Aus einem Inventarverzeichnis

  • Hallo zusammen,


    in einem Verzeichnis des Inventars eines Hauses von 1827, Potsdam, findet sich bei den Küchengeräten u.a.


    Nr. 44) Sechs Stück englisch zinnerne Löffel
    ------------------> Was ist das für ein besonderes Zinn? Bei Wikipedia habe ich Britanniametall gefunden. Ist dies das gesuchte ???


    Nr. 52) Eine geeigte Metze
    Nr. 53) Eine geeigte viertel Metze
    -----------------> Was mag dieses "geeigte" sein (absolut einwandfrei lesbar), könnte es geeicht bedeuten? Hat man denn damals schon "geeicht"? Das "Metze" ein Hohlmaß ist weiß ich (in Preußen = 3,435 l)


    Nr. 88) Zwey blecherne Maaße à 1, @ ½ q
    ----------------> das Zeichen zwischen 1 und ½ sieht wirklich wie das at-Zeichen aus - habe ich in altem Text noch nie gesehen - könnte das eine Abkürzung für "und" sein? Das q am Ende ist nicht ganz eindeutig zu lesen, genau am Innenbund des Buches. Könnte es eine Abkürzung für "Quart" sein? Quart ist ebenfalls ein Hohlmaß, in Preußen = 1/3 Metze = 1,145 l.


    Wer kann hier helfen?

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Nr. 44) Sechs Stück englisch zinnerne Löffel
    ------------------> Was ist das für ein besonderes Zinn? Bei Wikipedia habe ich Britanniametall gefunden. Ist dies das gesuchte ???


    Frei nach Radio Eriwan: im Prinzip schon.
    Englisches Zinn ist einerseits schon bleifreies Zinn wie im wikipedia_Artikel beschrieben, andererseits ist der Name "Englisches Zinn" vermutlich eine Verballhornung von Engelszinn. Engelszinn daher, da sozusagen als "Qualitätsmerkmal" eine Justizia (die aussah wie ein Engel) in das Zinnbesteck hineingepunzt wurde.
    Da aber damals das meiste Zinn ohnehin aus England kam, wird wieder ein Schuh draus.


    Rossi

  • Hallo,


    das ist wohl richtig was du schreibst, Rossi. Mir fiel eben ein, das die Legierung Ni/Zn/Cu in Deutschland "Neusilber" heißt, im englischen als "german silver" bezeichnet wird. Das ist genau die gleiche Situation, die Legierung wird nach dem Land der wichtigsten Herkunft benannt. Auf die Möglichkeit des Zusammenhangs mit dem Engelsstempel auf "gutem" Zinn wäre ich nie gekommen. Leuchtet aber vollkommen ein! :danke:


    Dank für den interessanten link, Helga, habe ich gleich mal angesehen und gespeichert. Für mich vielleicht nur eingeschränkt nutzbar, weil die Definitionen sich anscheinend nur auf Süddeutschland beziehen - und das ist für mich "genealogisches Ausland" :D . Aber die grundlegenden Erläuterungen sind natürlich auch für Preußen gültig.


    Das mit der Eichung ist aber die Hauptfrage: hat man damals geeicht?
    Bekannt sind Vergleichsmaße an vielen alten Rathäusern, die die lokal geltenden Längenmaße (Elle, Fuß, Schuh, ...) definierten und nach denen sich die auswärtigen Händler richten mussten. Vermutlich gab es für Gewichte und Hohlmaße vergleichbares, um die Einwohner vor fremden (und womöglich zu kleinen) Maßen zu schützen. Hier handelt es sich aber um "privates" Inventar.
    Möglicherweise helfen ein paar Hintergrundinformationen zu der Inventarliste:


    König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ließ 1826/27 in Potsdam die "russische Kolonie Alexandrowka" für die letzten 12 Sänger eines Soldatenchores errichten. 1827 zogen die neuen Bewohner in die vollständig möblierten Anwesen ein. Sogar die Gärten waren angelegt und jeder Haushalt bekam eine Kuh geschenkt. (Die Grundstücke durften von den Kolonisten aber weder verkauft, verpachtet noch verpfändet, jedoch an männliche Nachkommen vererbt werden).
    Dazu wurde eine Übergabeverhandlung durchgeführt, dabei wurden alle Elemente des Haushalts genau protokolliert (Am Rande bemerkt: die Unteroffiziere von den 12 haben selbst unterschrieben, die einfachen Soldaten haben drei Kreuze gemacht und jemand hat den Namen dazu geschrieben). Aus diesem Verhandlungsprotokoll habe ich oben zitiert.
    Bleibt die Frage: haben diese ziemlich armen Leute geeichte Maße bekommen? Ich zweifle, aber was soll dieses "geeigte" Metze denn sonst bedeuten?

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Nr. 88) Zwey blecherne Maaße à 1, @ ½ q
    ----------------> das Zeichen zwischen 1 und ½ sieht wirklich wie das at-Zeichen aus - habe ich in altem Text noch nie gesehen - könnte das eine Abkürzung für "und" sein?
    Wer kann hier helfen?


    Hallo Jörg,
    wegen dem Zeichen schau dir mal das an: http://de.wikipedia.org/wiki/Pfund
    die Idee mit der alten Abkürzung für lb= Pfund hatte ich gleich, aber natürlich ist das kein Hohlmaß.
    Andererseits, wenn daß Maß nur für ein bestimmtes Produkt gedacht war, z.B. nur Mehl oder nur Weizen, dann könnte es wieder passen.
    Auch heute gibt es ja noch diese Meßbecher für den Küchengebrauch, womit man über das Volumen z.B. Mehl oder Zucker abmessen kann.


    An das lb-Zeichen erinnere ich mich noch selbst von alten Einkaufszetteln, die meine Oma und auch meine Mutter geschrieben haben. (das ist jetzt ein bißchen OT)
    lg
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • PS

    H
    Das mit der Eichung ist aber die Hauptfrage: hat man damals geeicht?
    ?


    Wenn du so allgemein fragst: definitiv ja. Guck nochmal bei Krünitz. Für die Maße mag er ja nicht genügen, aber die Tatsache daß "man eichte" war sicher nicht auf den süddeutschen Raum beschränkt.


    Und ich denke, man konnte auch für private Zwecke geeichte Meßbecher kaufen, so wie heute. Das 19. Jahrhundert war schließlich nicht die Steinzeit.
    Wo du einen aussagefähigen Beweis für die Verhältnisse in Preußen finden kannst, weiß ich leider nicht
    lg
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Danke Gisela


    für den Hinweis auf das Pfund-Zeichen. Ich kenne es aus meiner Kindheit.


    Das fragliche Zeichen hat damit keine Ähnlichkeit, es ist wirklich ein @.
    Im Moment komme ich nicht an das "Original" heran, kann es also nicht scannen und einstellen. Falls sich hier nichts weiter ergeben sollte, dann kann ich das in 5 / 6 Wochen mal einstellen.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo Jörg,


    ich weiß nicht ob ich dir wirklich helfen kann, da ich nicht weiß was mit "Zwey blecherne Maaße" gemeint ist. Aber ich habe da eine Vermutung zu dem "@" :D Ich weiß ja nicht ob ich da richtig liege, aber mal davon ausgegangen, dass "@" ja "et" ausgesprochen wird und "et" lateinisch für "und" ist könnte es ja heißen 1 und 1/2 also anderthalb, weiß nicht ob das jetzt völlgier schwachsinn ist, aber wollt mal meine Vermutung äußern...

  • Hallo Gisela,


    nein, nein, das war damals nicht die Steinzeit - das ist mir schon klar. Organisiert war man schon, aber so überorganisiert wie wir heute war man sicher nicht :D
    Dein erneuter Hinweis auf den Krünitz hat für mich das Problem gelöst: ein längerer Abschnitt zum "Aichen". Demnach ja, man hat offenbar schon sehr früh ein Eichwesen gehabt, die Messmittel wurden also kalibriert. Das ist deutlich mehr als ich dachte. Nachdem Preußen ja zumindest im allgemeinen Vorurteil besonders pingelig war, musste das vom Staat gestellte Inventar auch hier allen Anforderungen entsprechen.


    Hallo Kai und merle,


    Dank für eure Erläuterungen und vor allem zum Hinweis auf den Wikipedia-Artikel. Hätte ich nicht erwartet, das es dazu was gibt [Jörg, du solltest langsam mal begreifen, dass es für alles was bei Wikipedia oder google gibt! :D ] - aber das ist richtig super. Damit dürfte auch diese Frage geklärt sein.
    Kai: diese "blechernen Maaße" würde man heute als Messbecher bezeichnen, die auch heute in jeder Küche verwendet werden.


    :danke: :danke: :danke: allen für die gemeinsame Lösung meiner "Probleme"


    Die letzte Frage nach dem nicht sicher gelesenen "q" bei den "Maaßen" wird wohl offen bleiben müssen bis ich einen scan davon einstellen kann.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo Jörg,


    wieder was dazu gelernt, ich hätte da ein Backblech vermutet =) wegen der Maßeinheit, schau mal ->hier (wieder Wiki ^^ )
    Da steht:


    Stof, Quart: 1,145 l (Preußen) 0,267 l (Bayern)


    Quart ist also auf alle Fälle ein Hohlmaß und in Preußen wie man sieht geläufig, siehe dazu auch ->hier nochmal eine Definition von Quart. Bleibt nur noch die frage ob man Quart mit einem kleinen q abkürzte :zuck: