Kochbuch der Ur-ur-ur-oma von 1860

  • Jetzt bin ich einmal komplett mit dem Transkribieren durch, und habe folgende Frage: Kennt jemand die Maßeinheit "Lu"?


    Das ist ein Maß für Fleisch, also soundsoviel Pfund (Pfundzeichen lb) Salz auf 1 Lu Schweinefleich.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

    Einmal editiert, zuletzt von F.W.Seipe ()

  • Das Pfund Butter ist vermutlich kein Schreibfehler. Ich besitze ein altes Waffeleisen für Kohlefeuer, darauf ist ein Waffelrezept ins Eisen geprägt, das auch mit sehr viel mehr Butter funktioniert, als wir heute für zumutbar halten würden. Dafür ist aber überhaupt kein Zucker drin.
    Grüße aus Duisburg
    Sabine

  • Hallo Seipe


    Was für eine (fast!) unendliche Arbeit. Eine größere Ehre hättest Du Deiner Vorfahrin kaum machen können! Es wird nicht einfach sein, diese Rezepte auszuprobieren. Vielleicht zu einem historischen Koch-und Backfest, mit guten Freunden.


    :danke: ..........sagt Seerose :)

  • danke schön! Ich würde mich ja freuen, wenn sich die Ahnin posthum freuen würde.
    ...aber ihre seltsamen Abkürzungen könnte sie mir dann im Gegenzug auch verraten... !

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo Fabian,


    :danke: das du uns am Ergebnis deiner Fleißarbeit teilhaben lässt!


    Damit muss ich mich in aller Ruhe beschäftigen - und ganz bestimmt das eine und andere auch ausprobieren. Bin gespannt was dabei rauskommt.
    Mein erster Eindruck ist, dass die Mengen für eine "normal große" Familie (was ist das?) gedacht sind, nicht wie sonst in alten Kochbüchern für ne halbe Kompanie :D


    Ach ja, die wenigen kursiv geschriebenen Worte sind unsichere Transskriptionen, oder?

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Kursiv ist gesetzt, was in der Lesung unsicher ist. Manchmal auch ... für eine Auslassung, wo ich noch nicht einmal etwas erraten konnte. Aber mir sind auch einige Fehler beim Abtippen unterlaufen, die mich nötigen die ganze Sache noch einmal korrektur zu lesen. Und da die automatische Rechtschreibkorrektur es manchmal besser zu wissen meinte, hat der PC sich auch "schöpferisch" verwirklicht. Aber das betrifft nur Einzelbuchstaben, vom Verständnis her kann man den Text schon so nehmen, wie er jetzt ist.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo Fabian,


    ich komme nochmal auf deine Frage nach dem Manna zurück.
    Gefunden habe ich im Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (hier der link ):


    Das Manna-Gras, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gräser, diejenigen Grasarten, deren eßbarer Same unter dem Nahmen des Manna bekannt ist, dahin die Bluthirse, Panicum sanguinale L. noch mehr aber der Mannaschwingel, das Schwadengras oder Äntengras, Festuca fluitans L. gehören, von welchem in Pohlen, Preußen und der Mark der Same unter dem Nahmen des Manna oder Schwaden gesammelt wird, der, nachdem er gestampft worden, auch wohl Mannagrütze heißt.


    All die orientalischen Varianten sind wohl nicht sehr wahrscheinlich - aber das hier klingt ganz gut, finde ich. Grassamen wurden wohl schon damals in der Küche verwendet. Hirse gehört ja auch in diese Richtung. Wenn es dies dann wirklich ist - wo kriegt man das heute her, damit man mal nachbacken kann? Oder was wäre ein gleichwertiger Ersatz dafür?

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo,


    :danke: für die alten Rezepte,
    die Keilchen ?? in dem Kochbuch sind Brandteigklößchen. Meine Oma, sowie meine Mutter haben sie " auf " Obstsuppen und Kaltschalen gesetzt.
    Wahrscheinlich zum Sattwerden. Soweit ich mich erinnern kann, sahen sie wie Keulchen aus. Durch das Abstechen mit dem Teelöffel, der nicht aus Silber war, kam die
    Form wie Minihähnchenkeulen zustande.


    Viele Grüße
    Helga

  • ich habe kürzlich erst erfahren, dass sich unsere "Quarkkeulchen" in Wirklichkeit "Quarkkäulchen" schreiben: Das Wort kommt von der Kaule, wie wir es noch aus der Kaulquappe kennen. Es ist ein altdeutsches Wort für eine Kugel. Damit werden wohl auch die baltischen Keilchen inbegriffen sein, denn die sehen ja auch nicht aus wie ein Keil, sondern wie eine Kugel.


    Was das "Manna" nun letztendlich ist, werde ich wohl trotz all der Deutungsversuche nicht ergründen können. Genau wie die Maßeinheit Lu.


    Und die Rezepte sind zwar für meinen Geschmack reichhaltig und nicht gerade notdürftig, aber lecker ist mir diese Machart in den wenigsten Fällen. Das Nachkochen wird sich daher wohl sehr beschränken.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Liebe Freunde,
    auch ich bin (allerdings aus beruflichen Gründen, ich bin Museumskustos) Sammler von Kochbüchern. Das OÖ. Landesmuseum in Linz hat darüber sogar eine eigene HP eingerichtet. Möchte euch den Link nicht vorenthalten. http://www.alteskochbuch.at/
    Habe schon einiges daraus probiert, man kann ja die Anzahl der Eier bei Bedarf halbieren und etwas mit Butter oder Fett sparen. Tatsächlich sind alte handgeschriebene Kochbücher eine gute familiengeschichtliche und heimatkundliche Quelle.


    Liebe Grüße an alle Köchinnen und Köche


    Der Freistädter

  • Hallo Freistädter,


    :danke: für deinen interessanten link! Noch mehr zum ausprobieren in der Küche :thumbsup:

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo zusammen !


    Meine Eltern haben so etwas auch noch von meiner Ur-Großmutter väterlicherseits (*1893).
    Wir haben auch schon ein "Gericht" nachgekocht. Ein "Vanille-Dessert".
    Sehr ungewöhnlich, finde ich. Wo doch Zutaten wie Vanille - sowohl damals wie auch heute noch - sehr teuer waren.
    Aber seitdem kamen wir nicht mehr dazu, die Rezepte weiter zu entziffern und auch nachzukochen.
    Mal sehen, wann das wieder sein wird ?!

    Gruß
    Makanee
    ------------------------
    Familiennamen: Burghardt, Jouvenal, Grieshaber, Scheufele, Freitag, Mackeldey, Fischer, Asmus
    Gebiete: D (Ba-Wü, Sachsen, Sachsen-Anhalt), F, I, CH, USA, PL

  • Hallo miteinander,


    wie ich gesehen habe, ist der Begriff "Manna" noch immer nicht gelöst.


    Unter Manna versteht man im "Baltischen Sprachraum" eine Speise, die aus Gries zubereitet wird.


    Da gibt es das einfache Manna, das durch Kochen von Wasser mit diversen Zutaten hergestellt wird, dann aber auch das "Rosa-Manna" das durch Hinzufügen von rotem Johannisbeersaft entsteht. Dabei wird die Masse aufgeschlagen und der Saft hinzugefügt. Als ich das letzte Mal bei einer meiner Tanten war, hat sie das Rosa-Manna wie selbstverständlich hergestellt. Und das schmeckt sehr gut!


    Nachzulesen ist das Ganze auch im "Rigaschen Kochbuch" oder auch im Bielenstein´schen Baltischen Kochbuch".


    Genaues kann ich nur gerade nicht weiter erklären, da ich gerade nicht zu Hause bin. Das kann ich aber nachholen. Dann kann ich auch die genauen Quellen angeben!


    Viele Grüße Frank

  • Ich danke Dir vielmals!!
    Der Begriff "Manna" war mir bislang wirklich unverständlich, und nur dank Deiner Antwort weiß ich, in welcher Richtung ich mich weiter informieren kann.
    :danke: :danke: :danke:


    Was Du als "Rosa Manna" beschreibst, kenne ich als Ella-Pupp-Speise: Denn meine Uroma bereitete als Kind diese Speise ihrer Puppe Ella. Das hat sich bis heute tradiert als Erzählung.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo alle miteinander, besonders Fabian,


    ich habe über das Wochenende noch einmal Zeit gehabt, etwas in Unterlagen zu wälzen und auch mit meiner Tante zu sprechen. Sie ist inzwischen auch schon 87, aber ist noch immer für mich wie eine wandelnde Lexikothek. Das war auch sehr fruchtbar und wird auch einträglich sein. Ich kann aber erst darauf zurückkommen, wenn ich sie mal wieder besuche!


    Zum Rosa-Manna gibt es noch mal folgendes, was sie mir auch als ungefähres Rezept gab (so wie sie es immer macht): Man nehme ... ohne genaue Maßangaben ... Wasser (mal so 1/2l) und koche es auf, dann legt man Griesbrei (am besten Hartweizengries) und Zucker (je nach Geschmacksvorstellung und Zuckerverlangen) hinein und kocht das Ganze unter Umrühren auf, bis der Grieß gar ist. Danach wird der Topf mit dem Inhalt zum Abkühlen weggestellt. Wenn alles abgekühlt ist, wird die Masse (So wie ich es auch gesehen habe!) mit dem Schaumbesen schaumig geschlagen (heute mit Küchenmaschine oder Handrührgerät. Baim Aufschlagen gibt man dann roten Johannisbeersaft dazu uns schlägt es schön schaumig. Zum Portionieren in Schüsseln geben. Man kann dann entweder Milch, Johannisbeersaft, oder Sahne dazugießen. Wir haben es immer so gemacht, daß in der Schüssel in die Mitte vom "Brei" Der Saft oder die Milch hineingegossen wird, damit dann das Ganze "schwimmt".


    In Barbara Bielensteins "Baltisches Kochüchlein", Neuthor Verlag Michelstadt 1983, ISBN 3-88758-012-5, Nr. 16. wird das Ganze als "Himmelspeise" beschrieben:


    1 Liter Fruchtsaft + Zucker + Wasser aufkochen (am besten roten Saft), 50g Manna (=Weizengrieß) = 3 Esslöffel unter Rühren in die Flüssigkeit schütten, besser 70g Grieß, kochen, bis der Grieß gar ist.


    Die heiße Masse in eine große Schüssel gießen, abkühlen lassen, aber öfters umrühren, damit sich keine Haut bildet. Die Speise wird dann schaumig geschlagen, per Hand oder Maschine, bis sie hellrosa und ganz steif geworden ist. Dazu Vanillesauce.


    Soweit das Zitat dazu. Was mir auch immer schon Kopfzerbrechen gemacht hat, sind die Maße und Gewichte. Dazu habe ich in einem alten Kalender von 1936, den ich mal wo kopiert bekam, verschiedenes herausgeschrieben:


    1 Stof = 1,23 Liter = 1/10 Wedro - 1 Liter = 0,8131 Stof (also als Flüssigkeitsmaß, Stof wird hierbei als "Rigasches Stof bezeichent. Die Maße die in Riga galten, werden auch für die anderen Teile des Baltikums gegolten haben, da das Gebiet schließlich zum Russischen Zarenreich gehörte).


    1 Pfund = 32 Lot = 409,51g - 1 Kg = 0,06 Pud = 2,44 Pfund


    1 Quartier - das soll 1/4 von der Menge entweder von einem Stof oder einem Pfund sein (Ein Quartier oder Quart also 1/4 !).


    Jetzt werden die Mengenangaben in den schon vorher genannten Rezepten auch etwas klarer, da viele Mengenangaben als sehr gewaltig erschienen.


    Zu weiteren Dingen kann ich ja auf Fragen hin vielleicht auch noch etwas beitragen ... Gestern telefonierte ich auch noch mit meiner Tante, die dann meinte, sie hätte auch noch ein altes handgeschriebenes (in Sütterlin!!) Kochbuch, das sie mir überlassen will, da bei ihr sonst alles weggeschmissen würde, wenn sie "abnibbelt". Da bin ich auch gespannt, was da noch für Kostbarkeiten herauskommen!


    Herzliche Grüße


    Frank

  • Hallo miteinander ...


    da ich gerade bei der Arbeit wenig zu tun habe, habe ich gegrübelt und in den Rezepten gelesen, die ich dankenswerter Weise heruntergeladen habe.


    Dabei habe ich vielleicht auch eine Erleuchtung gehabt, wo der Groschen pfennigweise ...


    Ich vermute, daß wir es hier mit der Russischen Maßeinheit "Liespfund" zu tun haben, wobei Lu die Abkürzung dafür sein könnte (errare humanum est!). Das habe ich auch aus dem im vorigen Artikel genannten Kalender nachgelesen. Dort ist die Rechnung drin:


    1 Liespfund = 20 Pfund = 8,19 Kg.


    Ich stelle das mal als Vermutung in den Raum. Möglich wäre es allemal, besonders, wenn man an die Verrechnungsmengen denkt, die beim "Fleisch zu salzen und zu räuchern" genannt sind. Da müßte man mal bei "modernen" Räucherrezepten nachsehen, ob diese Vergleichswerte zutreffen.


    Viele Grüße Frank

  • Danke Frank!


    Da hast Du ja für die größten Verständnisprobleme schonmal Ansätze gefunden, die ich als "wahrscheinlich" in den Erläuterungstext mit aufnehmen kann. :danke:

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Hallo Fabian,


    nachdem ich jetzt auch ein altes Kochbuch aus dem Jahr 1865 durchgearbeitet habe, auch einige Entzifferungsproblene gehabt. Es sind viele Wörter - von der heutigen Sicht aus - sehr zwei-bis dreideutig geschrieben, so dass es immer auf die Klarheit der Handschrift ankommt. In dem handgeschriebenen Kochbuch habe ich etwa 300 Rezepte gefunden, die vergleichbar mit denen von Fabian sind, besonders wenn man an die Mengen der Eier, des Fettes oder anderer Zutaten denkt.


    Murmal? Ich bin der Auffassung, dass es sich hier um Cannehl, Cannel, Kannehl, Kanehl (je nach Schreibweise des Schreibers) handeln kann. Und was ist nun Cannehl? Das ist Zimt. Wenn das so ist, dann ist wohl ein weiteres Rätsel gelöst.


    Es grüßt Frank