Lehrer, Steuereinnehmer in Sachsen, Preußen

  • Hallo, wer kennt sich mit Berufsausbildungen aus.


    Ich habe eine Lehrer(familie) in Sachsen, Sachsen-Anhalt.


    Friedrich Gottlob Diedecke (~ 1738-1798 ) war Schulmeister in Oberthau, davor in Burg-Liebenau, sein Sohn Friedrich Gottlob war 1796 Schulsubstitut. Sein Vater Johann Friedrich war Schulmeister in Lützschena und Hänichen. Leider konnte ich da die Kirchenbücher noch nicht einsehen, denn im nachliegenden Ort Cursdorf gab es Lehrer mit dem Namen Diedecke im 17. Jahrhundert über 4 Generationen. Vielleicht Vorfahren?


    Wie sah die Ausbildung aus? "Lernten" da Söhne bei ihren Vätern wie im Handwerk oder gab es Ausbildungsstellen?


    Der Schwiegervater war der Churfürstlich Sächsischer SalzLicent-Einnehmer Johann Gottfried Schöning. Wie sahen da die Berufsausführung und Ausbildung aus? Dass er die Salzsteuer einnahm, habe ich schon verstanden. Aber wie lief das ab?


    Desweiteren habe ich noch einen Lehrer in Ostpreußen: Johann Kempka in Rosoggen (1847, Kreis Sensburg). Dazu gibt es gar kein Material mehr. Stimmt es, dass um diese Zeit irgendwelche Handwerker oder Kriegsinvaliden gelehrt haben ohne entsprechende Ausbildung?



    Natürlich suche ich weiter alles über Diedi/ecke, Schöning und Kempka


    dodo

  • Leider kenne ich mich mit diesen Gegebenheiten in deinem Bereich nicht aus, aber hier in Westfalen gab es zu der Zeit nicht wirklich eine Ausbildung für "normale Lehrer", also nicht Lateinschulen, sondern normale Dorf- oder Stadtschulen. Da wurde sehr häufig der Küster mit dem Lehramt betraut und ich habe gehört, dass auch Handwerker oder Kriegsveteranen als Lehrer arbeiteten. Sie mussten vermutlich nachweisen, dass sie selbst lesen und schreiben konnten.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Sohn das Lehren auch vom Vater lernte.
    Es ist aber vielleicht auch möglich, dass deine Lehrerfamilie bereits zu den gebildeteren Leuten gehörte und diese Lehrer vielleicht studiert hatten. Vielleicht kannst du herausfinden, was für Schulen das waren, an denen sie tätig waren.

  • Moin,


    studiert waren sie sicherlich nicht. Man sollte sich bewusst sein, dass nicht mal Magistrate zu dieser Stadt ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen hatten!


    Den Lehrerberuf lernte man bei einem Kollegen oder bei dem eigenen Vater. In früherer Zeit gab es im Prinzip auch nur die Fächer Rechnen, Lesen und Schreiben. Später auf der Lateinschule, dem heutigen Gymnasium, wurde man dann auch in anderen Fächern unterrichtet. Die Schüler, die dort hingingen wurden häufig in der Zeit, als sie noch auf einer normalen Schule waren von ihren Eltern oder Privatlehrern unterrichtet.


    Der Lehrerberuf war auch nichts so tolles. Oft machte derjenige diesesn Job, der körperlich zu schwach für die Feldarbeit war und geistig natürlich dafür geeignet. Die Lehrer waren damals, wenn wir von den Dorfschulen sprechen, arm. Häufig diente ein Kohlgarten zum Lebensunterhalt.


    Gruß


    Benny

  • Hallo,
    da geht jetzt aber einiges durcheinander!


    Im 18. Jahrhundert hat man den Lehrerberuf zumindest für die Dorfschule gar nicht, auch nicht vom Vater oder einem anderen Lehrer, gelernt. Fehlte auf dem Dorf ein Lehrer wurden alle Bewerber, die meinten, sie könnten Lehrer werden, getestet.
    Auf dem Dorf wurden vor allem Religion, Lesen und Schreiben vermittelt. Rechnen war schon gar nicht mehr so wichtig. Die Gemeinde wählte den Lehrer nach seinen Fähigkeiten.
    Um das Verfahren mal plastisch zu machen, ein kleines Zitat aus dem Protokoll einer Lehrerwahl in Pommern:


    In den städtischen Lateinschulen, die es im Übrigen schon viel länger als die Dorfschulen gab, wurden Dialektik, Rhetorik, Grammatik, Arithmetik, Geometrie, Musik und natürlich auch Religion unterrichtet - alles auf Latein. Die Lateinschule war die Vorbereitung für die Universität, aber nicht mit einem heutigen Gymnasium vergleichbar.
    Auch für die Lateinschule gilt: Fast jeder konnte Lehrer werden. Er musste aber wenigstens die Lateinschule erfolgreich besucht haben, da er der lateinischen Sprache mächtig sein musste, oder an der Universität studiert und den Magister (damals eine Art Zwischenprüfung) abgelegt haben. Viele Studenten arbeiteten als Hauslehrer.


    Man war damals schlicht der Meinung, dass ein Lehrer nichts weiter beherrschen können musste, als das nötige Fachwissen. Pädagogik als Wissenschaft steckte damals noch in den Kinderschuhen.



    Lehrer war in diesem Sinne überhaupt kein erlernbarer Beruf. Das kommt erst ein gutes Jahrhundert später.

  • Moin,


    wenn ich da noch mal eingreifen darf: Es gibt regionale Unterschiede.


    Nicht jeder konnte Lehrer werden. Aus meinen eigenen Forschungen ist mir bekannt, dass sich die Bewerber schon durch eine Art Lehre auszeichneten. Es gibt richtige Traditionsfamilien. Natürlich kann man das nicht auf jedes Dorf übertragen. Aber vielmehr müsste man es so formulieren, dass der Lehrer gleich Küster war und nicht umgekehrt.


    Wenn es Regionen gibt, wo, wie es in Deinem Beispiel zu lesen ist, sogar Schuster und ähnliche Personen sich beworben haben, müsste man mal untersuchen, wie überhaupt die Bildungsschicht in dem Ort war. Ich würde vermuten, dass einfach die "gelehrten" Personen fehlten.


    Man muss sich aber auch klar machen, dass das Berufsbild des Lehrers sich nicht nur auf das Unterrichten beschränkte. Die obenerwähnte Küsterarbeit in der Gemeinde war ein sehr wichtiger Bestandteil.


    In dem Punkt, dass Rechnen unwichtig war, möchte ich Dir für Ostfriesland klar widersprechen: Hier war das Fach Rechnen das am stärksten gewählte. Lesen und Schreiben folgt danach. Die Begründung mag in dem Verwalten und Umgang mit Geld liegen.


    Die Lateinschule ist mit dem Gymnasium insofern vergleichbar, als dass die Lateinschule die Vorgängereinrichtung war. Im 19. Jahrhundert lösten die Gymnasien die Lateinschulen ab. Auf den Gymnasien wurde auch weiterhin Latein gesprochen/geschrieben. Wir dürfen im Prinzip die Einrichtung des Gymnasiums nicht verkennen, da es durch verschiedene Reformen ummoduliert wurde. Aber vom Kern her hat es die gleichen Aufgaben.


    Der Magister ist auch keine Art Zwischenprüfung sondern der Titel eines abgeschlossenen Studiums.


    Gruß


    Benny

  • Hallo Benny,


    gebe dir in allem recht. Vor allem in Bezug auf die regionalen Unterschiede. Ich habe selbst so eine "über Generationen Lehrer/Küster-Familie" im Stammbaum. Ob Lehrer = Küster oder Küster = Lehrer ist wohl von den Auffasungen der Einzelpersonen abhängig gewesen. Oft jedenfalls sollen die sogenannten "Küsterschulen" nicht die besten gewesen sein, da auch die Küster nicht ausreichend ausgebildet waren.
    Mit dem Beispiel wollte ich zum Ausdruck bringen, dass es im 18. Jahrhundert eine korrekte Ausbildung wie man sich das heute vorstellt, nicht gab. Auch das Weitergeben einiger aus heutiger Sicht mehr oder weniger "pädagogischer" Kniffe vom Vater zum Sohn sehe ich in diesem Zusammenhang nicht als Ausbildung im Vergleich zu anderen Berufen.
    Die Lehrer waren überwiegend nicht für ihre Arbeit qualifiziert - nicht (nur) weil in fast allen Kleinststädten und Dörfern keine intellektuelle Oberschicht greifbar war, sondern weil die Vorstellung weit verbreitet war, dass Lernvorgänge mit stumpfem Nachbeten, Wiederholen, Auswendiglernen und mittels Prügelstrafe zu erzeugen wären. - Das ist keine Herabwürdigung des Lehrerstandes, sondern Stand der Forschung in der historischen Pädagogik, löbliche Einzelfälle ausgenommen.


    Diesmal zitiere ich denn auch wissenschaftlich:


    "Von den Lehren im niederen Schulwesen hat in Preußen noch 1830 etwa die Hälfte keine spezielle Ausbildung (sondern ist nur von einem Prediger auf Tauglichkeit für den Beruf überprüft worden) [...] Vom Hirten, der im Sommer die Herde und im Winter die Kinder hütete, vom Schneider, in dessen Stube außer seiner Frau mit ihrem schreienden Kind, dem Gesellen, zwei Hühnern, einem Hahn und einem Hund an die 50 Schulkinder versammelt waren, mit denen er Katechismus und Bibel traktierte, vom Küster, der nebenbei Schule hielt, über den Lehrer, der weiterhin niedere Kirchendienste versehen musste, bis zur Verfassung des Deutschen Reiches, die 1919 Lehrer zu Beamten machte und die geistliche Schulaufsicht aufhob, führte ein von Hoffnungen und Rückschlägen geprägter Weg [...]."
    (Quelle: Diederich, J: Der Lehrer. In: Lenzen, D.: Erziehungswissenschaft. Ein Grundkurs. Reinbek b. Hamburg. 1994.)


    Okay, preußische Verhältnisse - aber war es anderswo wirklich soooo viel besser?


    Grüße,
    Katrin

  • Moin,


    ich stimme Dir da voll zu. Pädagogik gab es nicht. - Eine Ausbildung im Sinne einer heutigen Ausbildung gab es wohl auch nicht. Ich denke aber, dass man wohl von einer Lehrphase sprechen kann.


    Mit Preußen kriegen wir ein Problem: Es gehörte nicht alles zu Preußen und auch, was zu Preußen gehörte, heißt nicht gleich, dass alles zentral geregelt war. Die Hauptverwaltung saß in Berlin (?) und ob nun ein Dorfschulze, Pastor etc. hier oder dort alles umgesetzt hat, ist kritisch. Das müsste man dann genauer untersuchen.


    Viele Grüße
    Benny

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank für die Informationen.
    Zusammenfassend kann ich wohl annehmen, dass meine Vorfahren in der Preußischen Provinz Sachsen bei ihren Vätern den Lehrerberuf "erlernt" haben, da in den Kirchenbüchern auch kein zusätzlicher Beruf angegeben ist.
    Bei meinem Vorfahren in Ostpreußen habe ich nur den Ahnenpasseintrag. Wenn um 1830 erst die Hälfte der Lehrer in Preußen eine spezielle Ausbildung hatte, dann nehme ich mal an, dass er 1847 mitten auf dem flachen Land keine hatte.


    Leider hat sich keiner zu meinem toten Punkt ´Salzlicenteinnehmer`geäußert.


    dodo