Familientraditionen

  • Laut Wikipedia wurde das Unternehmen kurz nach dem dieser Artikel geschrieben gewurde wegen Überschuldung aufgelöst.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kongo_Gumi
    Wie schade! Aber auf jeden Fall total faszinierend. Es gibt wohl sogar eine Schriftrolle aus dem 17. Jahrhundert als Dokumentation für die Firmengeschichte. Da werde ich ja total neidisch 8o


    Viele Grüße,
    Anke

  • Nein, das ist ja schade! Das ist ja wie wenn ein alter Urwaldriese stirbt. Ich finde immer, dass lebendige Traditionen einer Familie die gemeinsame Identität geben. Und ich bewundere ehrfürchtig, wenn einer in x-ter Generation Bäcker oder Schneider ist. Das ist mehr wert als irgendein Adelstitel, der evtl noch auf krumme Touren erworben wurde.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Aber wenn man bedenkt das es ja meistens so läuft: Die Erste Generation baut auf, die zweite baut aus, und die dritte ruinierts, dann haben die japaner da ganz schön lange durchgehalten! :)
    Aber vielleicht haben die die Enkel auch einfach immer übersprungen, Japaner werden ja angeblich überdurchschnittlich alt!

  • Japaner werden ja angeblich überdurchschnittlich alt!

    Vielleicht lebt der Ahn aus dem 6. Jahrhundert ja noch, und kanns mit der Tradition wieder richten :D


    Aber Spass beiseite, ich habe noch eine tolle Tradition gefunden: Ich unterlasse die Nennung des Familiennamens, weil ich darum gebeten wurde. Ein Ahn der Familie heiratete "unter Stand", und wurde deshalb von der Familie verstoßen. Auf der Flucht bekam seine Frau ein Kind, und in den zerstörten Landschaften des 30-jährigen Krieges hatte sie keine andere Bekleidung für das Neugeborene, als ein Priestergewand aus einer Kirchenruine. Das war ca. in den 1630er Jahren. Seitdem wird jeder Nachkomme in diesem Stoff gehüllt getauft. Die klerikale Windel existiert noch heute, und wird wie eine Reliquie von Generation zu Generation vererbt. Seit nunmehr fast 380 Jahren!

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo Seipe,


    hast du das Gewand gesehen? Weil ohne das ich das sehe würde ICH das nicht glauben!
    In 380 Jahren kommen da schließlich einige Kinder zusammen und auch wenn ich die handwerklichen Fertigkeiten der damaligen Weber nicht in Zweifel ziehen möchte, halte ich die schadlose Benutzung über solchen langen Zeitraum doch für mehr als... fraglich! 8o

  • Ich habe das gute Stück leider noch nicht gesehen. Meine letzte Information darüber war die Taufe meiner Urgroßmutter 1874. Groß war also die Freude, als ich herausfand das sich der Stoff in dem anderen Familienzweig bis heute erhalten hat. Und es wird noch immer benutzt! Nach telefonischer Auskunft des Verwahrers handelt es sich um ein ca 20x100 cm großes Stoffstück. Eher geeignet zum Umlegen um den Täufling, also kein geschneidertes Kleidungsstück zum Reinschlüpfen.
    Da einzelne Zweige der Familie bereits im 18. oder 19. Jh durch Auswanderung beispielsweise nach USA aus dem Blickfeld verschwunden sind, sind auch nicht "alle" Nachkommen in den Genuss der historischen Windel gekommen. Das habe ich im Überschwang falsch formuliert.
    Auf die Fotos von dem Textil bin ich jetzt schon unheimlich gespannt.
    Bei der allgemeinen Haltbarkeit habe ich jedoch keine Bedenken. Kirchliche Gewänder waren auch über viele Jahrhunderte in Gebrauch. Die Anlässe sind einigermassen selten, und die Beanspruchung nicht groß.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Klingt unglaublich. Das liegt aber wohl vorallem daran weil so weittragende Eigentümlichkeiten in meiner Familie eigentlich nicht vorhanden sind.


    Stell mal ein Bild davon hier rein, wenn du es bekommen hast. Würd mich echt interessieren.

  • Oh ja, ein Bild davon würde ich auch gerne sehen.


    Und ich fand es schon toll, dass meine Tochter in meinem Taufkleid getauft wurde (das aus dem Stoff des Brautkleids meiner Mutter geschneidert wurde). Das müssen wir ja dann noch einige Generationen weitervererben, bis wir auch so ein Traditionsstück haben :D

  • Wir waren mal in Langen in einer kleinen Ausstellung, welche auch vom hiesigen Mitglied Gabi-Langen mitorganisiert wurde.


    Da gab es ein weißes Taufkleid zu sehen, in dem seit über 100 Jahren alle Kinder der Familie getauft wurden. Und, sofern ich mich recht erinnere (vielleicht kann Gaby helfen?), wurden auch die Namen und das Jahr eingestickt.


    Das war für mich auch sehr beeindruckend.


    Zumal ich glaube, dass solche Traditionen den Zusammenhalt der Familie fördern. Denn wenn man total verstritten ist, kommt man sicher nicht in den Genuß, dass das eigene Kind dieses Kleid anziehen darf. Und was, wenn das Kind nach einigen Jahren herausfindet, dass alle Namen bis auf sein eigener darauf stehen?



    Andrea

  • Hallo Andrea,


    ja, das Taufkleid stellte uns ein Familienforscher aus Buchschlag zur verfügung. So weit ich mich erninnern kann, waren in diesem Taufkleid seit 1904 alle Kinder der Familie getauft worden.


    Auch meine beiden Kinder wurden im selben Taufkleid wie ich und meine Schwester und auch schon mein Vater und dessen Schwester getauft.
    Es gibt dazu zwei verschiedene Schleifen, eine blau und eine rosa, die dann passend zum Geschlecht des Kindes ausgewechselt werden können.


    Eine weitere Tradition ist leider vor einigen Jahren zu Ende gegangen. 1899 eröffnete mein Urgroßvater eine Wagnerei. Diese übernahm dann mein Großvater und auch mein Vater führte das Geschäft weiter, dann allerdings als Schreinerei. Da mein Vater nur Töchter hat konnte er das Geschäft nicht weiter geben. Mein Sohn hatte sich leider auch für einen anderen Beruf entschieden. So wurde das Geschäft nach 99 Jahren aufgelöst.


    Gruß
    Gaby

  • ...noch ein weiteres Fundstück aus den unendlichen Weiten des www:
    http://www.familybusinessmagazine.com/oldworld.html
    Demnach ist nach der inzwischen aufgegebenen Firma Kongo Gumi eine weitere mit Gründungsjahr 718 angegeben, danach folgen bereits europäische Unternehmen mit Wahnsinns-Tradition. Da hat man einiges zu Lesen!


    Eine Erzählung meines Gastgebers bei einem Englandaufenthalt ist in diesem Zusammenhang auch nicht schlecht: Dort steht in der Nachbarschaft ein mittelgroßes Familienanwesen, welches laut (angeblich erhaltener) Urkunde seit 1066 in Familienbesitz ist. Das Dokument habe ich natürlich nicht gesehen, wie hätte ich denn auch Kontakt zu der Familie aufnehmen können. Aber das Haus passt vom Baustil durchaus in die Zeit.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Jetzt nochmal zurück zur "Familienwindel": In der Zeit meiner Online-Abwesenheit aus technischen Ursachen habe ich die Fotos erhalten. Die Windel ist ein Mustersamt etwa aus den 1750er Jahren, also ist an der Familientradition, dass sie seit den 1630ern benutzt wurde, etwas faul. Inzwischen habe ich mehrere Ursprungslegenden gefunden, die sich widersprechen. Dafür konnte ich nachweisen, dass die Windel zumindest seit den 1780er Jahren immer wieder zur Taufe genutzt wurde. Auch das ist ja bereits eine ansehnliche Tradition.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo Seipe,


    da hat sich die "Familienwindel" ja trotzdem schon einige Jahre gehalten.
    Du könntest wohl nicht zufällig mal ein Foto hier einstellen - würde sie ja zu gerne mal sehen :]


    Viele Grüße,
    Anke

  • muss wohl sehr strapizierfähiges Material sein wenn man bedenkt wie oft sie in dieser Zeit gewaschen wurde und mit welcher Technik in der Vorwaschmaschinenzeit. Da können sich die Kleiderhersteller der heutigen Zeit mal ein Beispiel von Wert anschauen.


    gruss


    uli

    viele Grüße
    Ulrich
    suche Volkemer >1720 Pfalz; Elsaß; Lothringen;
    Schmidt in Syrgenstein/Bayern-Schwaben und Lothringen Raum Bitsch > 1720

  • Nun, so ein Priestergewand kann es auch über Jahrhunderte ohne Wäsche aushalten. Und der Täufling hat natürlich eine Unterwindel für den Fall eines großen Geschäfts. Damit dürfte die Windel noch viele Jahrhunderte halten.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • So, ich habe jetzt die offizielle Antwort des deutschen Textilmuseums in Krefeld: Die Reliquie, die angeblich aus den Tagen des Dreissigjährigen Krieges (1618-164 8) stammt, ist wirklich erst in die Mitte des 18. Jahrhunderts zu datieren, wie ich selbst vermutete. Sehr salomonisch teilte man mir mit, dass das Textil vielleicht ausgetauscht wurde, so daß die Überlieferung vielleicht dennoch wahr ist, nur die Familienwindel nicht mehr dieselbe.
    Das ist natürlich eine Spekulation, die ohne Grundlage ist.
    Dennoch fühle ich mich sehr geehrt, daß die Leiterin des Instituts mir persönlich geantwortet hat, und die Anfrage nicht auf dem Schreibtisch eines Praktikanten beantwortet wurde. So viel Interesse und Entgegenkommen -vor allem kostenlos- hatte ich nicht erwartet.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Selbst wenn das Tauftuch "erst" aus dem 18 Jahrhundert ist ist das schon eine lange Tradition die sich in deiner Familie erhalten hat. In den wenigsten Familien gibt es noch so alte Traditionen die heute noch gepflegt werden. Für mich zeigt das auch dass hier immer noch einen Zusammenhalt der Familie gibt der heute auch nicht mehr alltäglich ist.


    gruss


    uli

    viele Grüße
    Ulrich
    suche Volkemer >1720 Pfalz; Elsaß; Lothringen;
    Schmidt in Syrgenstein/Bayern-Schwaben und Lothringen Raum Bitsch > 1720