Der Wachmeister wollte uns nicht mehr erlauben
ohne Urlaub aus der Caserne zu gehen, und
immer beim füttern anwesend zu sein. Wir
wollten uns selbst an den Herrn Rittmeister
wenden, welches er aber nicht gestattete, sondern
meinte er wolle es ihm schon selber vorstellen.
So blieb es aber auch beim Alten.
Trompler hatte den Tagesdienst und weil er
auch Mittags auf Schloßwache ziehen mußte,
bat er mich nach dem Einrücken, den Remonte
Pferden doch das Kleÿefutter zu geben. Aber
Trompler war noch selbst im Stalle, als ich dies
Futter aus gab, nun war jedoch mir unbewußt
eines, gedachter Remonte Pferde, noch auf der
Bahne, der Mann welchem ich das Futter gab
schüttet es in die Krippe. Als das Pferd später
herein kommt, bin ich gar nicht mehr imm Stalle,
es frißt also das naße Futter, obgleich es
sehr erhitzt war, der Oberleutnant von Heÿgendorf
kommt dazu, und meldet es am andern Morgen
meinem Rittmeister, welcher mich darauf 22 Stund.
in Arrest bringen ließ, denn er betrach-
tete es als Dienstvernachläßigung.
Veruneinigte ich mich mit meiner There-
se, denn ich war Sonntags vorüber gegangen
Tagebuch Franz Nicolaus Kumpfe
- Bonzhonzlefonz
- Geschlossen
-
-
erst war sie am Fenster ich ging vorbei, traf
eine Landsmännin mit welcher ich ein Weilchen
sprach, als ich nun wieder zurük ging, stand sie
in der Thüre, trat aber sogleich zurük, ich
ging daher aus Ärger vorbei und geraden
Weges nach Neudorf. Dort bei meiner
üblen Laune trank ich etwas übern Durst
und nicht lange hatte ich auch ein Mädchen
am Halse, welches ich auch zu Hause begleitete
und dabei aber bemerkte, daß es nur eine
Vettel war. Zum Scherz bestellte ich sie
zu Übermorgen auf die Promenade. Wer
aber nicht hinkommt, bin ich selbst.
Ich kam den andern Tag auf Wache
wo mich meine Therese besuchte, sie meinte
zwar sie habe erst nicht kommen wollen, weil
ich mich so auffallend gegen sie benommen habe
brachte mir aber einen schönen Blumenstrauß
mit und wir waren wieder versöhnt. Jetzt
konnte ich ihr unmöglich meine gestrige
Bekanntschaft erzählen, und verschob es daher
auf einen andern Tag. Noch einen Abend
traf ich sie diese Woche, aber wieder kam
mein Geheimnis nicht über die Lippen[.]
Folgenden Sonntag Nachmittag lies -
1838
mich ein Frauenzimmer herunter holen, ich wollte
erst nicht gehen, denn ich dachte schon es würde
meine Bekannte vom vorigen Sonntag sein, aber
auf vieles Zureden meiner Stubengenossen ging
ich endlich, ich hatte mich auch nicht getäuscht
sie war es wirklich. Ich sollte nun mit ihr
spazieren gehen, wogegen ich mich entschuldigte
so gut es immer gehen wollte. Wir hatten
nicht lange so gestanden, trat meine Therese he-
rein, dies fehlte noch um mich aufs Äußerste
zu bringen. Aber war ich nicht wirklich der
strafbare Theil? Das ich die ganze vergangene
Woche ihr nicht ein Wort von dieser Bekannt-
schaft gesagt hatte. Sie ging an mir vorüber
und sagte, wenn ich mit weggehen wollte, so sollte
ich kommen, sonst würde sie bei Apothekers
gehen, und ging die Treppe hinauf in meine
Stube. Ich ließ also jene vorerst stehen wo
sie stand, und folgte meiner Therese, sehr
bald verständigten wir uns, und gingen dann
miteinander nach Strehln, Geißlers, Triebe
und Trompler warn auch mit, dort tanzte
sie mit einem Zuckersieder, welchen sie kannte
ohne mir etwas zu sagen. Kurz vorher hatte -
Triebe mit einem andern Madchen getanzt, welches
seine Geliebte sehr übel aufnahm, nun sagte
ich zu Trieben, wir können es ja auch einmal
übel nehmen, wir wollen doch zu Hause gehen
die beiden Mädchen mögen hier bleiben. Als
jedoch diese hörten daß wir so sprachen, kam
Therese sogleich und bat mich ich sollte doch nicht
böse sein, ich aber dachte sogleich daran ob sie
nicht vielleicht hatte eine kleine Rache nehmen
wollen, für meinen Besuch von diesem Mittag, und
blieb deßhalb ganz kalt und gleichgültig. O,
mein einziges geliebtes Wesen, du wustest
nicht welche Glut unter jener scheinbaren
äußeren Kälte verborgen war, ja , ich konn-
te dir nicht böse sein, aber, es überrascht
mich wenn ich auch zum Schein einmal böse
sein will, dann ein nicht zu dämpfender
Unmuth. Beide Mädchen nahmen ihre Tücher
und eilten fort, da wir dieses sahen, nahmen
wir uns noch Zeit und gingen später, aber
nun als ich meine Therese eine Streke vor mir
her gehen sah, nun erst faßte mich der finstere
Geist, welcher mich hätte zum Wahnsinn preszen
können, meine Gedanken verwirrten sich fast
daß als wir sie endlich einholten ich keinen Sinn
für sie hatte, ich sehe nur überall Falschheit
und mich dadurch unglücklich, möchte ich mir in -
1838
(Randbemerkung: Juni 18.)meinem Leben solche Augenblicke wieder er-
Leben. Sie musste um 9 Uhr zu Hause sein, das
wußte ich, und als wir an den Dohnaschen Schlag
kamen, war es gleich um diese Zeit, wir sollten
also grade fort und hinein gehen. Ich konnte aber
nicht hinein gehen und forderte sie auf, mit mir
um die Stadt herum zu kommen, wäre sie nicht
mitgekommen, der finstere Geist wäre nicht von
mir gewichen und wir hätten einander diesseits
nicht mehr gesehen. ----- Da erheiterten sich
aber allmehlig meine Sinne ich ward wieder
froh und die Zufersicht geliebt zu sein, be-
seelte mein Herz von neuem.
Vorzüglich klagte sie in ihrem jetzigen Dienst
wegen Geilheit ihres Herrn, welcher sie allent-
halben verfolgt, und gegen welchen sie sich der
gröbsten Ausdrücke und Grobheiten bedienen
muß. Sie kann nicht einmal bei der Frau gegen
denselben Hülfe suchen, denn dieser scheint es be-
kannt zu sein, und macht es auch selbst nicht besser.
Zum Jahrmarkte besuchte mich Niklaus Wau-
rick und Mith, welche beiden von Wesenstein kamen
wo Mith einen Bruder besucht hatte. Ich ging mit
Beiden da und dort in der Stadt herum. Den anderen
Morgen wollten beide fort, blieben noch bis zum
Abende, wo sie dann die ganze Nacht über gehen -
wollten.
Es war an einem schönen warmen Sonntage als
ich mit meinem Mädchen eine Landparthie nach
Nethnitz. Wir gingen in der vierten Stunde hier
fort, fuhren am Beÿer über die Elbe, dann gin-
gen wir am Ziegelschlage vorüber um die Stadt bis
auf die Dohnaer Straße, konnten dort aber keinen nach
Recknitz führenden Weg finden und mußte bis nahe an
Strehln und von da auf einem Fußwege Zschertnitz
kamen von dort über Recknitze rst auf die Dippoldis-
walder Straße und über Caitz nach Nöt[h]nitz, Ich
hatte einen Landsmann Namens Kittel daselbst, welchen
wir besuchten, und dann in dem dasigen Gasthause
im Garten einige Zeit uns aufhielten. Auf dem
Nach Hausewege begleitete uns Kittel bis Recknitz nitz
Der Bruder meiner geliebten Therese, August,
war mit ihr hier bei mir, er ging aber auch heute
schon wieder nach Stolpen zurück.
Der Schwadrons-Commandant Major von Schirnding
war zum Obertsleutnant und k. Gnrl. Adjudant ernannt
er sagte seiner Schwadron Lebewohl und gab uns den-
selben Tag noch zehn Thaler zu einem kleinen
Vergnügen, welches wir uns dann auch machten.
Beim exerzieren der Rekruten, und Felddienst-
übung veruneinigte ich mit Aunaß da er
er über die Maßen grob ausfiel, meldete ich
ihn an den Wachtmeister und stellte ihm auch das -
(Randbemerkung: Juli 16.)
Betragen dieses Aunaß in der Stube und gegen
andre Kameraden, und deren Mißvergnügen dar-
über vor. Dieser stellte mirs frei ob ich es weiter
und an den Rittmeister wollte gemeldet haben, dieß
ist aber nicht mein Wille.
Zu dieser Zeit der Kaiser von Rußland, Nikolaus I.
in Dresden an, wo er das Hotel de Sax bezog. Es
wurde ein eine compinierte Schwadron gebildet, wo
ich selbst dabei war, welche s den Kayser nach Pillnitz
begleiten sollte. Ich rückte deßhalb mit dem Unter-
wachmeister Schuricht und 2 Gardisten zum Quartier-
machen aus. Bei Niederboiritz gingen wir aus
einander, der Wachmeister nach Pillnitz und Hosterwitz,
ich nach Oberboiritz woselbst ich gegen 7 Uhr eintraf
die Quartire regulirte, Als der Wachmeister
auch hierher kam, gingen wir nochmals beim Richter
Fährmann, welcher ein sehr freundschaftlicher Mann
war, er bewirthete uns trefflich, auf seinen Vor-
schlag nahm ich mein Quartier Guthsbesitzer
Müller, wo es mir auch sogleich gefiel. Nachmittag,
2 Uhr kam jedoch eine Ordonanz von Dresden
mit der Order, sogleich wieder einzurücken, weil
das Commando nicht nachkomme, die Quartiere
sollten aber aufbleiben, bis auf weitren Be-
fehl. Wir marschierten demnach Nachmittag 4 Uhr
wieder ab. Oberhalb Loschwitz bekamen wir
jedoch aufs Neue Befehl, wieder zurück in die -
1838
Quartiere zu gehen, das Commando komme sogleich nach
Bei Nieder boiritz erwarteten wir dasselbe, wo wir
bei dieser Gelegenheit einen furchtbarm Regen-
guß aushalten mußten. Beim Auseinander-
gehen des Detaschements wurde ich nun statt nach
Boiritz nach Hosterwitz verlegt, woselbst mich ein
recht schlechtes Quartier erwartete. Es war schon
7 Uhr Abends als wir hier eintrafen, alle bis
auf die Haut, wie gebadet. Den zweiten Tag
kam Se. Majestät der Kaiser zwar nach Pillnitz
ging aber auch diesen Abend noch dahi nach
Dresden zurück. Den dritten Tag faßte ich in
der Garnison Brod und Fourage fürs Comando.
Denselben Tag Abend traf der Kaiser aber-
mals in Pillnitz ein, es war offene Tafel
dann Illumination, wobei allein im Garten
11000. gläserne Lampen waren verwendet worden.
Den vierten Tag rückte eine Bereitschaft aus, um
den Kaiser nach Königstein zu begleiten,
dieses änderte sich aber wieder, und der Kaiser
Nachmittag 2 Uhr auf dem Dampfboot Köni-
gin Maria nach Pirna und und von dort ins
Töplitzer Bad. R den fünften Tag rückte das
Commando wieder aus gastirte bei Pillnitz in der
Maillen Bahn die Revue vor S. königl. Hoheit dem
Prinz Albert und rückte um 10 Uhr wieder
in Dresden ein.
Montags war ich am Eisenbahnhofe, wo ich
den ersten Dampfwagen abgehen sah. -
1838
(Randbemerkungen:
August 3.
Schumann
7.[?] Comp.
Rosenberg
... [?])War Therese bei mir, wir gingen an der Elbe
hinauf bei Bärs, von da über die Scheunhöfe
und Eisenbahn nach Neudorf und Pischen, wo
wir im Garten bei Täubers waren, von hier
durchs Dorf an die Eisenbahnbrücke und auf
die Großenhainer Straße zurück über Neudorf
in die Caserne, und um 8 Uhr noch auf die Vogel-
wiese und wieder zurück über die brühlsche Terasse
nach Hause.(Randbemerkung: Sept. 10. 11. 12.)
Mustrung. Die Comp. wurde wegen guten Aju-
stement gelobt. Exerzieren im Regiment.
Meine Therese war 2 Stunden bei mir. Den
andern Abend war ich bei ihr, und wurde
wegen langem Warten mißlaunig, wir
nahmen herzlichen jedoch stummen Abschied von
einander.(Randbemerkung: 13. 14. 15.)
Früh 7 Uhr marschirte das Regiment ins
Cantonement ab. Kam 1/2 3 Uhr nach Gros-Trebniz
ins Nachtquartier beim Bauer August Hünsel
mit 9 Mann. Das Quartier war leidlich.
Das Regiment sammelte sich bei Bischofswerda
marschirte durch Bauzen, jenseits gingen die
Detaschements ab. Stand in Rabitz beim
Bauer Nabosky. Quartier sehr gut.
Traf die Schwadron in ihrem Cantonements
Quartieren, in Dittersbach auf dem Eigen -
bei Bernstadt ein. Als ich mit 3 Mann ins Quar-
tier kam, waren schon ein Gefreiter mit 8 Mann
Infanterie darin, die Kammer welches noch
die beste im Hause war hatten diese schon
eingenommen, alle klagten aber schon einstimmig
über die geizigen Wirthsleute. Bald hatte
auch ich Gelegenheit mich von der Wahrheit zu
überzeigen, wegen wenigem Gemüse, welches täg-
lich für 13 Mann in einer Schüssel auf den Tisch
kam, um welchen nicht einmal die Soldaten alle
sitzen konnten, aß ich mehrere Tage gar nicht
mit. Eines Abends beim Essen zu gegen
legte ich aber meinem Wirth welcher am andren
Tische ebenfalls sein Abendbrot mit Appetit ver-
zehrte, denn er schien sich selbst nichts weniger als zu
überstopfen, sieben solcher Kartoffeln, wie sie die
Leute essen mußten, in eine nicht zu große
Tabaksdose, und ihm dieselbe präsentirend, frag-
te ich ihn, ob er denn noch nicht bemerkt habe
daß ich noch nicht mit gegessen habe, sondern
allemal in die Schenke gehe.? Nein, das hatte
mein guter Wirth noch nicht bemerkt, die klein-
nen Kartoffeln aß er selbst wegen ihres guten
Geschmaks sehr gern. Da ich es ihm aber nun ge-
sagt hatte, wurde das liebe Essen doch in etwas
besser hergestellt. Sogar das Kämmerchen, das
ich mit meinen 3 Mann eingenommen hatte
war so wie die ganze Wirthschaft für uns -
1838
(Randbemerkung oben: Sept. 23.
Mitte der Seite: 28.)sehr nothdürftig, denn dreimal sind wir durch-
gebrochen in den darunter befindlichen Kuh-
stall.
Sonntags nahm ich früh Urlaub und ging
nach dem eine Stunde von Dittelsbach gelegenen
Kloster Marienthal, woselbst mirs vorzüglich
in der Kirche sehr gefallen, Am dasigen Gast-
hause fragte ich nach meinem ehemaligen Kammrad
Joseph Riedel, erfuhr aber er sei nicht hier mehr
sondern in Bernstadt verheirathet. Von hier
ging ich über Altstadt nach Ostritz einem freund-
lichen Städtchen, und von da wieder in mein Quar-
tier. Nun mußte ich freilich einen andern
Tag noch Urlaub nehmen und nach Bernstadt
gehen. Riedel ist immer noch der alte gute
Kammrad, er war sehr erfreut mich wiederzusehen
seine Frau eine niedliche Blondine, war auch
sehr zuvorkommend, als ich wieder fortging pakten
mir sogar Beide, gegen alles Streuben, Obst
und Packwerk ein, Ich wollte später noch einmal
hingehen, jedoch Zeit erlaubte es nicht.
Zweimal war ich Rennersdorf auf Stabswache
das erstemal sogar mit einem Schulkamerad
Wagner. Mein Pferd hatte ich jedesmal
beim Günzel stehen. Es hatt mir übrigens
gefallen daselbst. Eines Sonntags war ich auf
der Bergschenke bei und im Wirthshause in -
(Randbemerkung: Oktbr. 11. 12.)
Marienthal, wo Tanzmusick war.
Den Tag vorm Abmarsch Rast. Kam Mittag
auf Arrestatenwache, ganz unvermuthet, weil
der Gardist Schubert, sich gegen Trompler ver-
gangen hatte. Der Arrestat stekte im Spritzen-
hause und die Wache warr im Erbgericht,
von wo ich mich gar nicht entfernen durfte
sondern blieb bis den anderen Morgen ½ 7 Uhr
stehen, dann gab ich erst den Arrestaten, und
begab mich in mein Quartier, woselbst ich noch
alles in dem Stande fand, wie ich es gestern
verlassen hatte, denn meine Leute hatten
meine Abwesenheit benutzt, waren vorigen
Nachmittag nach Ostritz gegangen und diesen
Morgen erst wieder zu Hause gekommen. Nun
fand ich folglich Arbeit, und keine Zeit dazu.
¾ 7 Uhr rückte die Schwadron aus ich war erst
ins Quartier, Als wir an der Kirche auf-
marschiert waren bemerke ich das ich auch kei-
ne Halfterkette mithabe, der Wachtmeister
sagte: reiten Sie zurück, und kommen nach.
Das ließ ich mir nicht zweimal heißen, son-
dern befolgte es das erstemal, ritt zurück
und fand noch mehrere Sachen die ich
in der Eil hatte liegen lassen, dann trabte
ich meiner Schwadron nach. -
1838
(Randbemerkung: Oktbr. 13.)Das Regiment marschirte über Her[r]nhut, Löbau und
Bauzen und dieseits rechts genannter Stadt in
die Nachtquartiere, ich stand mit einemDeta-
schement von 14 Mann unter Befehl des Leutnant
von Biedermann in Techritz, woselbst ich bei
Gärtner und Richter Sübe ein gutes Nachtquar-
tier fand. Der Comp. Stab stand in Grubschitz.
In Seeligenstadt, mit 5 Gardisten und dem
Sattler Wackwitz in einem Quartier.(Randbemerkung: 14.)
Mittags ½ 12 Uhr rückte das Regiment Garde Reiter
das Leib Infanterie-Regiment und 2 Batterien
Geschütz in Dresden ein. Demselben Abend
noch ging ich nach Recknitz, wo meine There-
se jetzt im Dienst war.(Randbemerkung: 19.)
Rückte ich zum Corporal bei meiner Compagnie
auf, Aunaß und Triebe wurden verabschiedet,
und ich bekam einen neuen Stubencameraden
Corp. Opitz.(Randbemerkung: 22.)
Jahrmarkt in Dresden, meine Therese kam
Nachmittag zu mir, wir waren eine Weile
auf dem Markte, dann begleitete ich sie
nach Hause, da machte ich meinem gepreßten
Herzen endlich Luft, und äußerte nochmals
meine Abneigung d gegen solche Dienste in
Schenkwirthschaften, und den Entschluß, nicht
mehr hinaus zu kommen, so schwer es mir -
auch werden wird, die so aufrichtig und innig
Geliebte meiden zu müßen. Aber ich sah ein
dieser stille Gram verzehrt meine Gesundheit
und es ist besser, ich sehe sie seltner, als, daß
ich mich jedes mal über unser Verhältniß ärge-
re. Wie ich diesen Abend zu Hause gekommen
weiß ich wahrhaftig nicht, denn so zerfallen und
in Streit mit mir selbst war ich in meinem
Leben noch nicht. Die folgende Nacht war
auch eine schlaflose, denn nur bei dem gering
sten Schlummer ängstigten mich böse Träume
Den folgenden Tag waren ein par Schul-
kameraden bei mir Peter Hausch und Johann
Insorka, ich ging mit beiden in der Stadt
herum, und unter andern auch in einige
liederliche Wirthschaften, wo Ehre, Dummheit,
und Scham Unsinn sind, mit Verwunde-
rung habe ich mir dieses Treiben zum
erstenmal angesehen, spüre auch keine
Lust jemals wieder hinzugehen.(Randbemerkung: Nov. 4.)
Eines Sonntag war ich mit Opitz in
der evangelischen Waisenhauskirche um
den berühmten Prediger Steinert zu
hören, seine Predigt hat mir aber nicht
besonders gefallen, es fehlt ihm das Wahre -
1838
Unbestrittene, Überzeugende. Nachmittag
ging ich aber gegen meinen Vorsatz nach Räknitz
es war mir rein unmöglich, nicht zu ihr zu ge-
hen, und nach reiflicher Überlegung war ja
das Geschehene einmal nicht mehr ungeschehen
zu machen. Wegen Entzündung der Augen- [linker Rand: 28.]
lieder, mußte ich mich Quartier krank melden
und kam in ärztliche Behandlung. Dieses [l. Rand: Decbr.]
dauerte acht Tage lang, in welcher Zeit mich
meine Therese einmal besuchte. [l.R.: 1.]
Bei einem Manne meiner Visitation war [l.R.: 12.]
früh beim Fußexerzieren ein lockerer Knopf
gefunden worden, deßhalb kam ich Mittag
in Arrest bei Wasser und Brod 24 Stunden lang.
Ich bekam einen Brief durch den Wachmst. [l.R.: 18.]
Schmidt der 4. Comp. Ohne alle Ahnung öffnete
ich denselben, er war von meiner Geliebten
sie schrieb nicht selbst, sondern ihr Bruder, denn
sie wär plötzlich erkrankt, der Herr hatte sie
bis Dresden gefahren, und hier auf den Boten-
wagen gepakt, welcher sie nach Stolpen beförderte
Sie zweifelt Dresden jemals wieder zu sehen.
Dieser Brief wirkte wie ein Donnerschlag aus
heiterm Himmel auf mich, denn zu unerwar-
tet kam mir diese Hiobspost. -
Folgenden Morgen meldete ich mich um einen
Tag Urlaub und ging Mittag ein Uhr hier fort [r.R.: 19]
So gern ich auch gefahren wäre um zeitiger an
Ort und Stelle zu sein, konnte ich aber doch keine
Gelegenheit treffen. Abends kam ich in Stolpen
an, wo ich einen Vorübergehenden nach Wustmann
fragte, derselbe führte mich sogleich dahin, Al-
les staunte, bei meinem Eintritt, meine Therese
lag auf einem ärmlichen Lager in der Stube
sie konnte nicht einmal mit mir sprechen, und
begrüßte mich nur mit einer leisen Be-
wegung der Hand, sie richtete sich etwas im
Bette auf, o, es war ein schmerzlicher Anblick
für ein liebendes Herz, o, wie gern hätte
ich Dein Siechthum auf mich genommen, hätte
ich dadurch Dir einzig geliebtes Wesen, Ge-
sundheit und Wohlergehen erringen können.
Eltern und Geschwister waren sehr zu vor-
kommend und freundschaftlich gegen mich.
Ich blieb bis 10 Uhr bei meiner lieben Kran-
ken; nahm dann gute Nacht und schlief im
Gasthause zum weißen Hirsch, wo ich zwar
ein gutes Lager fand, aber dennoch nicht
schlafend konnte, denn die immer rege
Einbildung theilt nie die Müdigkeit des
Körpers, das Auge der Seele bleibt ewig -
1838
(Randbemerkung: Decbr.)offen und weilt beim geliebten Gegenstan-
de unsrer Liebe. Bald sah ich meine Alles
als Leiche, bald mich selbst in Lebensgefahr.(Randbemerkung: 20.)
Endlich kam der ersehnte Morgen, wo ich
nach eingenommenen Frühstück, wieder zu ihr
hineilte, sie war heut doch etwas besser, und
konnte sich mit mir unterhalten, wunder-
lich und eigensinnig, eigentlich Leidenschaften
aller Kranken, war sie sehr. Der Vater war ein
guter alter Mann, ein Mann welchem es zur
Leidenschaft geworden, von einer früheren, und
bessren Zeit zu sprechen; wirthschaftliche Ver-
hältniße auseinander zu setzen und vorzüglich
die Ansichten der höheren Classen nicht zu theilen.
Die Mutter ist kleines freundliches Weibchen
kränklich und wenig sprechend, aber leutselig
und hülfeleistend. Der ältere Bruder Carl
ist etwas Leutescheu, spricht wenig, jedoch scheint
er einen guten Kopf zu haben, er ist Zie-
geldecker, ich glaube bei mehrerer Erfahrung
kann ein tüchtiger Bürgersmann aus ihm
werden, jetzt ist er 20 Jahr alt und Mili-
tairfreÿ. Der jüngere Bruder August
17 Jahr alt, hat mehr Schule genoßen, aber -
da es an Mitteln fehlt, dieselben fort
zu setzen und dadurch weiter zu kommen
wird vielleicht ein Genie im aufkeimen
erdrückt. Ich kann ihn sehr gut leiden, ob-
gleich seine Ansichten nicht immer mit den
meinigen überein stimmen. Bis Mittag ath-
mete ich noch eine Luft mit meiner lieben
Therese, dann mußte ich wieder aufbrechen
zuvor aber war ich noch bei der ältren Schwe-
ster meiner Kranken, welche mir aber nicht
so gefällt, denn sie scheint etwas herrisches
in ihrem Auge und Wesen zu haben, welches
vielleicht, von der zu großen Nachgiebigkeit
ihres Gatten des Schneidermeisters Häntschel
herrührt. Ich schied um ein großes Theil
beruhigter aus Stolpen, als ich gestern an-
gekommen war. August begleitete mich durch
Wilschdorf bis nahe an die Chausse. Abend
traf ich wohlbehalten in Dresden ein.
In einigen Tagen erhielt ich einen Brief
von ihr, worinn sie mir doch von Besserung
schreibt, darum hoffe ich auch im neuen
Jahre meine vielgeliebte Therese bald
gesund und mit Freuden umarmen zu können. -
1839
(Randbemerkung: Janr. 1.)Bei der königlichen öffentlichen Tafel
kommandirt. Das authomatische meines Postens
so wie die Hofgesichter auf welchen eine
ewige Freundlichkeit zur Schau getragen
wird, das kriechen der niederen Chargen
das, aber dabei so wenig versteckte Bevor-
theilen untereinander, hat mir viel Vergnü-
gen gemacht. Abend nach dem ich vom königl.
Schloße kam, ging noch mit dem Gefreiten
Winter nach Neudorf, dort traf ich einen
Landsmann und früheren Kamerad vom Regt.
Kotzer mit seiner Frau. Wir gingen
dann mit einander zu Hause, schon den
andern Tag besuchte ihn, so habe ich doch
nun wenigstens einen Ort, wo ich hingehen
kann, wen mir die Caserne zu enge ist.(Randbemerkung: 6.)
Hatte ich den ersten Schenkhaus Dienst
und zwar in Friedrichstadt, es war alles
ruhig und fiel kein Exzeß vor. Nur
hatte ich beim Nachhause gehen meinen
Mantel vergessen, welchen ich mir den
folgenden Tag holen mußte. -
Gewöhnlich ginge ich mit Opitzen nach Alt-
stadt, er zu seinem Mädchen auf der kleinen Schieß-
gasse, und ich entweder bei Otto auf die große
Fischergasse oder bei meiner Therese nach Räck-
nitz. Eines Abends erwarte ich ihn auch bei [rechter Rand: 23.]
Otto´s, als er kam, war ich grade recht auf-
geheitert, ich ließ mir ein par Gläschen
Brandwein geben, und sage einige Spaß
worte zur Frau Otto, da fing Opitz an
und sagte ich wäre betrunken, er würde
mich wohl nach Hause führen müssen, wir
gingen fort, als wir aus dem Hause traten
lief er, was er laufen konnte, Ich war aber
nicht trunken, mich hatte der Ausdruck
nicht beleidigt, aber daß er jetzt fortlief
da noch Zeit genug war, und er also doch
glaubte ich sei trunken, dieses schmerzte mich
tief. Wir waren stets wie Brüder gewesen
und hatten auch sogar keiner ein Geheimniß
vor dem andern, drum achtete ich dieses
für einen schlechten Freundschaftsdienst.
Als ich in die Stube trat, lachte er und
meine: Nun bist Du denn auch da, ich glaub-
te Du wirdest Dich zu Hause finden, und