Schlittenglocke 1606- russisch??

  • Hallo, ich habe trotz geringer Kenntnisse im Russischen und Bulgarischen keine Ahnung, um welche Sprache es sich hier eigentlich handelt. Hintergrundinfo: Laut der neu aufgefundenen Familienchronik ist der Stamm der Familie Malm in Livland bis 1668 zurückzuverfolgen, und von dem urkundlich sicheren letzten Ahn Jürgen Johann Malm gibt es noch einen hypothetischen Vater und Großvater. Diese beiden Individuen sind lediglich dem Namen nach aus einer Huldigungsliste bekannt, und hatten denselben Beruf (Schuster). Nach der hinterlassenen Hypothese meines verstorbenen Onkels könnten diese beiden Herren aus Schwedisch-Pommern eingewandert sein.


    Wahrscheinlich wusste mein Onkel aber eines nicht, als er seine Hypothese bastelte: In meinem Familienzweig haben wir noch eine Schlittenglocke von 1606, die eine für Schwedisch-Pommern sicherlich untypische kyrillische Inschrift aufweist:
    "въвалдаы малм митр. D.ф.А. 1606ъ"


    Mich wundern mehrere Sachen:
    1. Das lateinische "D" gehört nicht in eine kyrillische Inschrift.
    2. Das "ъ" kommt im Russischen nicht vor, aber im Bulgarischen.
    3. Das "ы" kommt dagegen nicht im Bulgarischen vor, aber im Russischen.
    4. Nach Jahreszahlen steht in beiden Sprachen ein "г", dieser Buchstabe wird also auch hier gemeint sein. Die im Original gegebene kursive Form des г sieht dem ъ sehr ähnlich. Ich kriege den kursiven Buchstaben leider nicht in den Computer eingetippt.


    So, jede Menge Fragen. Und bei allem weiß ich auch nicht, was das bedeuten soll. Ist въвалдаы ein Vorname, zum Beispiel Ewald?


    Vielleicht kann einer von Euch wenigsten einen Hinweis auf die sprachliche Region geben, das wäre schon toll!


    PS: Ein Foto der Inschrift einzustellen ist schwierig, da mir die Glocke erstens nicht vorliegt, und die Inschrift zweitens umlaufend ist. Man müsste also mehrere Fotos zusammensetzen, oder eine flache Abformung aus Plastilin erstellen, um die Schrift abzubilden.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo F.W.SeipeII,
    seh Dir mal im Internet das russische Alphabet an(würde Dir gerne den Link setzen weis aber nicht wie :zuck: ),der Buchstabe der Deiner Meinung nicht im russischen vorkommt ist das Härtezeichen.Ich habe in der Schule gelernt das es nach der Oktoberrevolution aus dem Sprachgebrauch entfernt wurde um beim Drucken Bleilettern zu sparen.


    Gruß


    Dorit

    Albert Krause *1850 in Stettin,oo 1898 in New York,+ wo?

  • Hallo Herr Seipe,
    ich denke es ist eine russische Inschrift.
    ъ - ist ein russisches Härtezeichen
    ы - ist auch typisch russisch, wird ungefähr wie ui ausgesprochen
    D - so wird in der russ. Schreibschrift der Großbuchstabe D geschrieben
    г - ist ein russ. g , steht oft nach Jahreszahlen als Abkürzung für "Jahr"
    Es ist auf jeden Fall eine slawische Sprache
    Was die Inschrift bedeuten soll, kann ich nicht genau sagen, da müßte ich das Original oder den Scan sehen. Die Worte kenne ich nicht, habe sie auch nicht in meinem Wörterbuch gefunden, möglicherweise ist das erste Wort ein Vorname. Vielleicht ist da ein Fehler bei der Abschrift? 1606 ist auf jeden Fall die Jahreszahl.
    Phonetisch steht da: waldaui malm mitr. D.f.A.1606. - Also ein Ewald ist das sicher nicht - Vielleicht eine litauische,lettische oder estnische Form von Ewald? Das erste Wort ist recht ungewöhnlich, die Buchstabenfolge ist mir so im Russischem noch nicht begegnet, möglich,daß das so im Altrussischem geschrieben wurde.
    Viele Grüße
    Katharina :zz:

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  • könnte die glocke eventuell auch ukrainischer herkunft sein? ich habe mich schon manches mal gewundert, weil die konsonanten-vokal-kombinationen des ukrainischen wortschatzes noch krepliger zu sein scheinen, als das bei den russen der fall ist.


    grüssle


    lexxus

  • Hallo Herr Seipe,


    die Glockenumschrift ist definitiv altrussisch. Zum Härtezeichen, das ebenfalls wie das Weichheitszeichen, ein rein phonetisches ist und kein Buchstabe des Alphabets, wurde schon alles geschrieben. Das Einsparen des Härtezeichens in Druckerzeugnissen aus Gründen der Bleiökonomie halte ich für einen Lehrerscherz, 1918, als es im Zuge der damaligen Rechtschreibreform seine Bedeutung verlor, kannte man spätstalinistisches Sparen an falscher Stelle noch nicht.


    Nach meinen Kenntnissen heißt die Umschrift "Eigentum des Herrn Malm Anno Domini 1606". Wieso?
    Das erste Wort ist der damalige Ausdruck für "Besitzer" oder "Stifter", (sicher kein Eigenname) "gestiftet von", der Familienname ist Malm, das mitr. ist die Abkürzung für den "Herrn", "Herrscher", "Besitzer", heute noch üblich als Abkürzung für митрополит, den Metropoliten ("Herrscher einer Metropole", den Bezug zum Griechischen kennen Sie.) der Russisch-Orthodoxen Kirche. Das lateinische "D" gerät in die Umschrift mit dem "A", welches hier auch ein lateinisches ist, zusammengesetzt mit dem kyrrilische "f" zu A.D., Anno Domini.


    Die Hypothese des Onkel würde ich nicht so einfach verwerfen. 1606 wurde Wassili IV nach dem "falschen Demetrius" Zar von Russland, dies auf dem Höhepunkt der Smuta, der Zeit der Wirren. D. h. Ihren Schlitten finden wir vermutlich im Herrschaftsgebiet der Großfürsten von Moskau und Susdal, also im Kernland des Zarenreiches.
    Es ist bekannt, dass sich dieser Zar nur mit Hilfe der Schweden bis 1612 an der Macht halten konnte. Sicherlich sind so auch Menschen aus Schwedisch-Pommern nach Moskau eingewandert.


    Einen Bezug zum heutigen Ukrainisch sehe ich keinesfalls, auch wenn es tatsächlich "kreplig" zu sein scheint. Was nicht heißt, dass die ukrainischen Menschen Krepel sind.


    Viele Grüße
    Detlef Haase

  • Hallo Herr Seipe,


    ich spreche Russisch als Muttersprache. Die Buchstaben sind russisch. Haben Sie es auch richtig abgeschrieben? Sind da irgendwelche Leerzeichen, die Sie ausgelassen haben? Ich kann nur den Namen Malm lesen und Abkürzung von Mitropolit, sowas wie Bischof.
    малм- Malm
    митр. - Mitr.

  • Detlef, Du bist ja eine Wucht!


    Dass es Dir gelungen ist, das zu übersetzen, ist ja unglaublich. Ich habe mit mehreren gebürtigen Russen gesprochen, die sich nicht einmal sicher waren, dass es sich um Russisch handelt. Allerdings habe ich keine gebildeten Russen finden können. Und ich überlegte bereits, ob es die Sprache einer kleinen ehemaligen Sowjetrepublik sein konnte, die hatten ja alle ihre eigenen Eigenheiten.


    Ich bin ja so glücklich, die Inschrift jetzt verstehen zu können!
    Danke, danke, danke Detlef!


    PS: Auf Anregung eines Forenmitglieds will ich meine Tante überreden, die gerade im Besitz dieser Glocke ist, ein Foto zu machen. Dann kann ich hier auch ein Bild einstellen.


    viele Grüße,
    Fabian


    PPS: Ich sollte noch hinzufügen, warum überhaupt ein Bezug zu Schweden/Schw.-Pommern unterstellt wird: Der Familienname Malm ist einfach im Schwedischen sehr häufig. Es gibt dort Städte wie Malmö oder Zusammensetzungen wie Malmquist, alles nur in Schweden. Aber mehr als diese sprachliche Richtung ist an der Hypothese nicht dran, Belege für die Herkunft fehlen fast völlig. Der einzige Beleg ist die Glocke, die mein Onkel ja nicht kannte. Und bis vor ein paar Minuten wusste ich auch nicht, was auf der Glocke eigentlich draufsteht...


    Mein Dank gilt natürlich auch allen anderen Schreibern, die sich an diesem Rätsel versucht haben.
    Jetzt frage ich mich noch, welche Bedeutung die Abkürzung Mitr. genau hat: Detlef übersetzt "Herr", aber die Bedeutung "Bischof, Metropolit" schwingt im Hintergrund natürlich mit. Der Herr war offenbar wirklich ein hoher "Herr", nicht wie wir heute sagen, "Herr Meier, Herr Schulze". Und das passt dann nicht zu dem Beruf des Schusters. Wenn ein Schuster denn überhaupt einen eigenen Schlitten hatte. Aber wie oben gesagt, die Schuster-Ahnen sind hypothetisch, denn die urkundliche Überlieferung bricht 1668 ab. Vielleicht war der Vorfahr ja wirklich ein kirchlicher Würdenträger- passen würde das ja zum familiären Umfeld! Denn zwei Bischöfe (evangelisch, natürlich) habe ich in den Seitenlinien. Und alle anderen Ahnen waren entweder Pastor, Propst oder Küster- also immer kirchlich.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • митр. ist auf jeden Fall Abkürzung für Mitropolit. Ich bin Russin und beinahe Akademikerin, mache im August meinen Hochschulabschluss in Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf. Ich hoffe, für die Übersetzung ist es ist gebildet genug.

  • hallo liebe Elena!


    Huiuiui, DICH hatte ich bestimmt nicht gemeint, mit den eher einfachen Russen, die ich da befragt hatte! Das wäre ja noch schöner, wenn ich hier in meinem Lieblingsforum meine lieben Mitforscher diffamieren würde. Asche auf mein Haupt, dass Du mich da so sehr missverstehen konntest. Außerdem noch Asche auf mein Haupt, dass ich von "ehemaligen Sowjetrepubliken" sprach, wo ich Ukraine, Weißrussland, Baltische Staaten, und und und meinte! Meine eigenen baltischen Vorfahren würden sich da im Grabe umdrehen, wenn sie mich so hätten reden hören!
    Da habe ich wohl kein Fettnäpfchen ausgelassen. Aber bitte sieh es mit Humor, wir sind alle nicht perfekt.


    ich Dich um Entschuldigung, wenn ich unbedacht Deine Gefühle verletzt haben sollte.
    Fabian

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  • Um Gotes Willen, Fabian, ich bin überhaupt nicht beleidigt! Ich habe es als ein Scherz gemeint!!! Ich hätte ein Smily reinmachen müssen. Asche auf MEIN Haupt :D !
    Was mir noch eingefallen ist, dass митр. auch eine Abkürzung von митрофан sein kann.
    митрофан - Mitrofan, ein Männername. Die Russen haben für deutsche Name eigene Bezeichnungen, z.B. Johann ist Ivan usw. Mitrofan könnte Matthäus oder ähnliches heißen. Dann würde es auch Sinn ergeben, wenn keiner von Deinen ein orhodoxer Bischof war. Es würde heißen:


    Im Eigentum von Malm Matthäus(oder ähnlichen) 1606


    In Russland kommt der Nachname stets vor dem Vornamen. Dazwischen ist auch kein ,.

  • Das freut mich, denn jemandem auf die Füße treten wollte ich ja gewiss nicht. Wegen der Bedeutung des митр. habe ich nun bereits die Antwort bekommen, dass der unfreie Einwanderer durch seinen Dienst in Russland frei wurde, und damit Mitropolit im damaligen Wortsinn, also ein freier Mann. Im heutigen Russisch ist ein Metropolit natürlich ein Bischof der Orthodoxen Kirche, aber dieser Wortsinn ist sprachgeschichtlich aus späterer Zeit.
    Ein Vorname ist damit also nicht mehr notwendig hineinzuinterpretieren, auf Teufel komm raus.


    Ich kenne zwar den Namen Mitrofan, aber eine Zuordnung zu Matthäus könnte ich nicht begründen.
    Bei Ivan= Johannes sieht es anders aus, denn der Übergang von lateinisch Johannes zu deutsch Hans, französisch Jean, englisch John, spanisch Ivanez, russisch Ivan etc ist sprachlich begründbar.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

    Einmal editiert, zuletzt von F.W.Seipe ()

  • Hallo, ich habe jetzt Fotos der Inschrift von meiner Tante bekommen. Und ich muss gestehen, jetzt wird mir die Sache ein bisschen peinlich. Denn als ich die Buchstaben vor vielen Jahren abschrieb, habe ich wohl nicht sorgfältig gearbeitet. Ein abgekürztes M. habe ich wie selbstverständlich als "Malm" ergänzt, und die Jahreszahl will sich mir beim genauen Betrachten ganz und gar nicht erschließen.
    Peinlich vor allem gegenüber Euch lieben Mitforschern, die Ihr Eure Begabungen in einen von mir verhunzten Text gelegt habt.


    Nun habe ich die 9 Fotos rund um die Glocke abgepaust und zu einem fortlaufenden Text zusammengesetzt. Es gibt zwei Fehlstellen, wo ein Gegenstand davorsteht. In der Umzeichnung als gepunktete Linien angegeben.
    [Blockierte Grafik: http://www.bild-hoster.de/thumbs/Seipe/schlittenglocke1.jpg]

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo,
    auch im Russischen gibt es das "C'est la vie!".


    Eigentlich bleibt von Deiner Abschrift im wesentlichen, aber auch nicht genau, das erste Wort bzw. ein Substantiv mit Präpostion. Doch es ist Altrussisch und es bleibt " ...im Besitz von ...".


    Die Inschrift wirkt verwittert. Ich habe Deinen Scan ausgedruckt und werde nochmals nachsinnen.


    Lateinische Buchstaben vermag ich nicht zu erkennen, aber Elenas "Mitrofan" als Eigenname kommt wieder ins Spiel.


    Jahreszahlen sehe ich spontan überhaupt nicht. Melde mich nochmals sobald als möglich.


    Bis dann
    Detlef

  • Hallo die Runde. Ich weis nicht, es jemanden noch interessiert? Aber der Anfang heist in Waldaj ( въ Валдаъ). War mal ein bekannter Ort, wo die Glocken hergestellt wurden( валдайские колокольчики). Den letzten Buchstabe im Wort Валдаъ gibts nicht meer wird auch etwas anders geschrieben, gelesen wird aber wie je. Gruss Viktor2.

  • hallo, natürlich interessiert das noch!
    Viktor hat den Text ja schon übersetzt, aber zwischen meiner überlieferten Abschrift die ich zuerst angegeben habe, und den Fotos, die ich im Laufe dieses Threads erhielt, hat sich ja nun doch einiges geändert.

    Zitat

    Das erste Wort ist der damalige Ausdruck für "Besitzer" oder "Stifter", (sicher kein Eigenname) "gestiftet von" ...


    Also entweder "Besitzer" oder "in Waldau"- wobei letzteres natürlich einleuchtend klingt, wenn dort Glocken gegossen wurden.
    Ich kann in der Übersetzungsfrage leider keine eigene Meinung haben, verstehe kein Wort davon...

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo. Noch mal zur Glocke: Das ganze in Deutsch-" In Waldaj M. Mitrofanow". Waldaj ist eine gegend in Rusland.
    M. ist eine abkürzung vom Vorname z.B. Michail, Matwej od. ähnlich
    Mitrofanow ist ein Nachname vermutlich des Meisters.
    Die letzten 3 od. 4 Zeilen kann ich noch nicht lesen, zu übrigen bin ich absolut sicher
    Gruss.