Kriegsgefangenschaft in England 1944-1948

  • Hallo an alle, die sich hier viel besser auskennen als ich,


    Frage: kann man man aus der Dauer der Kriegsgefangenschaft irgendwelche Schlüsse ziehen, bzw. welche Gründe konnte es geben, daß manche Gefangene schon ca. 1946 nach Hause kamen, andere erst viel später.
    Ein vorstellbarer Grund wäre ein organisatorische/finanzieller: manche Lager sollten einfach aufgelöst werden. Das ist aber noch keine hinreichende Erklärung für meine Frage. Andererseits war zumindest die Person um die es mir geht zur Arbeit eingeteilt, bzw. war das ganze Lager dafür gedacht (soweit bin ich noch nicht)


    Hintergrund: mir fallen grade aus dem Nachlaß eines Familienmitglieds Briefe in die Hände, die aus Deutschland an ein Familien-Mitglied im Lager NORMANHURST in England geschrieben wurden. Darin kommt immer wieder Bemerkungen vor wei z.B.: "hier hört man, daß in nächster Zeit wieder viele Gefangene in England freigelassen werden sollen, wir hoffen, du bist dann auch dabei ..." etc. und zwar ab 1946.


    Das war es, was mich auf die Frage brachte. Wonach wurde in England damals entschieden, wer heim durfte und wer nicht?


    lg
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Hallo Gisela


    Ich kann dir momentan nur allgemein antworten (gemäss dem Buch "Die Gefangenen" von Guido Knopp):
    Mann könnte unterscheiden zwischen folgenden Gruppen von Kriegsgefangenen:


    1. Diejenigen, die im Afrikafeldzug in Gefangenschaft gerieten. Diese wurden zuerst in Afrika festgehalten,
    danach meistens per Schiff nach Kanada gebracht. Irgendwann nach Kriegsende wurden sie dort entlassen,
    durften aber nicht nach Hause zurückkeren, sondern wurden nach England gebracht.


    2. Diejenigen, die in den Wochen und Monaten nach der Normandie-Invasion in Gefangenschaft gerieten.
    Diese sind wohl alle nach Grossbritannien gebracht worden und haben die ganze Zeit der Gefangenschaft
    dort verbracht.


    3. Diejenigen, die in den letzten zwei, drei Monaten des Krieges auf deutschem Boden in Gefangenschaft
    gerieten. Diese wurden auch auf deutschem Boden festgehalten und nach wenigen Wochen bzw. Monaten
    wieder freigelassen.


    4. Daneben gab es noch einige Angehörige der Luftwaffe, die in Grossbritannien notgelandet oder abgestürzt sind.


    Da du von einer Kriegsgefangenschaft ab 1944 sprichst, nehme ich an dass deine Person am ehesten zur
    2. Gruppe gehörte.


    Hier einige Websites zur Kriegsgefangenschaft in Britischen Lagern:
    http://wiki-de.genealogy.net/K…nlager_des_2._Weltkrieges
    http://home.arcor.de/kriegsgefangen/deutsch/uk/index.html
    http://www.fortunecity.com/campus/dixie/921/PoWs/pows.htm
    http://www.wartimememories.co.uk/pow/pow.html
    http://www.islandfarm.fsnet.co.uk/index.html


    Gruss
    Svenja

  • Hallo Svenja,
    vielen Dank für deine informative Antwort. Ich werd mir, wenn ich mal Ruhe habe, die ganzen Links angucken.
    Ja du hast recht, die Gefangennahme war in Frankreich. Er war auch in Afrika, aber da hat es ihn noch nicht erwischt. Diese Fakten sind klar.
    Einer der Hintergedanken meiner Frage war, warum manche schon nach 1-2 Jahren nach Hause konnten, manche mehr als die doppelte Zeit bleiben mußten.
    Waren die einfach noch als Arbeitskräfte nützlich, oder waren es solche, die wegen Nazi-Vergangenheit mehr suspekt waren als andere? oder gibt es noch andere Gründe?
    Na, jetzt guck ich mir erst mal die Links an, und dann sehe ich weiter.


    liebe Grüße
    und grüß mir das wunderschöne Luzern
    Gisela


    OT es ist erst weniger als ein Jahr her, daß ich auf dem 4Waldstätter See mit dem Schiff rumgefahren bin. Und diesen Januar war ich in Lützelflüh, ist zwar anderer Kanton aber auch nicht weit weg.

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  • Hallo Gisela,


    auch wenn ich zu deinem Thema nicht so viel sagen kann, da ich mich noch nicht wirklich damit auseinander gesetzt habe...
    ...aber spannend finde ich, dass dein Familienmitglied auch in Afrika war...


    Mein Opa war auch in Afrika (Afrika Corps unter Rommel) und durchlief wohl noch weitere Einsatzräume (ist leider nicht genau überliefert). Laut der WaST und dem Antrag auf Kriegsgefangenentschädigung, kam mein Opa am 18.09.1944 bei Brest/Frankreich in britische Krieggefangenschaft, durchlief 3 Lager (1 Frankreich, 2 England) und wurde erst am 4.12.1948 entlassen.



    ....wollte ich einfach mal los werden, man trifft schließlich nicht alle Tage jemanden, der Familie hat, die auch in Afrika waren :]

  • teilweise wurden Spezialisten, die zum Wiederaufbau bzw. zur Versorgung der Bevölkerung wichtige Berufe hatten (z.B. Bergleute) eher aus der Gefangenschaft entlassen. Einer meiner Brüder, der bei der Kriegsmarine auf einem Minensuchboot war, mußte allerdings nach Kriegsende weiter Dienst machen. Er kam Weihnachten 1945 in voller Uniform -ohne Hoheitsvogel und mit einem anderen Mützenband- auf Urlaub.Er wurde dann im Sommer 1946 entlassen.
    Gruß Krüll

  • Hallo Gisela und Wibi


    Habe jetzt nochmal einiges im bereits genannten Buch im Kapitel über Kriegsgefangene in Grossbritannien gelesen.
    Hier mal einige interessante Splitter, die für euch interessant sein könnten (frei zusammengefasst):


    Die Gefangenen auf deutschem Boden wurde so schnell entlassen, weil die Verpflegungslage sehr schlecht war.
    Zum einen waren die Briten nicht in der Lage die in relativ kurzer Zeit zusammengekommenen 1,9 Millionen
    Gefangenen ausreichend zu ernähren, zum anderen sah es auch für die deutsche Zivilbevölkerung schlecht aus.


    Damit die Ernte im darauffolgenden Herbst gewährleistet war und genügend Kohle für den Winter gewonnen
    werden konnte, wurden alle Gefangenen auf deutschem Boden schnell wieder entlassen, zuerst vor allem
    Landwirte, Landarbeiter und Bergmänner.


    Da viele britische Soldaten gefallen oder noch in Deutschland im Dienst waren, mangelte es auch in Gross-
    britannien an Erntehelfern. Das führte dazu dass die dortigen deutschen Kriegsgefangenen endlich ausserhalb
    der Lager auf Farmen arbeiten durften. Einige wurden auch beim Strassenbau oder bei der Beseitigung von
    Kriegsschäden in Städten eingesetzt.


    Nach dem Kriegsende mussten die Gefangenen alle Embleme des Dritten Reiches von den Uniformen entfernen.
    Im Herbst 1945 wurden den Gefangenen Bilder von den Gräueltaten an Juden gezeigt. Im Jahr 1946 kamen immer
    mehr deutsche Gefangene von den USA und Kanada nach Grossbritannien.


    Ab Dezember 1946 wurde das Fraternisierungsverbot aufgehoben, die Gefangenen durften nun also nähere
    Kontakte zur britischen Zivilbevölkerung haben. An Weihnachten 1946 konnte die Bevölkerung Gefangene
    zu sich nach Hause einladen.


    Ab 1947 durften sich die Gefangenen in einem Umkreis von fünf Meilen um das Lager frei bewegen und
    mussten auch keine speziellen Aufnäher mehr tragen. Im Juli 1947 bekamen sie auch die Erlaubnis
    britische Frauen zu heiraten.


    Diese Frauen mussten aber neben dem Widerstand der eigenen Familie auch damit rechnen, die
    britische Nationalität zu verlieren und konnten nicht mit dem Mann zusammen leben. Zudem
    berechtigte diese Ehe den Mann nicht dazu, nach seiner Entlassung in Grossbritannien zu bleiben.


    Ab dem 26.09.1946 begannen in Grossbritannien die Repatriierungen. Zuerst wurden die als
    politisch unbelastet eingestuften Gefangenen entlassen. Ab Januar 1947 dann auch weitere
    Gefangene, darunter viele Kranke. Erst am 12.Juli 1948 konnten die letzten 546 deutschen
    Gefangenen von Harwich aus die Heimreise antreten.


    Gruss
    Svenja

  • Hallo Svenja,


    vielen Dank für diesen auführlichen Bericht - sehr interesant.
    Dann gehörte mein Opa zu den letzten, die entlassen wurden, allerdings wüßte ich so garkeinen Grund dafür.

  • hallo, erstmal Svenja,


    ja super interessant. danke für die Mühe. Ich werde mir das Posting auswendig lernen. :danke:
    Zwei Punkte finde ich in für meinen Fall ganz besonders spannend:
    einmal schreibst du, daß Gefangene außerhalb des Lagers als Erntehelfer arbeiteten. Das war genau der Fall, darüber steht auch was in den Briefen. Der Gefangene war Dipl.Landwirt und er schrieb von seinen Erfahrungen auf einer engl. Farm. Er war ganz begeistert von der Technik und plante dann gleich zu Hause irgendeinen Vollernter oder so für sein damaliges Hofgut anzuschaffen.
    Der zweite punkt ist der: du schreibst:
    "Ab dem 26.09.1946 begannen in Grossbritannien die Repatriierungen. Zuerst wurden die als politisch unbelastet eingestuften Gefangenen entlassen. "
    Waren die späteren belastet?
    Ich weiß einiges über die Vorgeschichte, was ich allerdings noch nich fertig erforscht habe und deshalb noch nicht hier ausbreiten werde. Was aber sicher ist, es handelte sich um einen Wehrmachtsangehörigen im Rang eines Unteroffiziers. Also nicht aus einem SS-Verband oder so etwas.
    Es wird ja immer spannender. Da werde ich dranbleiben.


    hallo Wibi,
    ist ja wirklich interessant. Weiß du wie die englischen Lager hießen, wo dein Opa war? Ich werde auch noch herausfinden, in welchen Einheiten mein Fam.Mitglied in Afrika gekämpft hat, Artillerie glaube ich (das ist das mit den Kanonen, ja?) er ist ja dann nach Rommels Niederlage an die Westfront gekommen und in Frankreich in Gefangenschaft geraten.


    liebe Grüße Euch beiden
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
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  • Hallo Gisela,


    dass mein Opa unter Rommel war, weiß ich leider nur aus Erzählungen, da man bei der Wast dazu leider keine Unterlagen mehr hat. Es gibt aber wohl ein Abzeichen von genau dieser Rommel Truppe, welches mein Opa mal leichtsinniger weise an einen Cousin verschenkt hat, also denke ich, dass diese Aussage stimmt, und es würde auch deine Aussage stützen, nach der Niederlage an die Westfront gekommen, so stehts auch bei der Wast.


    Ich hatte das hier schon mal erfragt, weil mich das Schreiben so irritiert hat und habe die Antwort der Wast mal online gestellt:
    Wast 1 - Weinert & Wast 2 - Weinert


    In dem Antrag auf Kriegsgefangenentschädigung steht: N-Zug, 2.Rgt., 2.Div. von 1940 - Sep. 1944 - Oberjäger


    Gefangenschaft:18.09.1944 Brest/Frankreich
    Gefängnis/Lager: Sep.1944 - Nov. 1944 Landeneaux
    Camp 199 (England) - August 1945
    Camp 189 (England) August 1945 - Dezember 1958


    Entlassung: 4.12.1948


    Leider habe ich hier nur die Nummern stehen und keine Lager/Camp Namen...


    Vielleicht hat jemand eine Ahnung, welche Campnamen hinter den Nummern stecken, vielleicht ergibt sich so der Grund, für die lange Kreigsgefangenschaft

  • Hallo Gisela,
    hatte der Unteroffizier sich vielleicht auf 12 Jahre verpflichtet, dann galt er nämlich als Militarist. Einer meiner Brüder (Jahrgang 21) hat das gemacht, als er gemustert war. Dann konnte er sich -zu Beginn des Krieges- nämlich aussuchen welche Laufbahn er einschlug. Er wurde dann Verwaltungs-Obermaat. Als er aus Norwegen entlassen wurde, durfte er dann als Militarist erst einmal längere Zeit Trümmer räumen, bevor er sich eine andere Arbeit suchen konnte.
    Gruß Krüll

  • Hallo Krüll
    ich gehe mal davon aus, daß es nicht so war, er wurde definitiv eingezogen (als schon Krieg war). Er hatte vorher Landwirstschafts-Lehre, Studiumd der Landwirtsch., und Referandariat als Landwirtschaftslehrer abgeschlossen. Ich weiß, das sind nur Anhaltspunkte, aber ich kannte ihn noch gut und bin mir ziemlich sicher, er wollte immer nur im landwirtschaftlichen Bereich tätig sein, das war sein Leben, sowohl der praktische Bereich, als auch der den den man durch das Studium erschließt.
    Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis ich damit fertig bin, alles zu sortieren und dann die entspr. Briefe auch alle noch zu lesen. Zum Glück sind viele davon maschinenschriftl. Erst dann werde ich es mit der WaST versuchen.
    Jedenfalls war eine Belastung schon da, wie Parteizugehörigkeit und andere Mitgliedschaft in anderen einschlägigen NS-Organistationen. Allerdings wie gesagt, er war normal bei der Wehrmacht und nicht in irgendeiner Sondereinheit. Er hatte auch kein Amt oder Rang in Partei oder woanders (geht aus Denazifizierung hervor) Aber ich denke mal, das wird mindestens ein Grund gewesen sein, daß er so lange blieb. Aber ich habe keinen Beleg bisher und ich weiß nicht, ob das der einzige Grund war.
    Ich dachte bisher immer, es gäbe so viele, die ähnliche Mitgliedschaften hätten und nicht nur ein paar hundert. Vielleicht irre ich mich da.


    Dieser Thread wird ja immer interessanter und lehrreicher.
    danke für eure Beiträge
    lg
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
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  • Hallo Gisela,
    mein Bruder wurde auch erst nach Kriegsbeginn gemustert und dann 1940 eingezogen. Er wollte aber nicht zur Infanterie, dazu wählte er den beschriebenen Weg. Nach dem Motto: wenn es schon sein muß, dann wenigstens da, wo es für mich am Einfachsten ist.
    Gruß Krüll

  • ja Krüll,
    vielen ging es so, daß sie eigentlich etwas besseres vorhatten ... und mußten dann doch. Das habe ich auch mehrmals in meiner Famile, auch mütterlicherseits.


    Meine Antwort bezog sich auf die Überlegung, ob mein Vorfahr sich freiwillig als Uffz verpflichtet hat, und dagegen spricht auch einiges.


    lg
    Gisela

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