Wappen ?? Johann Rudolph 1326 ??

  • Ich suche für einen netten Nachbarn (der mich darum gebeten hat)


    Gibt es ein bürgerliches Wappen für einen JOHANN RUDOLPH aus ANDELSHOVEN (Andelshofen) 1326 ??


    Angeblich gab es in seiner Familie ein Wappen welches er folgendermaßen beschreibt:


    Es seien seitlich zwei Luren und zwei Lilien zu sehen sein. Desgleichen auch eine menschliche Figur, an der Kopfseite. Von einem Helm wusste er nichts.


    Danke, und Grüße von Seerose :)

  • Hallo Seerose,


    ich glaube, hier haben wir es mit einem ganz besonders interessanten Exemplar eines Wappenschwindels zu tun, obwohl wir das Wappen ja nicht bildlich sehen.
    Es gibt bei der Beschreibung etliche eindeutige Anhaltspunkte, die das ganze ad absurdum führen.
    Es war im 14. Jh. alles andere als üblich, dass bürgerliche Familien ein Wappen führten. Wozu auch? Bürger waren nicht unter Waffen. Vorbehalten waren die Wappenschilde den Rittern, die sich in dieser Zeit noch kräftig durch die mittelalterlichen Lande schlugen. Der Brauch, dass auch - und zwar erstmal äußerst selten - auch bürgerliche Familien und das auch nur, wenn sie eine gewisse Bedeutung hatten, Wappen führten, setzte erst ca. 200 Jahre später ganz dezent ein.
    In Süddeutschland ein Wappen mit Luren und das zu der Zeit? Luren waren Bronzezeitliche Kriegshörner (Blasinstrumente) und waren in Skandinavien, allenfalls noch bis nach Norddeutschland bekannt.
    Im 14. Jh. gab es noch keine Familiennamen, wie wir sie heute kennen, also kann der Name dieser Familie nicht bis ins 14. Jh. zurückgeführt werden.
    Zudem sind Wappendarstellungen aus dem 14. Jh. insgesamt äußerst selten und oftmals gar nicht zuordenbar.
    Wenn so ein altes Wappen dann doch mal überlebt hat, dann garantiert in einer uralten Kirche oder im Archiv. Aber spätestens da wäre auch entweder klar oder nicht klar, dass es sich tatsächlich um die noch heute existierende Familie handelt, denn dann müßte ebenfalls die Familienchronik überlebt haben, denn Kirchenbücher, die man bis ins 14. Jh. verfolgen könnte, gibt es nicht.
    Es gab genau zu dieser Zeit in Andelshoven tatsächlich einen Rudoph, der urkundlich belegt ist. Es war der Ritter Rudolph zu Andelshofen. Allerdigns war es, wie üblich, sein Vorname, der Rest weist einfach nur auf seine Herkunft hin. Wie gesagt, Familiennamen gab es ja noch nicht. Leider ist sein Wappen nicht überliefert und da kommen wir dann zum letzten Punkt.
    Ritter Rudolphs Wappen kennen wir nicht aber das einer adeligen Familie von Rudolphs, ein sehr ähnliches von einer adeligen Familie von Rudolf und da werden wir dann wohl doch - mit leichten Abwandlungen, wie üblich bei Fälschungen - fündig. Das Problem, dass Helm und Hemzier nicht überliefert sind, haben wir leider allzuoft bei Fälschungen, die aus dem "Rietstap" abgekupfert wurden. Der gute Herr hat nämlich einfach die Helmzier der Wappen nicht mitbeschrieben, obwohl sie durchaus bekannt waren. Das hat so manchen Fälscher in Verlegenheit gebracht aber egal, der Unkundige, der sich ein gefälschtes Wappen andrehen lässt, weiß im allgemeinen ja auch nicht, dass Familienwappen immer Vollwappen mit Helm und Kleinod sind.


    Liebe Seerose, die Ausführungen werden sicher Deinen Nachbarn nicht unbedingt erfreuen. Tut mir ja leid aber das ist wirklich ordentlicher Käse und Dein Nachbar kann ja nichts dafür.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Vielen herzlichen Dank Hina :!:


    So ähnlich habe ich mir das bereits gedacht und auch schon vorsichtig angedeutet. Deine wunderbaren Erläuterungen werden ihm sicher endgültig klarmachen, dass er dieses "Käsewappen" wirklich nicht weiter suchen muss.


    Du hast Dir viel Zeit genommen mit Deinen Erklärungen! Dafür möchte ich herzlich danken :)


    Tja....der Nachbar wird allerdings wirklich nicht sehr erfreut sein. :D


    Danke nochmals...und Grüße von Seerose :) :) :)

  • Zur Entstehungszeit der Wappenfälschung könnten die Luren beitragen: Da diese alten germanischen Musikinstrumente im Mittelalter gar nicht mehr bekannt waren, könnten sie frühestens mit der beginnenden Archäologie ab um 1800 einem engen Kreis bekannt geworden sein. Richtigen Aufschwung bekam dann alles Germanische im Vorfeld des Nationalsozialismus, also durchaus schon seit den 20er Jahren.
    Eine Datierung ins 14. Jahrhundert wäre ein absoluter Anachronismus.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • .....übrigens, ein interessantes Gebiet der Wappenschwindel :!: Ist ja auch nur möglich, weil die Nachfrage so gewaltig ist.


    Mein Nachbar hat es mit Humor genommen und ist endlich befreit von dem Gedanken, dieses "Wappen" wiederfinden zu müssen :D


    Seerose =)

  • .....übrigens, ein interessantes Gebiet der Wappenschwindel :!: Ist ja auch nur möglich, weil die Nachfrage so gewaltig ist.


    Das ist wohl wahr. Vor allem ist es interessant, mit welchen primitiven Mitteln die Wappenschwindler arbeiten und vor allem auch überall durchkommen, natürlich zum Leidwesen der seriösen Heraldiker. Wappenschwindel ist im Grunde sehr einfach, denn sowas lassen sich natürlich nur Unkundige, die das nicht einschätzen können, andrehen. Man nehme Rietsaps Amorial General oder den Siebmacher, suche einen ähnlichen Namen, kupfere das Wappen im Schnellverfahren ab. Da beim Rietsap keine Helmzier beschrieben ist, setzt man eben irgendwas rauf, was einem gerade einfällt, ob es passt oder nicht. Ein paar kleine Änderungen im Schild noch - sehr beliebt sind da grobe Verstöße gegen die Farbregeln und schon ist das "Familienwappen" der Familie xy fertig. Schau Dich mal im Netz um, wieviele "Familienwappen" schon alleine dadurch auffallen, weil im geteilten Schild Farbe an oder auf Farbe steht oder Glold an Silber oder Braun oder andere Mischfarben verwendet werden. Interessant ist auch, dass bei den Schwindelwappen fast immer die Überschrift "Wappen der Familie XY anno klax" steht und ein Verweis auf Armorial General oder den Siebmacher. Auf solch eine Idee würde ein seriöser Heraldiker gar nicht erst kommen. Sowas gehört da überhaupt nicht hin, denn diese Bände sind keine Wappenrolle, sondern reine Wappensammlungen. Erstaunlich ist auch, dass zwar diese Wappen angeblich alle Zeiten überlebt haben aber die dazugehörigen Genealogie, die auf das angegebene Datum verweist, leider nie.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Heraldik ist wirklich ein interessantes Gebiet, aber auch eine ernstzunehmende Wissenschaft....und eine schwierige dazu!


    So einfach, aus dem Handgelenk, ist hier fehlendes Wissen nicht zu erlernen. Was mich an der Vorstellung meines Nachbarn allerings am meisten verwundert hat, ist Folgendes: Ich hatte den Eindruck, dass er an Hand dieses ominösen Wappens, seinen eigenen Stammbaum finden wollte! Tja.....solche Vorstellungen gibt es anscheinend.


    Ist es da verwunderlich wenn Betrüger und Abzocker so leichtes Spiel haben?


    Nun weiß ich nicht, ob man da lachen oder weinen soll ?(


    Zum Glück ist mein netter Nachbar jetzt "geheilt" :D


    Seerose :) :) :)

  • Ich hatte den Eindruck, dass er an Hand dieses ominösen Wappens, seinen eigenen Stammbaum finden wollte!


    Hallo Seerose,
    da scheint er absolut kein Einzelfall zu sein, schließlich weist ja das Wappen aus, dass es eine uralte Familie sei ;-). Und so unrecht hat er auch nicht, wenn es sich um "echte" Wappen handelt. In den Wappenrollen sind oft auch genealogische Daten der Familien eingetragen, natürlich nicht so ausführlich, wie wir das aus unseren ALs kennen.
    Ja, Heraldik ist sehr interessant und auch recht kompliziert und es gibt eben auch immer wieder Ausnahmen zur Regel. Zum "Glück" machen es aber viele Wappenfälschungen nicht gerade schwer, sie als solche zu identifizieren und die Fälschungen werden meiner Meinung nach auch immer primitiver. Dass auf dem angeblich verbrieften Wappen die Helmzier oder sogar die Helmdecke fehlt oder die Helmdecke zu einem Halstüchelein mutiert, das am besten noch dreifarbig (eine Decke hat bekanntlich eine Ober- und Unterseite und ist kein Zelt) oder die "Echtheit" des Wappens vom Steinadler-Verlag verbrieft wurde, abgesehen von grausigen Farbregelverletzungen z.B. ein braunes oder orangenes Wappen o.ä. wird immer "normaler". Das kann dann ein einigermaßen eingelesener Laie auch schon bald erkennen. Aber wenn man auf ein Wappen, wie dieses stößt, dann wirds kompliziert. Wenn da nicht dieses typische Gefasel und der Name Max v. Asten drunter stehen würde, mir würde an der Darstellung des Wappens nicht so sonderlich was aufstoßen, wobei ich mich allerdings fragen würde, wo plötzlich das Blau in der Helmdedecke herkommt oder welche Farbe der Turm eigentlich hat. Aber ich weiß, dass Max v. Asten (der hieß natürlich nicht wirklich so) ein berühmter Wappenfläscher war. Tja, die Jungs damals hatten wenigstens noch eine Gangsterehre und verwiesen nicht immer auf den Siebmacher oder den Rietstap und gaben sich noch einigermaßen Mühe beim zeichnen ;-).
    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Hallo Hina


    Ich glaube du hast es geschafft mich unheimlich neugierig zu machen. Allerdings habe ich schon so reichliche Interessen, dass dort nicht mehr viel Zeit übrig bleibt. Deine Ausführungen sind aber wirklich sehr "anregend". Bisher habe ich mich mit Heraldik eigentlich kaum befasst (nur so am Rande) da ich bei meinen Forschungen auch mehrmals auf Wappen gestoßen bin. An solchen Punkten habe ich stets Aufklärungsarbeit betrieben! Hier wurde mir im Forum sehr viel Hilfestellung geboten. Ja ich habe es auch selbst erlebt, dass in der Blasonierung eines eingetragenen Wappens, gleich 3 Generationen beschrieben wurden.In diesem Falle waren mir die Namen bereits bekannt. Hier fand ich lediglich eine Bestätigung.


    Hochinteressant finde ich die Indentifizierung eines gefälschten Wappens, an Hand der "Fälscherhandschrift".


    Respekt......wem das gelingt!


    Danke für die ausführlichen und aufklärenden Beiträge


    von Seerose :) :) :)