Russischer Dienstadel- mit Wappenverleihung verbunden?

  • Vor kurzem erst habe ich erfahren, daß das "von" in der Familie meiner Großmutter darauf zurückgeht, dass ein Vorfahr etliche Jahrzehnte Zollbeamter war. Weiter nichts. Die erbliche Adelsverleihung war damals eine Standard-Prozedur nach einer gewissen Zeit im Staatsdienst. Entsprechend niedrig war das Ansehen dieser Klasse im "richtigen" Adel, so dass viele Nachkommen ihr "von" nicht führten, um sich nicht lächerlich zu machen. Ohnehin ist der russische Titel ohne Präposition, das kommt erst in der deutschen Übersetzung daher.


    Nun gab es in dieser Familie einen Wappenstreit, denn die Ahnherren fünfter und sechster Generation führten unterschiedliche Wappen. Max Müller verzeichnet eines in den Beiträgen zur Baltischen Wappenkunde, aber die Familie führt heute eine andere Tingierung als dort angegeben. Endgültig beigelegt wurde der Wappenstreit in den 1960er Jahren durch Eintrag in die Münchener Wappenrolle.


    Haben die Wappenstifter der sechziger Jahre das richtig gemacht? Wäre der Streit nicht entschieden, wenn man wüsste, welches Wappen mit der Nobilitierung verliehen wurde?


    Und zweitens: Wenn ich nun eine heraldische Ahnentafel anfertige, muss ich dann jeder Generation ein anderes Wappen geben, nämlich genau das, welches die Person auch führte?


    Haben andere Familien auch so ein Durcheinander??


    PS: Dieser Wappenstreit ist ein rotes Tuch in der Familie, das wie erwähnt nunmehr "eigentlich" beigelegt ist. Wenn ich also den Namen der Familie nenne, wecke ich schlafende Hunde. Deswegen stelle ich diese Anfrage sozusagen anonym.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo!


    Wer hat Dir das erzählt, dass der Dienstadel in Russland einen niedrigeren Wert hatte als der andere?! Das war nicht so. Adel war Adel und niemand hat sich lächerlich gemacht, wenn er das von führte. Natürlich ist es so gewesen, dass es Unterschiede zwischen den alten und jüngen adeligen Familien gab. Aber auch nicht mehr, als man im Reich einen Unterschied zwischen Uradel und Briefadel machte. Selbstverständlich genoß der Uradel ein höheres Ansehen als der Briefadel, aber das wars auch schon.
    Was die Wappenverleihung angeht, so muss ich Dir sagen, dass es für mich neu ist, dass die Nobilitierung in Russland automatisch mit einer Wappenverleihung verbunden war. Zum Beispiel, wurde meine Familie 1852 in Russland ebenfalls nobilitiert, wir haben auch einen Wappen, nur ist dieser Wappen nicht in den russischen Wappenbuch eingetragen, d.h., dass wir, im eigentlichen Sinn, kein russ. Wappen besitzen.
    Es gibt eine russische Internetseite
    http://gerbovnik.ru/
    da sind alle, ohne Ausnahme russ. Wappenbücher registriert, inklusive Wappenabbildungen und kurzem Text dazu. Nur sind nicht alle Abbildungen abrufbar, weil einige der Wappenbücher nie veröffentlicht worden sind und immer noch im Archiv lagern. Die, die veröffentlicht worden sind, kann man auch auf dieser Seite ansehen. Falls es aber das gesuchte Wappen in einem der letzgenannten Bücher erscheint, so zeigt es auch das Suchfenster, dass es diesen Wappen gibt, nur dass er nicht ansehbar ist. Und es zeigt auch die Nummer des gesuchten Wappens.

  • Ach ja, leider muss man den Namen auf russisch in das Suchfenster angeben. Wenn Du russisch nicht beherrschst, kannst Du mir den Namen nennen und ich werde es dann auf russisch schreiben.

  • Hallo Fabian,


    zu Deiner Frage ist sicher noch einiges zu klären. Zum Beispiel war es in Russland bei Deinem Vorfahren wirklich erblicher Adel? Den Dienstadel gab es aber er war erst ab dem Rang Wirklicher Staatssäkretär (ab 1856) überhaupt erblicher Adel und das war schon ein sehr hoher Aufstieg in der Beamtenlaufbahn. Im Grunde gab es die Bestrebung, den erblichen Adel am besten ganz abzuschaffen, deshalb mußte spätestens nach 3 Generationen wieder ein Rang erreicht werden, um den Erbadel nicht zu verlieren. Bei einem Zollbeamten könnte es sich durchaus auch um einen nicht ganz so hoch gestellten Beamten gehandelt haben, der dann das Anrecht auf persönlichen Adel erwarb. Möglich, dass selbiges mit einigen Nachfahren passierte, so dass es zwar Adel in mehreren Generationen gab, diese den Adel jedoch nicht vom Vorfahren erbten, sondern selbst "dran waren". Der persönliche, nicht erbliche Adel hatte sicher auch in Russland wie überall, wo es ihn gab, z.B. Österreich, Württemberg, Bayern usw. unter den Adeligen selbst nicht den Stellenwert, wie erblicher Adel. Die Personen stammten ja nicht aus adeligen Familien und die Familie blieb im Grunde auch bürgerlich. Somit sah man sie nicht als ebenbürdig an. Möglich auch, dass diesem Personenkreis auch der Zugang zu den Adelsvereinigungen verschlossen blieb. Da weiß ich über Russland nicht bescheid.


    Eine Wappenverleihung war allerdings mit der Verleihung des "Dienstadels" nicht verbunden. Dennoch konnte sich natürlich jede Familie selbst ein Wappen stiften, ebenso jede Linie ein anderes. Insofern gab es dann nicht DAS Familienwappen. Bei meinen Vorfahren war es nicht anders. Sie entstammten zwar dem Uradel und hatten ein Wappen, jedoch kam es im Laufe der Zeit in den verschiedenen Linien durch Standeserhöhungen und Wappenvermehrung zu verschiedenen Wappen, die dann parallel existierten, wobei einige Elemente auf allen Wappen gleich sind.


    Deine Familie hat eigentlich nichts falsch gemacht, wenn sie 1960 ein neues Wappen gestiftet haben und darin die gesamte Familie einbezogen. Der Wappenstreit war sicher sehr überflüssig, weil vermutlich jeder auf seine Weise recht hatte, dass SEIN Wappen auch zu SEINER Familie gehörte, aber es ist doch ein schöner Zug, wenn man sich dann auf ein einheitliches Familienwappen für alle folgenden Generationen einigen kann.


    Die Wappen, die Du den Ahnen zuordnest, sind die, die sie auch führten, denn zur Führung eines anderen Wappen waren sie ja nicht berechtigt. Somit kann es schon möglich sein, dass jeder ein anderes Wappen führte. Sicher nicht einfach, das dann zuzuordnen.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Hina hat absolut recht! Es kommt darauf an, ob es sich um einen erblichen oder um einen persöhnlichen Adel handelte. Es gab in Russland eine sogenannte "Rangtabelle", in ihr kann man es immer noch einsehen, vorausgesetzt Du kennst den genaueren Dienstgrad Deines Vorfahren, ob es sich um einen Erb- oder persönlichen Adel handelte. Ich könnte Dir dabei behilflich sein, den ich weiß nicht, ob man diese "Rangtabelle" auch auf Deutsch abrufen kann, auf Russisch, jedoch, auf jeden Fall.

  • hallo, vielen Dank für die vielen erhellenden Antworten!
    Nur soviel in Kürze: Der verliehene Titel war tatsächlich "wirklicher Staatssekretär, Действительный статский und nochwas", und seine Frau sagte zu der Ernennung nüchtern: "das bedeutet, dass es kein Geld gibt!".


    Dass die Nobilitierung ohne Wappenverleihung verlief, erklärt meine lange ungelöste Frage, warum ich zu manch anderen Nobilitierten kein Wappen finden konnte. In dieser Familie zwar durchaus, aber es sind bis 1960 persönliche Wappen, also keine Familienwappen. Nun habe ich darüber wenigstens Klarheit, wie sich das alles verhält.


    Die russische Wappenseite spuckt übrigens auch keinen Treffer aus: Ich kann zwar etwas Russisch (von beherrschen würde ich nicht reden), aber meine Tastatur nicht. Ich konnte die Buchstaben aber aus dem Seitentext einzeln einkopieren.


    PS: aufgrund der interessanten Rangtabelle kann ich jetzt endlich auch etwas mit den anderen Bezeichnungen wie Titularrat oder Kollegienrat anfangen! Ich dachte immer, das sei eine Berufsbezeichnung in Russland. Man lernt ja nie aus.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

    Einmal editiert, zuletzt von F.W.Seipe ()

  • Zur Vollstaendigkeit hier noch einmal!
    ALLE Zivil und Militaer Raenke :!:
    http://www.roots-saknes.lv/Estates/rank_table.htm


    Bitte auch dieses wieder lesen
    Paragraph 8 und 10
    http://www.g-gruppen.net/baltdeut.htm#a3
    sowie..
    wichtiger Auszug;
    Es war also erst in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, daß man im Baltikum "von" vor den Namen setzte. Dieses wird dadurch bestätigt, daß die Familien, die vom Baltikum nach Schweden kamen und hier im Ritterhaus immatrikuliert wurden, im Allgemeinen kein "von" vor ihren Namen haben, z. B.




    Darf ich Fragen im welchem Jahr die Nobilierung stattfand :?:
    Nachtrag nicht jedes Familienwappen war in Russland eingetragen,
    ich wuerde mal in benachbarten Laendern nachschauen :!: :!: :!:


    Koennten Sie uns den Namen geben,
    damit waere es einfacher Ihnen zu helfen!
    :]


    Mit freundlichen Gruessen :!:
    Frank Martinoff