)

  • Ich denke, es sind damit nicht Erbschaftssteuern, sondern Erblasten gemeint, die auf einem Hof/Grundstück lagen und mit diesem vererbt wurden. Ich finde bei mir die Begriffe Erbsicheln, Erbsensen und Lohnsicheln/ Lohnsensen, die auf den Höfen lagen. Ich vermute, dass das Handdienste waren, die unentgeltlich und oder auch entlohnt vom Hof geleistet werden mussten. (Sachsen)


    Lupus: "alles voll Sand" bedeutet sicher eher einen sandigen Boden, also geringere Erträge als humoser oder lehmiger Boden.


    Lg Nikolaus

    Einmal editiert, zuletzt von Nikolaus ()

  • Hallo,


    Nikolaus definierte in seinem ersten Threat die Zinslast nicht näher, nannte in seinem zweiten Threat ausdrücklich Erbzinsen. Erbzinsen sind Reallasten und keine Steuern, siehe z.B. de.wikipedia.org/wiki/Erbzins. Reallasten wurden seit ca. 1820 in Grundbücher eingetragen, davor in die verschiedenen Vorläufer von Grundbüchern.
    Dass u.a. auch Gerätschaften wie Sense und Sichel eingetragen sind, spricht schon augenscheinlich für eine Grundschuld, denn was hätte eine Finanz- bzw. Steuerverwaltung mit Sense und Sichel anfangen sollen? Diese Frage stellt sich auch, falls mit Sense und Sichel tatsächlich Handdienste gemeint sein sollten, was aber nicht ersichtlich ist (nur einmal jährlich an Walpurgis?).



    Gruß
    Detlef

  • Ich bringe mal einen Auszug aus den Luchauer Erbgerichtsakten aus etwas späterer Zeit:


    1668 Specification derer Erbdienste in der Gemeinde Luchau, wieviel ein jeder in das Churf. Sächs. Ambt Dippoldiswalde zu entrichten schuldig; als:


    Johann David Merbt 4 Thaler, 15 Groschen vor 13 Hacken, 2 Erbsenssen, 2 Erbsichelln,


    Jacob Merbt besitzt 7/4 Hufen nach 23 Reichsthaler aussaat, 5 Reichsthaler Bede undt noch 5 fuder Heu,


    in der Gemeinde Oberfrauendorff:


    David Merbt izo Christian Legler:


    1 Erb-Äckertag, 1 Lohnhacken, 1 Lohnsenssen, 1 Erbsichell, 2 Lohnsichelln, 2 Lohnwagen,


    Martin Merbt: 1 Erb-Ackertag, 1 Lohnhacken, 1 Lohnsenssen, 1 Erbsichell, 1 Lohnsichell, 2 Lohnwagen.“


    Es scheint sich dabei nach meiner Meinung wirklich um Handdienste zu handeln. Ich vermute, dass die Leistungen zu einem bestimmten termin fällig waren, also bis dahin abgegolten werden mussten. Die Ämter waren als Grundherrschaften selbst Grundeigner und benutzten die Handdienste für ihre Äcker. Möglicherweise wurden beim ersten Eintrag (Johann David Merbt) mit dem Geld die Handdienste abgelöst.


    Lg Nikolaus

  • Die Tatsache, dass zwischen "Lohn-" und "Zinssicheln" unterschieden wird, bestätigt die Annahme, dass es sich um Handdienste handelte.
    Wegen des Wortes "Steuer" lohnt sich keine Diskussion. Klar ist doch, dass es sich um feste Abgaben handelt. Man kann auch weiter mit wikipedia argumentieren: Im Artikel "Steuer" stößt man im historischen Teil auch auf den Begriff "Frondienste", und sucht man diesen Artikel auf, stößt man - natürlich - auf "Hand- und Spanndienste". :D

    Viele Grüße
    h :) nry


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