Tagebuch Franz Nicolaus Kumpfe

  • 1839.


    würdest liegen bleiben ! Dieses fehlte nur
    noch um Oehl ins Feuer zu gießen, alles kön-
    te ich vertragen, nur nicht Hohn. Von Stund
    an war er nicht mehr mein Freund, und nie
    werde ich einem Menschen wie diesen Opitz mein
    Vertrauen wieder schenken.
    Exerzierte das Regiment auf dem Heller [l.R.: Febr.]
    zur Vorübung, weil und damit die Pferde [l.R.: 20.]
    den andren Tag bei einem Manöver vorm [l.R.: 21.]
    Herzog von Coburg Gotha besser gehen sollten
    Früh beim Ausrücken der Garnison, hatten
    wir noch gutes Wetter, aber nach einer
    guten Stunde fing es an Schnee und Regen
    zu werfen, wobei wir so naß wurden, daß
    wohl von der ganzen Garnison kein Sol-
    dat einen troknen Faden am Leibe hatte
    Und eine Kälte dazu, daß wir uns kaum
    rühren konnten.
    Eines Abends war ich bei Kotzern erst [l.R.: 25.]
    in die Stube getreten und hatte den Säbel
    abgelegt, als ich im Hofe von der Feuerspri-
    tze reden höre, ich höre zum Fenster hinaus
    und erfahre in der Gegend von Übigau sei

  • ein Feuer. Ich hatte den Feuerritt, schnell eilte
    ich in die Caserne, wo noch niemand etwas davon
    wußte, ließ schnell satteln und in einigen Minu-
    ten trabte ich mit drei Gardisten schon die
    Meißner Straße hinunter. Es war aber nicht
    in Übigau, sondern in Costebaude [Cossebaude] am linken
    Elbufer, folglich konnten wir nicht dahin, wir
    ritten bis Cadiz und von da wieder zurük [sic].
    Ganz unverhofft kam meine Therese [r. Rand: 28]
    wie groß war meine Freude, sie wollte
    aber nur auf Besuch nach Räcknitz, um ihrer
    Sachen Willen, Ich hatte nicht Zeit gleich mit
    zu gehen, sondern ging erst Abend nach der
    Stunde hinaus, da war sie aber schon wieder in
    ihre frühere Arbeit getreten, ich konnte nicht ein-
    mal mit ihr sprechen, denn als s [sic] ich fortging war [r. Rand: März]
    sie nicht zu sehen. Auch den andern Tag hatte [r. Rand: 1.]
    ich sehr schlechte Laune, und zu allem Unglück
    kam Kotzer zu mir und bat mich zu Gevatter
    seine Frau war dieser Tage eines kleines Mädchens
    genesen. Was sollte ich thun? abschlagen konnte
    ich dieß unmöglich, ich sagte also zu, aber ich
    nahm mir auch vor nicht zu tanzen bei dieser

  • Gevatterschaft. Denselben Abend ging ich noch
    mit Wintern bei Bärs in der Absicht mich zu
    betrinken, welches ich auch redlich erfüllte. [linker Rand: März]
    Meine Therese empfing ich den dritten Tag [linker Rand: 2.]
    als sie bei einer Verrichtung in der Stadt mit
    zu mir kam, ganz kalt, obgleich mein Herz ihr
    glühend heiß entgegen schlug. Zwar begleitete
    ich sie bis vor den Donaer Schlag, aber unsre
    Unterhaltung war die Einsilbigste von der
    Welt. Endlich sprachen wir uns aber doch aus, und
    dessen Erfolg war, daß ich um ihre Gesundheit
    zu schonen, schon versprechen mußte wieder zu
    ihr zu kommen. Das war also das so lange ersehn-
    te Wiedersehen.
    Schon heute ging ich wieder mit Tromplern [linker Rand: 3.]
    dahin, obgleich schlechtes Wetter eingetreten war.
    Nachmittag holte mich der Wagen zur Kindtaufe [linker Rand: 10.]
    ab, der Kutscher hatte schon die Weisung wo ich
    die Gevattern abholen sollte. Es waren nämlich
    zwei Freundinen der Frau Kotzer, ich hatte
    beide schon einmal dort gesehen, Friedericke
    Grahl aus Pohla bei Bischofswerda und Henriette
    Scholz aus Dresden. Die Heilige Handlung
    ward in der kathl. Kapelle der Infanterie Cas-
    serne vollzogen. Beim Kindtaufschmause ging es

  • recht lustig her, und ich war bei sehr guter Lau-
    ne. Bei heiterm Scherz verging die Zeit und es
    war Abend geworden, bevor wir daran dachten
    auf einen Tanzsaal zu gehen. Da mußte ich
    nun schon einwilligen, und wir gingen auf Bo-
    dens, jedoch überließ ich das Tanzen anderen,
    und blieb meinem einmal gefaßten zwar et-
    was eigensinnigen Vorsatze getreu. gegen Mor-
    gen begleitete ich meine Mitgevatter Grahl
    nach Hause, beging auch unterwegs die Thor-
    heit, ihr einen werthvollen Ring abzuziehen
    welches ich mir den andern Morgen überlegte
    und beschloß ihr denselben auf jede Weise
    wieder zu zustellen. Abend ging ich auch wirk-
    lich hin, wo ich wußte daß ich sie treffen konnte
    ich wollte ihr den bewußten Ring wieder geben
    aber sie nahm ihn nicht, ich sollte ihn als An-
    denken behalten und tragen. Dennoch aber
    ward ich ihn kommenden Sonntag los, da ich
    sie wieder bei Kotzers traf, welches mich sehr
    freute, denn ich betrachtete es als einen sichtba-
    ren Beweiß von Untreue gegen meine mir
    über Alles theuere Therese. Später war ich
    auch einigemal bei Demoiselle Scholz auf der

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    Scheffelgasse,sie wohnt mit ihrer Mutter allein
    und beschäftigt sich mit Putzmachen. Sie hat
    schon mehrmal traurige Erfahrungen gemacht, weil
    nie die Geliebten ausgehalten haben, den lezten
    raffte ihr der Tod nach langen Krankentagen
    hinweg, sie hat ihn bis zum lezten Augenblick
    nicht verlassen und alles für ihn aufgeopfert
    schon deßhalb kann ich sie achten. Jezt scheint
    einer meiner Kamraden eine Liebesintrigue
    mit ihr anspinnen zu wollen. Ich würde beide
    bedauern, denn sie passen nicht für einander.
    Auch Demoiselle Grahl hat derartige Erfah-
    rungen gemacht, welches mir meine Gevatterin
    unter dem Siegel der Verschwiegenheit, wie
    alle Weiber mit lockern Zungen, vertraut
    hat, sie soll ein Mädchen von 8 – 9 Jahren am
    Leben haben, welches sie von einem Menschen
    haben soll, dessen Eltern nicht in die Verbindung
    Beider willigten. Sie ist im äußern das Ge-
    gentheil von D. Scholz, denn jene ist lebhaft
    scherzhaft und stets aufgeheitert, diese hingegen
    kalt und mehr besonnen, selten sieht man sie
    lächeln, eine kalte Ruhe ist über alle ihre

  • Gesichtszüge verbreitet, nur das Auge, welches
    man wirklich schön nennen kann, zeigt Leben
    und Geist und eine edle Seele an. Es scheint
    die Absicht von Kotzers mich mit dieser in
    nähere Verbindung zu bringen, woraus aber
    nichts werden kann, zwar fühle ich mich zu
    ihr hingezogen, ich achte sie, aber lieben kann
    ich sie nie,. Lieben kann ich nur sie die
    mein einziger Gedanke, mein Alles ist. Mei- [rechter Rand: April]
    ne Therese.
    Ha! triumphirt ihr Bösewichter, vielleicht
    bringt ihr mich noch zur Verzweiflung, und dann
    könnt ihr euch an meinem Unglück laben. A-
    ber schreckliche Rache demjenigen den ich früh
    oder spät als Thäter entdeke, er möge sein wer.
    er wolle, Unteroffizier oder Gardist, meine
    Rache wird ihm ereilen, auch wenn er sich noch
    so sicher dünkt. Gestern Abend ich bei Kotzer
    es war niemand mehr in der Stube; ich schloß
    die Thüre zu und hänge den Schlüßel wie ge-
    wöhnlich am einen Gewehrnagel, halb zehn Uhr
    komme ich zu Hause, die andern sind noch nicht
    da, ich schließe die Stube selbst wieder auf,
    mache Licht, will dann meinen Tischkasten
    aufschließen, suche deßhalb den Schlüßel in

  • allen Taschen ohne ihn jedoch zu finden, endlich
    werde ich gewahr daß derselbe ja noch im Schlosse
    stekt, und ich ihn also als ich fort ging nicht abgezo-
    gen habe, ich zog ihn also nun ab, es kamen meine
    Kameraden zu Hause, und wirgingen schlafen. Den
    andern Morgen stand ich etwas spät auf, als ich
    in die Stube trat, kam auch mein Kochdienst
    und wollte Menagegeld zum Einkaufen haben,
    ich schloß den Kasten auf, rechts stand eine Schachtel
    worin ich das Menagegeld aufbewahrte, als ich sie
    heraus nahm und öffnete fand ich blos einen Dreier
    noch darin, alles Blut, war mir zwar ins Gesicht
    gestiegen, ich traute meinen Augen kaum, aber
    ich wendete mich schnell um daß der Gardist
    meinen Schrecken nicht gewahren sollte. Ich
    hatte noch mehr Cassen, deßhalb greife ich schnell
    nach der nächsten der Casse eines Gardisten welchen
    ich bewirthschaftete, auch diese leer __ und so
    auch in der Dritten. Nun hatte ich mir im
    Winter 2 Thaler bei einem Landsmann geborgt
    diese hatte ich unter meine Papiere gelegt, denn
    ich wollte sie ihm Morgen wieder bezahlen, die-
    se 2 Thaler waren noch da, mit diesen mußte
    ich mir für den Augenblick helfen. Aber was
    nun anfangen, es beträgt nicht weniger als

  • 8 Thaler 15 Groschen 7 Pfennige, mit was den De- [r.R.: April]
    feckt decken? ich muß sehen wo ich eine Mit-
    menschen Seele treffe, welche mir noch einen
    Vorschuß machen kann. Nachmittag war mein [r.R.: 20.]
    Mädchen hier, sie ging aber bald wieder fort weil
    sie noch Verrichtungen auf mehreren Orten hat-
    te, wir wollten uns an der Post treffen, ferfehl-
    ten uns aber weil sie zum Dohnaer- und ich
    zum Dippoldiswälder Schlage hinaus ging, drausen
    erst zusammen kommend, begleitete ich sie bis
    nahe an Räknitz, meinen Kummer konnte ich
    ihr nicht mittheilen, denn sie hätte sich eben-
    falls Sorgen gemacht, und so war dieses wenig-
    stens zu vermeiden. Nur bei Kotzers, wo
    mir Beide meinen Kummer ansahen, entschloß
    ich mich zu entdecken, welche mir zwar ihr Be-
    dauern schenckten, aber mir doch nicht hätten
    helfen können. Mein Landsmann Simank borg-
    te mir noch ein par Thaler, womit ich doch eini-
    ge Zeit wirthschaften konnte, bis wieder der
    Löhnungstag heran kam. Auch mein Vater kam
    diese Zeit zu mir, er war gleichfalls in mißli-
    chen Umständen; nähmlich, die Klosterherrschaft
    wo er nun schon so lange als Unterthan betrach-
    tet worden war, verlangte auf einmal nun
    einen Haimathschein, wo soll mein Vater, ein

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    geborner Böhme, diesen hernehmen, in seinem
    Geburtsorte kann er keinen bekommen, denn
    er ist schon 40 Jahr von dort weg.Ich war wegen
    dieser Sache zweimal beim Auditeur, wo ich [linker Rand: April.]
    jedoch wenig Trost erhielt. Erblieb [sic!] einen Tag
    hier, und ging dann von hier nach Bischofswerda
    bei einem Advokaten, um sich dort Rath zu [linker Rand: 30]
    holen.
    Kotzers hatten aber auch nicht reinen Mund
    erhalten, sondern hatten meine Verlegenheit
    der D.* Grahl mitgetheilt, welche jetzt auf dem
    Weinberge mit ihrer Herrschaft ist und selten
    herein kommt. Eines Tages kam Kotzer her
    und sagte ich sollte gleich mit zu ihm kommen,
    es wäre jemand da. Ich ging mit, es war
    D.* Grahl, nun äußerte sie weiter nichts als
    daß ich ein Stück mitgehen sollte, welches ich
    denn auch that, da fragte sie auch um die nä-
    heren Umstände meines Unglücks, und erbot
    sich mir aus der Verlegenheit zu helfen, wenn
    ich morgen auf den Weinberg kommen wollte.
    Was war zu thun, sollte ich ihr Anerbieten ab-
    lehnen, und mich im der Gefahr stecken las-
    sen, in der ich jetzt war? Nein, da es so
    weit gekommen, mußte auch dieses gewagt wer-


    * D[emoiselle]

  • den. Den andern Tag war ich bei ihr auf dem [rechter Rand: Mai]
    Weinberge, und erhielt 7. Thaler in Papier von [r.R.:16.]
    ihr, mit der Bemerkung, mit der Auszahlung
    könne ich mir Zeit nehmen. Nun war mir
    geholfen, aber mein Mädchen, diese darf es
    nie erfahren, sie würde sich gewiß sehr darüber
    grämen, daß ich von einer Andern eine sol-
    che Hülfe angenommen.
    Ich war mit Hanken auf dem Russen [r.R.:20.]
    und im weißen Roß, wo wir fast die ganze
    Nacht zu brachten und erst gegen Morgen zu [r.R.:Juni]
    Hause kamen. Später war ich wieder einmal
    Sonntags auf dem Russen, mit Corp. Löffler [r.R.:16.]
    und seinem Mädchen, es war ein sehr hei-
    ßer Tag, ich litt wieder an den Augen, und
    dort schonte ich mich nicht, erhitzte mich im
    Tanzen, und trank tapfer dazu, welches zur
    Folge hatte, daß ich den andern Tag nach dem
    Exerzieren mich krank melden mußte, wel-
    ches auch bis zum 28,ten dauerte.
    Meine Therese wechselte nun ihren
    Dienst, weil die Herrschaft auf einen andern
    Ort zog, wohin sie nicht folgen wollte. Sie
    kam nun auf die Schreibergasse, und in
    keiner Wirthschaft, welches mich sehr er-
    freuete, denn nun können wir uns wieder

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    (Randbemerkung: Juli 6.)


    öfter sehen und sprechen.
    Das 300 jährige Jubiläum des Reformation
    war ein Fest welches alle Bewohner der
    Residenz in Bewegung brachte; Mein Vater
    kam zufällig auch denselben Tag her, wir
    gingen Nachmittag in der Stadt herum und
    sahen die verschiedenen Dekorationen an.
    Gegen Abend waren wir bei Kotzers, mein
    Vater war müde, ich mußte jedoch in die Caser-
    ne, denn mein Mädchen konnte in meiner Ab-
    wesenheit gekommen sein. Auch D. Grahl wollt
    Abend zur Illumination herrein und bei Kotzers
    kommen. Ich ging also alleine in die Caserne,
    hier erwartete mich mein Mädchen schon, was
    sollte ich aber nun machen, mein Vater war noch
    dort, und sollte doch Abend mit uns herum gehen
    Meine Therese ging nun mit, ich halte den Vater[?]
    weg, und nun ging es bis in die 11t Stunde in
    der Stadt herum, am Neumarkte nahmen wir
    gute Nacht von ihr und gingen zu Hause -
    Mein Vater reichte ein Memorial an den
    König ein, wegen seiner Heimatsstreitigkeit
    mit der Herrschaft, Er ging folgenden Tag nach
    Pillnitz, wo sich das königliche Hoflager befindet.

  • (Randbemerkung rechts: Juli)
    Ganz vergnügt waren wir eines Sonntags spaziren [r.R.: 21.]
    gewesen und gingen bei Bärs, woselbst ich mit Trom-
    plern im Lusthause Puff spielte, mein Mädchen
    saß daneben, und trieb daß sie zu Hause wolle
    und es war doch erst in der 9tn. Stunde, darüber
    ward ich ärgerlich und ging dennoch nicht, sie sagte
    zwar nur im Scherz: Du kannst hier bleiben ich
    werde mich schon selbst zu Hause finden. In
    einer Weile ging ich jedoch mit, aber ich sprach
    den ganzen Weg kein Wort, am Altmarkte
    nahm ich frostig gute Nacht und ging ärgerlich
    zu Hause, so kann uns manchmal ein zur Unzeit
    gesprochnes Spaßwort um das Glück vieler
    Stunden, Tage ja sogar Jahre bringen. So lange
    wird es zwar hoffentlich bei mir nicht dauern.
    Den zweiten Abend war ich zur gewöhnlichen
    Zeit drüben, konnte sie aber nicht erblicken, den
    dritten gleichfalls ohngeachtet des heftigsten
    Regens, aber ebenfalls ohne sie zu sehen. Deß-
    halb schrieb ich ihr am vierten meine Meinung
    ohne Zaudern, und erhielt am Sonnabend einen
    Brief, worin wieder die rosige Laun der Ver-
    söhnung herschte, und Sonntag waren wir wieder [r.R.: 28.]
    vergnügt bei einander.

  • Im September ging das Regiment ins Cantone-
    ment bei Oschatz ab, Ich blieb hier auf Hern-
    wache kommandirt, da verwendete ich freie Stunden
    gröstentheils zu Erforschung eines für mich pas-
    senden Dienstes, der ehemalige Corp. Aunaß ver-
    sprach mir, auch dabei behülflich zu sein. Auch
    fand sich unter andern ein Reitknecht beim


    (Randbemerkung: Sept.)


    Herrn Beier in Bernsdorf bei Königsbrück, Wegner
    war erst dort gewesen und kam von da nach Moritz-
    burg in die Ställe. Nun konnte ich aber nie selbst
    mit dem Herrn sprechen, und das Lohn war mir zu
    wenig deßhalb verzögerte es sich bis die lezten
    Tage wo ich dann nicht den Abschied sondern wie-
    der neue Dienstzeit annahm.
    Während der Zeit ging ich öfters bei meinem
    Landsmann Simark auf der Töpfergasse, dort
    waren immer viele Landsleute beisammen, es
    wurde gröstentheils um vieles Geld gespielt, ich
    selbst ließ mich endlich bereden, ich spielte mit
    und verlor in einem Abend 2 r, 12 g, den an-
    dern dachte ich mirs wieder zu holen, und ver-
    lor wieder 1 r, 17 gr. Dieses hatte mich aber
    recht von meiner Spiellust geheilt, ich spielte

  • seit der Zeit kein Blatt mehr dort. Eines Sonn-
    abends sagte mir das dortige Dienstmädchen auch
    eine Landmännin, sie würde morgen weggehen und
    mich mit besuchen, ich äußerte es würde mir recht
    lieb sein, wußte aber schon das meine Therese
    ebenfalls kommen wollte. Nun dachte ich aber
    den anderen Tag nicht mehr daran, als Nachmittag
    wir hatten grade Pferde blank draußen, dieses
    Mädchen wirklich kam, ich hatte noch nicht Zeit
    in die Stube zu gehen, gab ihr deßhalb den
    Schlüßel und ging in einer halben Stunde ohn-
    gefähr hinauf, da stand sie noch auf dem Gange
    und wartete, denn es war ihr alles zu fremd.
    Wir saßen in der Stube nebeneinander, als ich
    meine Therese die Treppe herauf kommen
    hörte, als sie herein trat, wechselte sie die
    Farbe und wollte in der Thüre stehen blei-
    ben, dann meinte sie sogar, sie sei wohl übrig?
    und wüde[sic] gleich wieder gehen. Jene, welche
    sah daß hier ein Gewitter im Anzuge sei, ließ
    sich auch nicht halten, und ging fort. Trotz
    allen Bitten und dem Erbieten ihr ja alles
    zu erklären, ging Therese dennoch fort, ob
    gleich ich ihr auch sagte, wenn sie meine

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    Rechtfertigung heute nicht hören wolle, so habe
    sie nie eine zu hoffen. Sobald es die Zeit erlaubte
    setzte ich mich hin und schrieb einen Brief, wie
    ihn dieses Betragen, und ihre unnöthige Eifer-
    sucht verdient hatten. Auch denselben Abend noch
    mußte sie ihn lesen, denn um 9. Uhr schickte ich
    denselben noch mit einem Gardisten hin.
    Bald bekam ich Antwort ob gleich ich keine
    haben wollte. Aber mein Herz hüpfte doch
    für Freuden, beim Lesen, o und ich konnte
    kaum die Zeit erwarten, wenn ich wieder
    mit Dir Geliebte sprechen kann.
    Endlich rückte das Regiment wieder in Dres-
    den ein, als dann gingen die Abschieder ab, und
    ich blieb auf neue Dienstzeit. Den zweiten Tag
    kam Herr Beier nach Dresden und wollte mit
    mir sprechen, nun war es zu spät, und er muß
    sich um einen andern umthun.


    (Randbemerkung: Octbr.)


    Ich nahm auf 12 Tage Urlaub, und besuchte
    meine Eltern. Diesesmal waren mehrere Schul-
    kameraden zu Hause, da habe ich vergnügte Tage
    gehabt. Zwei Tage verlebte ich ganz in Crostwitz
    bei meiner Schwester. Auf meiner Rückreise
    begleiteten mich zwei Mädchen, eine aus meinem
    Orte Marie Schusten die andre war bei Pillnitz
    her.

  • Mein Mädchen ging plötzlich außer Dienst
    und will nach Hause, ich habe sie beredet Mor-
    gen noch hier zu bleiben, und mit aufs
    Schulgut zu gehen wo ich den Schenkhausdienst
    erhalte. Sie blieb die Nacht bei Bärs, ich
    holte sie den andern Tag mit Tromplern ab,
    und gingen von da aufs Schulgut. Als wir
    eine Zeit dort waren, wurde ihr Unwohl
    und sie konnte es nicht mehr aushalten, ich
    ging also mit, da sie zu Hause gehen wollte und
    begleitete sie bis bei Bärs vor die Thüre.
    Montag Mittag ging ich wieder hinaus und
    nun mit nach Stolpen, wo ich bei ihrer
    Schwester mit blieb, bis Nachts 12 Uhr dann
    meine Schritte wieder gegen Dresden lenkte
    und todmatt hier anlangte. Diese Nacht bleibt
    mir denkwürdig und ich fühle mich wie zer-
    schlagen und meine Glieder schwer wie Blei.
    Wir wechselten ein par Briefe dann war
    sie auf einmal wieder da, und was ich mir
    vermuthe, so will sie die alte Bären wie- [rechter Rand: Novbr.]
    der haben, mag sie nur machen, ich habe
    es bald satt mich immer während mit ihr
    zu ärgern. Auch dieses mal ging ich wieder
    mit bis Stolpen, unterwegs, es war sehr,

  • schlechtes Wetter, war sie ziemlich wortkarg
    welches ich gewiß nicht verdiente. Da nun dieses
    Übel langere Zeit anhielt ging ich so gar voraus
    welches ihr alles gleichgiltig schien. In Weißig
    ging ich in den Gasthof und ließ sie vorüber
    gehen, da erwartete sie mich, hier brach ich
    aber wieder mit der Sprache los, ich konnte mir
    nicht helfen, die Thränen traten mir selbst in
    die Augen, ich ging noch weiter mit, als wir
    einen jungen Burschen aus Stolpen trafen, wel-
    cher ebenfalls nach Hause wollte, Therese kannte
    ihn gut. Auf dem Schenkhügel kehrten wir
    nochmals ein, wo ich tapfer trank, nun ging die
    Reise weiter, endlich kamen wir in Wilschdorf
    an, woselbst ich gegen ihren Willen abermals
    einkehrte, dort bestellte ich mir einen Wagen
    da wollte sie wieder nicht fahren. Jedoch ich
    ging nun einmal nicht anders ab. Sie ging
    immer voraus, der Bursche hatte zwar eine
    Laterne mit, ich aber ging mit dem Bauer
    mit nach dem Wagen, welches eine Zeit lang
    dauerte und ich endlich vors Dorf kam sah
    ich nirgends keinen Wagen Laterne mehr. Aus
    Ärger nahm ich gleich einige Leute aus

  • Stolpen welche unterwegs waren in den Wagen
    auf. Als wir fast am Rennersdorf heran
    kamen holten wir meine Therese ein, sie
    stieg ein und ich Thor nöthigte sie dazu, da-
    mals sollte ich sie unbedingt stehen lassen,
    denn, das war zu viel Eigensinn, welchen sie
    dort zeigte. So gehts aber, wir Männer sind
    auch nicht so stark, als wir scheinen wollen.
    Als wir oben ankamen ruthe ich gar nicht
    lange, sondern ging noch auf den Rathskeller
    woselbst ich bis um zwölf blieb. Nachher legte
    ich mich noch eine Stunde nieder und ging in
    der 2 ten Stunde wieder fort. Dieses mal ging
    es etwas besser als das erstemal, wenig-
    stens plagte mich der Schlaf nicht so sehr
    und ich kam noch zeitig genug in die Caserne.
    Zum Weihnachtsfeiertagen war ich ebenfalls [rechter Rand: Decbr.]
    wieder in Stolpen auf zwei Tage beurlaubt.
    ich war gröstentheils bei meiner Therese.
    Zum Neuen Jahre kam sie wieder nach Dres- [r.R.: 1840]
    den, in Dienst bei Bärs zum drittenmal,
    die Alte hatte sie richtig beredet, ich kann
    ihrs natürlich nicht verbieten, aber Gott
    gebe daß es ihr dießmal nicht, gereuet
    obgleich ihr die Alte große Versprechungen

  • 1840


    gemacht hat. Denn ich habe keinen Glauben an
    diese Versprechungen.
    Zu dieser Zeit konnte ich nicht mehr länger
    schweigen, sondern machte meine Therese sowohl
    als D. Grahl mit meinen Verhältnißen be-
    kannt, ersterer stellte ich alles von Anbeginn
    vor und wie und auf welche Weise ich mit lezte-
    rer bekannt worden war, gestand ihr auch daß
    ich treulos genug gewesen war lezterer nicht
    alle Hoffnung wegen meiner zu nehmen, und
    folglich einen großen Theil der Schuld selbst
    trug. Dieser hingegen bekannte ich meine wahr-
    en Gefühle aufrichtig, gestand und versicherte
    ihr meine Achtung und Dankbarkeit, aber auch
    daß ich nur meine Therese wahrhaft lieben kön-
    ne. O, wie glücklich bin ich Beide haben mir
    ihre Verzeihung zugesichert, und nun darf ich nicht
    mehr fürchten, daß ein unbewußter neidischer Zwi-
    schenträger auftritt, der meinen Frieden stören
    könnte. Ich ging aber jetzt nicht so öfters mehr
    bei Bärs, als früher, höchstens wöchentlich zwei-
    mal. Selten kann sie aber auch einen Sonntag
    nehmen, und wir können also selten miteinan-
    der weggehen

  • 1840


    Eines Sonntags waren wir im Plauschen Grunde
    wo mich die Schönheit der Natur entzückte, wir
    kletterten bis wir recht ermüdet waren. Später
    waren wir auch auf dem Steiger, wo es uns
    gleichfalls recht gut gefallen hat.
    Nun kam ich eines Abends bei Bärs, als
    Stammgast daselbst ward ich nicht zu meiner Zufrie-
    denheit aufgenommen, welches ich zwar schon längst
    gemerkt hatte, daß sie mich lieber gehen als
    kommen sehen, denn sie hatten eigne Absichten mit
    meiner Therese, welchen ich aber gradezu im
    Wege stand. Ich machte aber kurzen Prozeß und
    ging nicht wieder hin. Wenn ich mit ihr spre-
    chen wollte ging ich in eine etwas entfernte
    Wirthschaft, von wo aus wir uns nur zu Zeit und
    Stunde treffen konnten. Eines Abends kommt
    ein Landsmann sehr spät in der 10ten Stunde zu
    mir, der hatte mich bei Bärs aufgesucht, nicht
    wissend daß ich nicht mehr hinkomme. Er sagte
    mir als ich ihn fragte, wer dort war, daß meine
    Therese mit zwei andern Frauenzimmern, welche ich
    schon kenne, und einer Mannsperson gespielt
    habe. O, hatte er mir dieses nicht gesagt, es war
    wieder eine Hiobspost für mich, sie hatte mir ja
    versprochen, als wir uns kennen lernten, nicht
    wieder zu spielen, ich hatte ihr meine Meinung