Kriegsteilnehmer auf beiden Seiten

  • Das Thema Umgang mit brauner Vergangenheit finde ich sehr spannend. Ich will hier von einer anderen Art kriegsbedingten "Familien-Erlebnis" berichten.


    Mein Großvater (mütterlicherseits) wurde in Sosnowice geboren (damals Russisch-Polen) und diente im 1. WK in der Österreichischen Armee.
    In 1939 müsste er und seine Familie (seine Frau, meine Mutter und meine Tante) von der Nazis aus Österreich fluchten. Nach einen Zwischenhalt in Prag ist die Familie nach England gekommen. Anderen Verwandten hatten nicht so viel Glück und starben in KZs. Ich habe eine Ahnentafel von einer Linie, wo viele am 30.09.1943 gestorben sind.


    Der Neffe seiner Frau diente in der deutschen Luftwaffe, kämpfte gegen England, und wurde irgendwann von den Allierten abgeschossen. Nach dem Krieg weigerte sich mein Grossonkel deshalb, die Familienmitglieder in England zu besuchen.


    Im 1. WK diente mein Großvater (väterlicherseits) in der Britischen Armee und war beim Grabenkrieg in Belgien dabei, wo er eine Giftgasverletzung erlitt. Sein Sohn wurde später Linsenmacher und arbeitet während des 2. WKs Linsen für Kampfflugzeuge herzustellen.


    Dies sind nur ein paar Geschichten aus meiner Familie - Geschichten, die ich kenne. Ich habe sicherlich viele anderen (unbekannten) Verwandten, aus England, Deutschland, Polen, Österreich, Ungarn und anderen europeischen Ländern, dessen Geschichten ich noch nicht kenne.


    Berlin-Bob

  • Ich kann eigentlich mehr über Kriegs-Nicht-Teilnehmer aus dieser Zeit beitragen.
    Da war einerseits ein gewisser Herbert Höhne, Halbjude. Nach jüdischer Definition gar kein Jude, da - mater semper certus, pater semper incertus - nur sein Vater Jude war. Vater Höhne war Architekt in Heidelberg, hat dann aber in der NS-Zeit seine Arbeit verloren. Als Juden hat die Familie, als es dann kriegstechnisch so weit war, natürlich auch keine Lebensmittelkarten mehr bekommen. Mein Großvater väterlicherseits hat der Familie Höhne dann damals mit Lebensmittelkarten ausgeholfen, bis die Familie Höhne in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Denunziert hatte sie der Schwager meines Großvaters. Herbert Höhne hat das KZ überlebt, kam danach in seine Wohnung nach Heidelberg zurück. Da Heidelberg nach dem Krieg Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in Deutschland wurde, wurde mein Elternhaus enteignet, meine Großeltern und mein Vater sozusagen rausgeschmissen. Mein Großvater hat da Besuch von einem englischen Offizier bekommen, der ausgezeichnet deutsch gesprochen hat, gleichzeitig bezog ein Posten der Militärpolizei vor dem Haus Stellung und sie hatten 45 Minuten Zeit, das Haus zu räumen. Aufgenommen hat sie dann besagter Herbert Höhne.
    Herbert Höhne hat später eine Jüdin geheiratet, beide haben eine Tochter bekommen. Dann ist die Familie nach Santiago de Chile ausgewandert, wo Herbert Höhne als Architekt gearbeitet hat. Leider hat sich der Kontakt über die Jahre verloren.


    Andererseits war da mein Großvater mütterlicherseits. Gebürtiger Ostpreusse aus Königsberg, Stadtkommandant der SS in Domodossola, im Zivilberuf Ingenieur, Spross eines alteingessessenen Ostpreussischen Geschlechts von Juristen und ausgezeichneten Naturwissenschaftlern, von denen gleich mehrere in jedem Biologielehrbuch zu finden sind. Er hätte sich in Nürnberg verantworten müssen, wäre er nicht kurz vorher aufgrund eines verschleppten Magendurchbruches verstorben. Meine Großmutter ist daraufhin eine Liaison mit einem britischen Besatzungssoldaten eingegangen und mit diesem in die englische Grafschaft Devon gezogen. Nachdem dieser starb, ist sie mit ihren drei Töchtern in die Pfalz gezogen. Da lebt sie heute noch, ist mittlerweile geistig völlig abwesend, hat aber ihren ersten dreistelligen Geburtstag schon lange hinter sich.


    Dann mein Schwiegervater. Sudetendeutscher. Wurde sehr jung zur Marine gezogen, hat dort zunächst auf einem U-Boot Dienst getan, wurde daraufhin zum Fahnenjunker befördert. Dann im Partisanenkrieg in Jugoslawien eingesetzt. Eine Zeit, über die er nie geredet hat, aber trotzdem selbst heute noch, mit 87 Jahren, manchmal schreiend aufwacht. Dann in Kriegsgefangenschaft geraten und dabei in Schottland in einer wohlhabenden Familie Hauslehrer geworden. Inzwischen allerdings sind seine Frau und seine kleine Tochter im Zuge der Vertreibung auf dem sog. Brünner Todesmarsch ums Leben gekommen. Nach Jahren der Kriegsgefangenschaft ist er nach Deutschland zurückgekehrt und hat dort - ohne Ausbildung, da er nie Gelegenheit hatte, seine Schule zu beenden und zu studieren - eine Stelle als Lehrer bekommen und es immerhin zum Rektor eines Gymnasiums geschafft. Und eine neue Familie gegründet.


    Rossi

  • Durch ein pl. Buch,in welchem es um die Okkupation in dem Zeitraum 1939-1945 in Zakopane handelt. In diesem Buch fand ich durch einen Zufall den jüngsten Bruder meiner pl. Oma... Sofort fragte ich eine Tante von mir, was sie über ihn wußte, obwohl sie ihn nie kennenlernen konnte. Sie erzählte mir eine Geschichte, welche ihr wieder gesagt wurde....Er wurde von dt. Soldaten angehalten, ihnen einen Weg zu zeigen, wo der Partisanenweg durch die Wälder führt. Er sagte ihnen, er würde diesen Weg nicht kennen. Olb er ihn kannte oder nicht - er verschwand. Keiner seiner Familie wußte wohin er kam, was aus ihm wurde - nur er wurde ermordet. Jedenfalls bekam ich nun heraus, er kam nach Ausschwitz. Von da kam er nie wieder. Ich bin dann dahin gefahren und bekam später alle Unterlagen (Kopien mit Foto) über/von ihm. Mein pl. Opa sprach nie über seine Zeit im 2. WK, leider verstarb er als ich 1 Jahr alt war. Ich konnte nur in Erfahrung bringen, er wurde von den Deutschen verschleppt, nur keiner konnte mir sagen wohin. Er wurde von den Amerikanern gerettet.Vor ca. 3 Woche bekam ich nun einen langersehnten Brief mit der Auskunft, wo er in D war.


    Meine dt. Oma erzählte, wie ihre Eltern durchsucht wurden, da mein Uropa Kommunist war. Ein Neffe gehörte mit zu den "Braunen". Jedenfalls wollte man meinen Uropa mitnehmen, aber der Neffe meinte wozu "der Alte bringt nix, da er Verkrüppelt ist".Sein "Glück" war in diesem Moment seine schwere Körperbehinderung...oder ein Bruder meiner Oma wurde zwangssterilisiert.


    Aber es gibt noch soviele zum Teil unerzählte Geschichten...Jede Familie hat so ihre schweren Schicksalschläge "erhalten"....

  • Hallo Berlin Bob,


    Diese lage geschah auch für die Elsässer während des 1. und 2. Weltkrieges. Mein Grossvater zB kämpfte auf deutscher Seite zwischen 1914 und 1917 und ein meiner Onkel wurde gegen seinen Willen in der Wermacht eingezogen und war so ein der zahlreichen "Malgré nous".


    Gérard