Tagebuch Franz Nicolaus Kumpfe

  • Der Wachmeister wollte uns nicht mehr erlauben
    ohne Urlaub aus der Caserne zu gehen, und
    immer beim füttern anwesend zu sein. Wir
    wollten uns selbst an den Herrn Rittmeister
    wenden, welches er aber nicht gestattete, sondern
    meinte er wolle es ihm schon selber vorstellen.
    So blieb es aber auch beim Alten.
    Trompler hatte den Tagesdienst und weil er
    auch Mittags auf Schloßwache ziehen mußte,
    bat er mich nach dem Einrücken, den Remonte
    Pferden doch das Kleÿefutter zu geben. Aber
    Trompler war noch selbst im Stalle, als ich dies
    Futter aus gab, nun war jedoch mir unbewußt
    eines, gedachter Remonte Pferde, noch auf der
    Bahne, der Mann welchem ich das Futter gab
    schüttet es in die Krippe. Als das Pferd später
    herein kommt, bin ich gar nicht mehr imm Stalle,
    es frißt also das naße Futter, obgleich es
    sehr erhitzt war, der Oberleutnant von Heÿgendorf
    kommt dazu, und meldet es am andern Morgen
    meinem Rittmeister, welcher mich darauf 22 Stund.
    in Arrest bringen ließ, denn er betrach-
    tete es als Dienstvernachläßigung.
    Veruneinigte ich mich mit meiner There-
    se, denn ich war Sonntags vorüber gegangen

  • erst war sie am Fenster ich ging vorbei, traf
    eine Landsmännin mit welcher ich ein Weilchen
    sprach, als ich nun wieder zurük ging, stand sie
    in der Thüre, trat aber sogleich zurük, ich
    ging daher aus Ärger vorbei und geraden
    Weges nach Neudorf. Dort bei meiner
    üblen Laune trank ich etwas übern Durst
    und nicht lange hatte ich auch ein Mädchen
    am Halse, welches ich auch zu Hause begleitete
    und dabei aber bemerkte, daß es nur eine
    Vettel war. Zum Scherz bestellte ich sie
    zu Übermorgen auf die Promenade. Wer
    aber nicht hinkommt, bin ich selbst.
    Ich kam den andern Tag auf Wache
    wo mich meine Therese besuchte, sie meinte
    zwar sie habe erst nicht kommen wollen, weil
    ich mich so auffallend gegen sie benommen habe
    brachte mir aber einen schönen Blumenstrauß
    mit und wir waren wieder versöhnt. Jetzt
    konnte ich ihr unmöglich meine gestrige
    Bekanntschaft erzählen, und verschob es daher
    auf einen andern Tag. Noch einen Abend
    traf ich sie diese Woche, aber wieder kam
    mein Geheimnis nicht über die Lippen[.]
    Folgenden Sonntag Nachmittag lies

  • 1838


    mich ein Frauenzimmer herunter holen, ich wollte
    erst nicht gehen, denn ich dachte schon es würde
    meine Bekannte vom vorigen Sonntag sein, aber
    auf vieles Zureden meiner Stubengenossen ging
    ich endlich, ich hatte mich auch nicht getäuscht
    sie war es wirklich. Ich sollte nun mit ihr
    spazieren gehen, wogegen ich mich entschuldigte
    so gut es immer gehen wollte. Wir hatten
    nicht lange so gestanden, trat meine Therese he-
    rein, dies fehlte noch um mich aufs Äußerste
    zu bringen. Aber war ich nicht wirklich der
    strafbare Theil? Das ich die ganze vergangene
    Woche ihr nicht ein Wort von dieser Bekannt-
    schaft gesagt hatte. Sie ging an mir vorüber
    und sagte, wenn ich mit weggehen wollte, so sollte
    ich kommen, sonst würde sie bei Apothekers
    gehen, und ging die Treppe hinauf in meine
    Stube. Ich ließ also jene vorerst stehen wo
    sie stand, und folgte meiner Therese, sehr
    bald verständigten wir uns, und gingen dann
    miteinander nach Strehln, Geißlers, Triebe
    und Trompler warn auch mit, dort tanzte
    sie mit einem Zuckersieder, welchen sie kannte
    ohne mir etwas zu sagen. Kurz vorher hatte

  • Triebe mit einem andern Madchen getanzt, welches
    seine Geliebte sehr übel aufnahm, nun sagte
    ich zu Trieben, wir können es ja auch einmal
    übel nehmen, wir wollen doch zu Hause gehen
    die beiden Mädchen mögen hier bleiben. Als
    jedoch diese hörten daß wir so sprachen, kam
    Therese sogleich und bat mich ich sollte doch nicht
    böse sein, ich aber dachte sogleich daran ob sie
    nicht vielleicht hatte eine kleine Rache nehmen
    wollen, für meinen Besuch von diesem Mittag, und
    blieb deßhalb ganz kalt und gleichgültig. O,
    mein einziges geliebtes Wesen, du wustest
    nicht welche Glut unter jener scheinbaren
    äußeren Kälte verborgen war, ja , ich konn-
    te dir nicht böse sein, aber, es überrascht
    mich wenn ich auch zum Schein einmal böse
    sein will, dann ein nicht zu dämpfender
    Unmuth. Beide Mädchen nahmen ihre Tücher
    und eilten fort, da wir dieses sahen, nahmen
    wir uns noch Zeit und gingen später, aber
    nun als ich meine Therese eine Streke vor mir
    her gehen sah, nun erst faßte mich der finstere
    Geist, welcher mich hätte zum Wahnsinn preszen
    können, meine Gedanken verwirrten sich fast
    daß als wir sie endlich einholten ich keinen Sinn
    für sie hatte, ich sehe nur überall Falschheit
    und mich dadurch unglücklich, möchte ich mir in

  • 1838
    (Randbemerkung: Juni 18.)


    meinem Leben solche Augenblicke wieder er-
    Leben. Sie musste um 9 Uhr zu Hause sein, das
    wußte ich, und als wir an den Dohnaschen Schlag
    kamen, war es gleich um diese Zeit, wir sollten
    also grade fort und hinein gehen. Ich konnte aber
    nicht hinein gehen und forderte sie auf, mit mir
    um die Stadt herum zu kommen, wäre sie nicht
    mitgekommen, der finstere Geist wäre nicht von
    mir gewichen und wir hätten einander diesseits
    nicht mehr gesehen. ----- Da erheiterten sich
    aber allmehlig meine Sinne ich ward wieder
    froh und die Zufersicht geliebt zu sein, be-
    seelte mein Herz von neuem.
    Vorzüglich klagte sie in ihrem jetzigen Dienst
    wegen Geilheit ihres Herrn, welcher sie allent-
    halben verfolgt, und gegen welchen sie sich der
    gröbsten Ausdrücke und Grobheiten bedienen
    muß. Sie kann nicht einmal bei der Frau gegen
    denselben Hülfe suchen, denn dieser scheint es be-
    kannt zu sein, und macht es auch selbst nicht besser.
    Zum Jahrmarkte besuchte mich Niklaus Wau-
    rick und Mith, welche beiden von Wesenstein kamen
    wo Mith einen Bruder besucht hatte. Ich ging mit
    Beiden da und dort in der Stadt herum. Den anderen
    Morgen wollten beide fort, blieben noch bis zum
    Abende, wo sie dann die ganze Nacht über gehen

  • wollten.
    Es war an einem schönen warmen Sonntage als
    ich mit meinem Mädchen eine Landparthie nach
    Nethnitz. Wir gingen in der vierten Stunde hier
    fort, fuhren am Beÿer über die Elbe, dann gin-
    gen wir am Ziegelschlage vorüber um die Stadt bis
    auf die Dohnaer Straße, konnten dort aber keinen nach
    Recknitz führenden Weg finden und mußte bis nahe an
    Strehln und von da auf einem Fußwege Zschertnitz
    kamen von dort über Recknitze rst auf die Dippoldis-
    walder Straße und über Caitz nach Nöt[h]nitz, Ich
    hatte einen Landsmann Namens Kittel daselbst, welchen
    wir besuchten, und dann in dem dasigen Gasthause
    im Garten einige Zeit uns aufhielten. Auf dem
    Nach Hausewege begleitete uns Kittel bis Recknitz nitz
    Der Bruder meiner geliebten Therese, August,
    war mit ihr hier bei mir, er ging aber auch heute
    schon wieder nach Stolpen zurück.
    Der Schwadrons-Commandant Major von Schirnding
    war zum Obertsleutnant und k. Gnrl. Adjudant ernannt
    er sagte seiner Schwadron Lebewohl und gab uns den-
    selben Tag noch zehn Thaler zu einem kleinen
    Vergnügen, welches wir uns dann auch machten.
    Beim exerzieren der Rekruten, und Felddienst-
    übung veruneinigte ich mit Aunaß da er
    er über die Maßen grob ausfiel, meldete ich
    ihn an den Wachtmeister und stellte ihm auch das

  • (Randbemerkung: Juli 16.)


    Betragen dieses Aunaß in der Stube und gegen
    andre Kameraden, und deren Mißvergnügen dar-
    über vor. Dieser stellte mirs frei ob ich es weiter
    und an den Rittmeister wollte gemeldet haben, dieß
    ist aber nicht mein Wille.
    Zu dieser Zeit der Kaiser von Rußland, Nikolaus I.
    in Dresden an, wo er das Hotel de Sax bezog. Es
    wurde ein eine compinierte Schwadron gebildet, wo
    ich selbst dabei war, welche s den Kayser nach Pillnitz
    begleiten sollte. Ich rückte deßhalb mit dem Unter-
    wachmeister Schuricht und 2 Gardisten zum Quartier-
    machen aus. Bei Niederboiritz gingen wir aus
    einander, der Wachmeister nach Pillnitz und Hosterwitz,
    ich nach Oberboiritz woselbst ich gegen 7 Uhr eintraf
    die Quartire regulirte, Als der Wachmeister
    auch hierher kam, gingen wir nochmals beim Richter
    Fährmann, welcher ein sehr freundschaftlicher Mann
    war, er bewirthete uns trefflich, auf seinen Vor-
    schlag nahm ich mein Quartier Guthsbesitzer
    Müller, wo es mir auch sogleich gefiel. Nachmittag,
    2 Uhr kam jedoch eine Ordonanz von Dresden
    mit der Order, sogleich wieder einzurücken, weil
    das Commando nicht nachkomme, die Quartiere
    sollten aber aufbleiben, bis auf weitren Be-
    fehl. Wir marschierten demnach Nachmittag 4 Uhr
    wieder ab. Oberhalb Loschwitz bekamen wir
    jedoch aufs Neue Befehl, wieder zurück in die

  • 1838


    Quartiere zu gehen, das Commando komme sogleich nach
    Bei Nieder boiritz erwarteten wir dasselbe, wo wir
    bei dieser Gelegenheit einen furchtbarm Regen-
    guß aushalten mußten. Beim Auseinander-
    gehen des Detaschements wurde ich nun statt nach
    Boiritz nach Hosterwitz verlegt, woselbst mich ein
    recht schlechtes Quartier erwartete. Es war schon
    7 Uhr Abends als wir hier eintrafen, alle bis
    auf die Haut, wie gebadet. Den zweiten Tag
    kam Se. Majestät der Kaiser zwar nach Pillnitz
    ging aber auch diesen Abend noch dahi nach
    Dresden zurück. Den dritten Tag faßte ich in
    der Garnison Brod und Fourage fürs Comando.
    Denselben Tag Abend traf der Kaiser aber-
    mals in Pillnitz ein, es war offene Tafel
    dann Illumination, wobei allein im Garten
    11000. gläserne Lampen waren verwendet worden.
    Den vierten Tag rückte eine Bereitschaft aus, um
    den Kaiser nach Königstein zu begleiten,
    dieses änderte sich aber wieder, und der Kaiser
    Nachmittag 2 Uhr auf dem Dampfboot Köni-
    gin Maria nach Pirna und und von dort ins
    Töplitzer Bad. R den fünften Tag rückte das
    Commando wieder aus gastirte bei Pillnitz in der
    Maillen Bahn die Revue vor S. königl. Hoheit dem
    Prinz Albert und rückte um 10 Uhr wieder
    in Dresden ein.
    Montags war ich am Eisenbahnhofe, wo ich
    den ersten Dampfwagen abgehen sah.

  • 1838
    (Randbemerkungen:
    August 3.
    Schumann
    7.[?] Comp.
    Rosenberg
    ... [?])


    War Therese bei mir, wir gingen an der Elbe
    hinauf bei Bärs, von da über die Scheunhöfe
    und Eisenbahn nach Neudorf und Pischen, wo
    wir im Garten bei Täubers waren, von hier
    durchs Dorf an die Eisenbahnbrücke und auf
    die Großenhainer Straße zurück über Neudorf
    in die Caserne, und um 8 Uhr noch auf die Vogel-
    wiese und wieder zurück über die brühlsche Terasse
    nach Hause.


    (Randbemerkung: Sept. 10. 11. 12.)


    Mustrung. Die Comp. wurde wegen guten Aju-
    stement gelobt. Exerzieren im Regiment.
    Meine Therese war 2 Stunden bei mir. Den
    andern Abend war ich bei ihr, und wurde
    wegen langem Warten mißlaunig, wir
    nahmen herzlichen jedoch stummen Abschied von
    einander.


    (Randbemerkung: 13. 14. 15.)


    Früh 7 Uhr marschirte das Regiment ins
    Cantonement ab. Kam 1/2 3 Uhr nach Gros-Trebniz
    ins Nachtquartier beim Bauer August Hünsel
    mit 9 Mann. Das Quartier war leidlich.
    Das Regiment sammelte sich bei Bischofswerda
    marschirte durch Bauzen, jenseits gingen die
    Detaschements ab. Stand in Rabitz beim
    Bauer Nabosky. Quartier sehr gut.
    Traf die Schwadron in ihrem Cantonements
    Quartieren, in Dittersbach auf dem Eigen

  • bei Bernstadt ein. Als ich mit 3 Mann ins Quar-
    tier kam, waren schon ein Gefreiter mit 8 Mann
    Infanterie darin, die Kammer welches noch
    die beste im Hause war hatten diese schon
    eingenommen, alle klagten aber schon einstimmig
    über die geizigen Wirthsleute. Bald hatte
    auch ich Gelegenheit mich von der Wahrheit zu
    überzeigen, wegen wenigem Gemüse, welches täg-
    lich für 13 Mann in einer Schüssel auf den Tisch
    kam, um welchen nicht einmal die Soldaten alle
    sitzen konnten, aß ich mehrere Tage gar nicht
    mit. Eines Abends beim Essen zu gegen
    legte ich aber meinem Wirth welcher am andren
    Tische ebenfalls sein Abendbrot mit Appetit ver-
    zehrte, denn er schien sich selbst nichts weniger als zu
    überstopfen, sieben solcher Kartoffeln, wie sie die
    Leute essen mußten, in eine nicht zu große
    Tabaksdose, und ihm dieselbe präsentirend, frag-
    te ich ihn, ob er denn noch nicht bemerkt habe
    daß ich noch nicht mit gegessen habe, sondern
    allemal in die Schenke gehe.? Nein, das hatte
    mein guter Wirth noch nicht bemerkt, die klein-
    nen Kartoffeln aß er selbst wegen ihres guten
    Geschmaks sehr gern. Da ich es ihm aber nun ge-
    sagt hatte, wurde das liebe Essen doch in etwas
    besser hergestellt. Sogar das Kämmerchen, das
    ich mit meinen 3 Mann eingenommen hatte
    war so wie die ganze Wirthschaft für uns

  • 1838
    (Randbemerkung oben: Sept. 23.
    Mitte der Seite: 28.)


    sehr nothdürftig, denn dreimal sind wir durch-
    gebrochen in den darunter befindlichen Kuh-
    stall.
    Sonntags nahm ich früh Urlaub und ging
    nach dem eine Stunde von Dittelsbach gelegenen
    Kloster Marienthal, woselbst mirs vorzüglich
    in der Kirche sehr gefallen, Am dasigen Gast-
    hause fragte ich nach meinem ehemaligen Kammrad
    Joseph Riedel, erfuhr aber er sei nicht hier mehr
    sondern in Bernstadt verheirathet. Von hier
    ging ich über Altstadt nach Ostritz einem freund-
    lichen Städtchen, und von da wieder in mein Quar-
    tier. Nun mußte ich freilich einen andern
    Tag noch Urlaub nehmen und nach Bernstadt
    gehen. Riedel ist immer noch der alte gute
    Kammrad, er war sehr erfreut mich wiederzusehen
    seine Frau eine niedliche Blondine, war auch
    sehr zuvorkommend, als ich wieder fortging pakten
    mir sogar Beide, gegen alles Streuben, Obst
    und Packwerk ein, Ich wollte später noch einmal
    hingehen, jedoch Zeit erlaubte es nicht.
    Zweimal war ich Rennersdorf auf Stabswache
    das erstemal sogar mit einem Schulkamerad
    Wagner. Mein Pferd hatte ich jedesmal
    beim Günzel stehen. Es hatt mir übrigens
    gefallen daselbst. Eines Sonntags war ich auf
    der Bergschenke bei und im Wirthshause in

  • (Randbemerkung: Oktbr. 11. 12.)


    Marienthal, wo Tanzmusick war.
    Den Tag vorm Abmarsch Rast. Kam Mittag
    auf Arrestatenwache, ganz unvermuthet, weil
    der Gardist Schubert, sich gegen Trompler ver-
    gangen hatte. Der Arrestat stekte im Spritzen-
    hause und die Wache warr im Erbgericht,
    von wo ich mich gar nicht entfernen durfte
    sondern blieb bis den anderen Morgen ½ 7 Uhr
    stehen, dann gab ich erst den Arrestaten, und
    begab mich in mein Quartier, woselbst ich noch
    alles in dem Stande fand, wie ich es gestern
    verlassen hatte, denn meine Leute hatten
    meine Abwesenheit benutzt, waren vorigen
    Nachmittag nach Ostritz gegangen und diesen
    Morgen erst wieder zu Hause gekommen. Nun
    fand ich folglich Arbeit, und keine Zeit dazu.
    ¾ 7 Uhr rückte die Schwadron aus ich war erst
    ins Quartier, Als wir an der Kirche auf-
    marschiert waren bemerke ich das ich auch kei-
    ne Halfterkette mithabe, der Wachtmeister
    sagte: reiten Sie zurück, und kommen nach.
    Das ließ ich mir nicht zweimal heißen, son-
    dern befolgte es das erstemal, ritt zurück
    und fand noch mehrere Sachen die ich
    in der Eil hatte liegen lassen, dann trabte
    ich meiner Schwadron nach.

  • 1838
    (Randbemerkung: Oktbr. 13.)


    Das Regiment marschirte über Her[r]nhut, Löbau und
    Bauzen und dieseits rechts genannter Stadt in
    die Nachtquartiere, ich stand mit einemDeta-
    schement von 14 Mann unter Befehl des Leutnant
    von Biedermann in Techritz, woselbst ich bei
    Gärtner und Richter Sübe ein gutes Nachtquar-
    tier fand. Der Comp. Stab stand in Grubschitz.
    In Seeligenstadt, mit 5 Gardisten und dem
    Sattler Wackwitz in einem Quartier.


    (Randbemerkung: 14.)


    Mittags ½ 12 Uhr rückte das Regiment Garde Reiter
    das Leib Infanterie-Regiment und 2 Batterien
    Geschütz in Dresden ein. Demselben Abend
    noch ging ich nach Recknitz, wo meine There-
    se jetzt im Dienst war.


    (Randbemerkung: 19.)


    Rückte ich zum Corporal bei meiner Compagnie
    auf, Aunaß und Triebe wurden verabschiedet,
    und ich bekam einen neuen Stubencameraden
    Corp. Opitz.


    (Randbemerkung: 22.)


    Jahrmarkt in Dresden, meine Therese kam
    Nachmittag zu mir, wir waren eine Weile
    auf dem Markte, dann begleitete ich sie
    nach Hause, da machte ich meinem gepreßten
    Herzen endlich Luft, und äußerte nochmals
    meine Abneigung d gegen solche Dienste in
    Schenkwirthschaften, und den Entschluß, nicht
    mehr hinaus zu kommen, so schwer es mir

  • auch werden wird, die so aufrichtig und innig
    Geliebte meiden zu müßen. Aber ich sah ein
    dieser stille Gram verzehrt meine Gesundheit
    und es ist besser, ich sehe sie seltner, als, daß
    ich mich jedes mal über unser Verhältniß ärge-
    re. Wie ich diesen Abend zu Hause gekommen
    weiß ich wahrhaftig nicht, denn so zerfallen und
    in Streit mit mir selbst war ich in meinem
    Leben noch nicht. Die folgende Nacht war
    auch eine schlaflose, denn nur bei dem gering
    sten Schlummer ängstigten mich böse Träume
    Den folgenden Tag waren ein par Schul-
    kameraden bei mir Peter Hausch und Johann
    Insorka, ich ging mit beiden in der Stadt
    herum, und unter andern auch in einige
    liederliche Wirthschaften, wo Ehre, Dummheit,
    und Scham Unsinn sind, mit Verwunde-
    rung habe ich mir dieses Treiben zum
    erstenmal angesehen, spüre auch keine
    Lust jemals wieder hinzugehen.


    (Randbemerkung: Nov. 4.)


    Eines Sonntag war ich mit Opitz in
    der evangelischen Waisenhauskirche um
    den berühmten Prediger Steinert zu
    hören, seine Predigt hat mir aber nicht
    besonders gefallen, es fehlt ihm das Wahre

  • 1838



    Unbestrittene, Überzeugende. Nachmittag
    ging ich aber gegen meinen Vorsatz nach Räknitz
    es war mir rein unmöglich, nicht zu ihr zu ge-
    hen, und nach reiflicher Überlegung war ja
    das Geschehene einmal nicht mehr ungeschehen
    zu machen. Wegen Entzündung der Augen- [linker Rand: 28.]
    lieder, mußte ich mich Quartier krank melden
    und kam in ärztliche Behandlung. Dieses [l. Rand: Decbr.]
    dauerte acht Tage lang, in welcher Zeit mich
    meine Therese einmal besuchte. [l.R.: 1.]
    Bei einem Manne meiner Visitation war [l.R.: 12.]
    früh beim Fußexerzieren ein lockerer Knopf
    gefunden worden, deßhalb kam ich Mittag
    in Arrest bei Wasser und Brod 24 Stunden lang.
    Ich bekam einen Brief durch den Wachmst. [l.R.: 18.]
    Schmidt der 4. Comp. Ohne alle Ahnung öffnete
    ich denselben, er war von meiner Geliebten
    sie schrieb nicht selbst, sondern ihr Bruder, denn
    sie wär plötzlich erkrankt, der Herr hatte sie
    bis Dresden gefahren, und hier auf den Boten-
    wagen gepakt, welcher sie nach Stolpen beförderte
    Sie zweifelt Dresden jemals wieder zu sehen.
    Dieser Brief wirkte wie ein Donnerschlag aus
    heiterm Himmel auf mich, denn zu unerwar-
    tet kam mir diese Hiobspost.

  • Folgenden Morgen meldete ich mich um einen
    Tag Urlaub und ging Mittag ein Uhr hier fort [r.R.: 19]
    So gern ich auch gefahren wäre um zeitiger an
    Ort und Stelle zu sein, konnte ich aber doch keine
    Gelegenheit treffen. Abends kam ich in Stolpen
    an, wo ich einen Vorübergehenden nach Wustmann
    fragte, derselbe führte mich sogleich dahin, Al-
    les staunte, bei meinem Eintritt, meine Therese
    lag auf einem ärmlichen Lager in der Stube
    sie konnte nicht einmal mit mir sprechen, und
    begrüßte mich nur mit einer leisen Be-
    wegung der Hand, sie richtete sich etwas im
    Bette auf, o, es war ein schmerzlicher Anblick
    für ein liebendes Herz, o, wie gern hätte
    ich Dein Siechthum auf mich genommen, hätte
    ich dadurch Dir einzig geliebtes Wesen, Ge-
    sundheit und Wohlergehen erringen können.
    Eltern und Geschwister waren sehr zu vor-
    kommend und freundschaftlich gegen mich.
    Ich blieb bis 10 Uhr bei meiner lieben Kran-
    ken; nahm dann gute Nacht und schlief im
    Gasthause zum weißen Hirsch, wo ich zwar
    ein gutes Lager fand, aber dennoch nicht
    schlafend konnte, denn die immer rege
    Einbildung theilt nie die Müdigkeit des
    Körpers, das Auge der Seele bleibt ewig

  • 1838
    (Randbemerkung: Decbr.)


    offen und weilt beim geliebten Gegenstan-
    de unsrer Liebe. Bald sah ich meine Alles
    als Leiche, bald mich selbst in Lebensgefahr.


    (Randbemerkung: 20.)


    Endlich kam der ersehnte Morgen, wo ich
    nach eingenommenen Frühstück, wieder zu ihr
    hineilte, sie war heut doch etwas besser, und
    konnte sich mit mir unterhalten, wunder-
    lich und eigensinnig, eigentlich Leidenschaften
    aller Kranken, war sie sehr. Der Vater war ein
    guter alter Mann, ein Mann welchem es zur
    Leidenschaft geworden, von einer früheren, und
    bessren Zeit zu sprechen; wirthschaftliche Ver-
    hältniße auseinander zu setzen und vorzüglich
    die Ansichten der höheren Classen nicht zu theilen.
    Die Mutter ist kleines freundliches Weibchen
    kränklich und wenig sprechend, aber leutselig
    und hülfeleistend. Der ältere Bruder Carl
    ist etwas Leutescheu, spricht wenig, jedoch scheint
    er einen guten Kopf zu haben, er ist Zie-
    geldecker, ich glaube bei mehrerer Erfahrung
    kann ein tüchtiger Bürgersmann aus ihm
    werden, jetzt ist er 20 Jahr alt und Mili-
    tairfreÿ. Der jüngere Bruder August
    17 Jahr alt, hat mehr Schule genoßen, aber

  • da es an Mitteln fehlt, dieselben fort
    zu setzen und dadurch weiter zu kommen
    wird vielleicht ein Genie im aufkeimen
    erdrückt. Ich kann ihn sehr gut leiden, ob-
    gleich seine Ansichten nicht immer mit den
    meinigen überein stimmen. Bis Mittag ath-
    mete ich noch eine Luft mit meiner lieben
    Therese, dann mußte ich wieder aufbrechen
    zuvor aber war ich noch bei der ältren Schwe-
    ster meiner Kranken, welche mir aber nicht
    so gefällt, denn sie scheint etwas herrisches
    in ihrem Auge und Wesen zu haben, welches
    vielleicht, von der zu großen Nachgiebigkeit
    ihres Gatten des Schneidermeisters Häntschel
    herrührt. Ich schied um ein großes Theil
    beruhigter aus Stolpen, als ich gestern an-
    gekommen war. August begleitete mich durch
    Wilschdorf bis nahe an die Chausse. Abend
    traf ich wohlbehalten in Dresden ein.
    In einigen Tagen erhielt ich einen Brief
    von ihr, worinn sie mir doch von Besserung
    schreibt, darum hoffe ich auch im neuen
    Jahre meine vielgeliebte Therese bald
    gesund und mit Freuden umarmen zu können.

  • 1839
    (Randbemerkung: Janr. 1.)


    Bei der königlichen öffentlichen Tafel
    kommandirt. Das authomatische meines Postens
    so wie die Hofgesichter auf welchen eine
    ewige Freundlichkeit zur Schau getragen
    wird, das kriechen der niederen Chargen
    das, aber dabei so wenig versteckte Bevor-
    theilen untereinander, hat mir viel Vergnü-
    gen gemacht. Abend nach dem ich vom königl.
    Schloße kam, ging noch mit dem Gefreiten
    Winter nach Neudorf, dort traf ich einen
    Landsmann und früheren Kamerad vom Regt.
    Kotzer mit seiner Frau. Wir gingen
    dann mit einander zu Hause, schon den
    andern Tag besuchte ihn, so habe ich doch
    nun wenigstens einen Ort, wo ich hingehen
    kann, wen mir die Caserne zu enge ist.


    (Randbemerkung: 6.)


    Hatte ich den ersten Schenkhaus Dienst
    und zwar in Friedrichstadt, es war alles
    ruhig und fiel kein Exzeß vor. Nur
    hatte ich beim Nachhause gehen meinen
    Mantel vergessen, welchen ich mir den
    folgenden Tag holen mußte.

  • Gewöhnlich ginge ich mit Opitzen nach Alt-
    stadt, er zu seinem Mädchen auf der kleinen Schieß-
    gasse, und ich entweder bei Otto auf die große
    Fischergasse oder bei meiner Therese nach Räck-
    nitz. Eines Abends erwarte ich ihn auch bei [rechter Rand: 23.]
    Otto´s, als er kam, war ich grade recht auf-
    geheitert, ich ließ mir ein par Gläschen
    Brandwein geben, und sage einige Spaß
    worte zur Frau Otto, da fing Opitz an
    und sagte ich wäre betrunken, er würde
    mich wohl nach Hause führen müssen, wir
    gingen fort, als wir aus dem Hause traten
    lief er, was er laufen konnte, Ich war aber
    nicht trunken, mich hatte der Ausdruck
    nicht beleidigt, aber daß er jetzt fortlief
    da noch Zeit genug war, und er also doch
    glaubte ich sei trunken, dieses schmerzte mich
    tief. Wir waren stets wie Brüder gewesen
    und hatten auch sogar keiner ein Geheimniß
    vor dem andern, drum achtete ich dieses
    für einen schlechten Freundschaftsdienst.
    Als ich in die Stube trat, lachte er und
    meine: Nun bist Du denn auch da, ich glaub-
    te Du wirdest Dich zu Hause finden, und