Gedanken zu Landratsämtern und Gutsinspektoren

  • Hallo Forum,


    Ich will jetzt mal ein bischen aus dem Nähkästchen plaudern. Zum Nikolaustag habe ich ja wie berichtet die Heiratsurkunde eines Ur...Onkels von mir aus Ratibor erhalten.
    Das die Braut den FN Faul trägt wusste ich schon, hab mehrere von denen in meiner Verwandschaft.
    Ich weiß aber relativ wenig über die, nur einige Fragmente und ein par mündliche Überlieferungen.


    Was ich mündlich überliefert bekommen habe: Der Bruder meiner Ur...Großmutter (geborene Faul) soll "Gutsinspektor" in Posen gewesen sein.
    Ein anderer Bruder soll "Schreiber am Landratsamt" gewesen sein.


    Von dem Sohn dieser besagten Ur...Großmutter habe ich nun die Heiratsurkunde erhalten. Stellte sich die Frage, ob diese FAUL die er da geheiratet war mit ihrer Schwiegermutter auch Blutsverwand war.


    Was mich erstmal interessiert hatte war ein Trauzeuge: Ein FAUL aus Trembatschau im Kreis Polnisch Wartenberg, Beruf "Wirtschafts-Inspektor"!
    Der Vater der Braut, wohnhaft in Ratibor, wird mit dem Beruf "Kreis-Ausschuss-Sekretair" genannt.


    Tja, und was macht man wenn man seine Ahnen nicht alle im Kopf hat? Man sucht erstmal wild im Internet und fragt das ahnungslose Forum aus. Und dann blättert man in seinen Ahnenreihen mal zurück und findet diese Namenlosen Onkels die nur mit "Sohn1" und "Sohn2" bezeichnet wurden. (macht ihr das auch so??) Und dann fällt einem spät in der Nacht auf, "Mensch, der eine war ja Gutsinspektor, zwar angeblich in Posen, aber polnisch Wartenberg liegt ziemlich nah an der Provinzgrenze!!!!!".
    Und der "Sohn2", hmmm... der soll ja Schreiber am Landratsamt gewesen sein.
    Perfekt: Schon hat man ein neues Thema für das Forum und man fragt so komisch unpräzise Fragen zu Landratsämtern in Schlesien, um 2 Uhr Nachts, noch eben grade! :sleeping:
    Und dann liegt man im Bett und fragt sich:


    Bescheuert oder was?!?! 8|


    Um es auf den Punkt zu bringen:
    Wenn jemand in den Familienerzählungen 100 jahre später als "Schreiber am Landratsamt" bezeichnet wird, für wie wahrscheinlich würdet ihr es halten wenn er dann in amtlichen Akten als "Kreis-Ausschuss-Sekretair" geführt wird?
    Und wenn jemand "Gutsinspektor in Posen" genannt wurde, wäre es nicht möglich das er in wirklichkeit der "Wirtschaftsinspektor" in Trembatschau an der äußersten Grenze Schlesiens zu Posen war?!?!!!


    Geht euch das auch manchmal so, das die offensichtlichsten Dinge im Wust der ganzen Daten und Erzählungen untergehen und man erst drauf kommt wenn man den ganzen Kram mal zur Seite legt?
    Und sagt mal ernsthaft, haltet ihr es für wahrscheinlich dass das die gleichen personen sind?
    (Ihr habt das auch richtig gelesen, die Braut ist dann die Cousine des Bräutigam und der Onkel von beiden ist der Trauzeuge!)


    Gibts bei euch auch so massiven Ahnenschwund? (Eine Generation später heiratet dieser Stamm nochmal eine Faul!!)


    Grüße


    Salich

  • Hallo Salich,


    solche "Geistesblitze" in der Nacht, kenne ich auch seeeehr gut =) .


    Zum Thema, wie wird aus einem Wirtschaftsinspektor ein Gutsinspektor. Wie "stille Post" funktioniert, wissen wir wohl alle seit unserer Kinderzeit. Man braucht nicht einmal etliche Generationen oder oberflächliche Verwandte dazu, bestenfalls reichen sogar zwei Personen aus. Den Fakt selber kann ich bei Dir natürlich nicht beurteilen. Aber ich habe soetwas schon ganz bewusst in meiner eigenen Familie getestet, weil ich ja als Moderatorin des Adelsforums sehr oft mit "in meiner Familie wird erzählt" konfrontiert werde. Ich habe also zwei Personen aus der engen Verwandtschaft, einem Ethnologen und einer Historikerin (damit die Sache nicht zu einfach ist), unabhängig voneinander jeweils eine Geschichte erzählt. Bei der einen Geschichte ging es um eine Person, deren Herkunft unbekannt ist, bei der anderen um eine Institution, deren "Bewohner" unklar sind. Ich habe beide gebeten, die restliche Verandtschaft danach zu befragen. Dann habe ich abgewartet. Und richtig, die Geschichten kamen über dritte aus der Familie wieder zurück. Nun war die Person Bewohnerin der Institution. Niemand hatte einen Beweis aber alle waren zutiefst davon überzeugt :D .


    Eine Cousine als Braut ist nicht sehr ungewöhnlich, ein Onkel als Trauzeuge erst recht nicht. Und das Thema Ahnenschwund - davon kann ich wahrlich auch ein Lied singen. Bei mir ist es schier unüberschaubar. Ich habe Vorfahren, die sind in unzähligen Linien meine Vorfahren. Bei Adels und in ländlichen Gegenden, wenn die Vorfahren einigermaßen sesshaft waren, ergibt er sich fast wie von alleine und zwar massiv.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Hallo Hina,


    danke für die Antwort.
    Bis jetzt fehlt mir noch jeglicher Beleg für einen Zusammenhang, aber die "Indizien" sind doch so auffällig, das ich bis auf weiteres erstmal davon ausgehe dass das tatsächlich meine Unbekannten sind.
    Nur im PC verschmelzen werd ich die Personen dann doch noch nicht, dafür brauch ich erst noch mehr! :thumbup:


    Grüße,


    Salich

  • Ich habe einen Traugott Faul, *1837, +1921, Gutsinspektor/Verwalter.
    Wenn das Dein "Faul" ist würde ich mich sehr freuen, wenn Du weiterführendes zu diesem "Faul" hier einstellst.
    Gruß
    R. O.

  • Hallo R.O.


    Ich weiß nicht wie viele Traugott Fauls es zu dem fraglichen Zeitpunkt gab, aber es sieht gut aus! :)


    Hier genau das was ich aus der Heiratsurkunde habe (der Faul war der Trauzeuge):
    Wirtschafts-Inspektor Traugott Faul, 49Jahre alt, wohnhaft in Trembatschau Kreis Polnisch Wartenberg


    Da die Hochzeit 1886 statt fand, passt das Alter genau zu dem von dir angegebenen Geburtsjahr.
    Darf ich fragen woher du die Daten zu Traugoot hast und welche Verbindung du mit ihm hast?


    Grüße


    Salich

  • Meine Forschungen betreffen u. a. Trembatschau. Ich bin aber kein Ahnenforscher.
    Hier haben wir ein Bewohnerverzeichniss erarbeitet. Der Gutsbezirk mit mehreren 100 Bewohnern ist ein sehr schwieriger Teil.
    Vom Traugott habe ich ein Bild, eine Unterschrift und die Verbindung zur Familie Drabner (Herr Drabner war ev. Lehrer in Trembatschau). Die Schwiegermutter von Herrn Drabner war mit Traugott verheiratet. Beide waren verwitwet in die Ehe gegangen.
    Gruß R. O.

  • Wieder ein Steinchen mehr im Mosaik! :)


    Also der Herr Traugott Faul ist mit ziemlicher Sicherheit ein Urgroßonkel in der 3. Generation von mir, also jedenfalls ein Vorfahre! :)
    Die Dame die auf der von mir genannten Heiratsurkunde vermählt wird ist anscheinend seine Nichte.
    Was ich nur vermuten kann, ist dass der Geburtsort des Traugott Faul wahrscheinlich Peterwitz im Kreis Strehlen, Niederschlesien ist. Mehr weiß ich aber auch nicht.


    Hast du etwas mit dieser Seite zu tun: http://www.gross-wartenberg.de/wikigw/index.php/Trembatschau


    Ich würde mich sehr freuen wenn du bereit wärst deine Materialien über Traugott Faul mit mir zu teilen. Ich weiß zwar nicht ob ich hier Infos haben die für dich von interesse seien könnten, wenn dem so ist würde ich dir die natürlich auch zur Verfügung stellen.


    Jetzt fällt mir auch wieder ein woher ich den Namen Drabner kenne!! In der phpgedview Datenbank ist ein Dr. Drabner als Quelle für die Infos zu dem Traugott Faul aufgeführt. Hat dieser Herr evtl noch weiterführende Informationen?


    Grüße


    Salich

  • Aus dem damaligen eMailkontakt habe ich noch folgende Passage gefunden:
    [font=&quot]Nun noch eine Information zu dem Gutsinspektor Faul. Dabei handelt es sich um Traugott Faul (1837 – 1921), den Stiefvater meiner Großmutter Hedwig Drabner, geborene Rackwitz. Ihre Mutter, eine verwitwete Hotelbesitzergattin hatte in 2. Ehe Traugott Faul, ebenfalls Witwer, geheiratet und als Schließerin auf dem Bironschen Gut in Trembatschau gearbeitet. Sie starb 1892 in Trembatschau als Frau Faul, 1 Jahr bevor Ihre Tochter Hedwig, geb. Rackwitz den Lehrer Wilhelm Drabner heiratete.[/font]

    Ich hoffe es passt und hilft.
    Gruß Reinhard