Tagebuch Franz Nicolaus Kumpfe

  • 1813 den 18ten April geboren
    Mein Vater Johann Bernhard Kumpfe . . . aus Hainspach in Böhmen
    Meine Mutter Katharina Kumpfin gb. Helbig . . . aus St. Marienstern
    Mein älterer Bruder Ferdinand Joseph Kumpfe . . . starb in seinen 24ten Lebensjahre beim baden in der Elbe bei Pilnitz
    Meine ältere Schwester Dorothea Magdalena Kumpfin
    Geburtsort Neudörfel bei Bautzen


    Schon bei meiner Geburt waren mei-
    ne Eltern nicht mehr die friedlichen Eheleu-
    te, wie früher, theils wegen eintretendem
    Mangel, theils auch wegen Verwandten mei-
    ner Mutter die Urheber von Zank und
    Streit in unserem Hause. Daß ich daher
    schon von Anfang meines Lebens ein
    Spielball ewig wechselnder Launen war
    das war sehr natürlich. Gegen den Wil-
    len ihrer Eltern heirathete meine Mut-
    ter und bekam deßhalb als Aussteuer
    nichts als das Versprechen, nach dem
    Tode des Großvaters alles zu erben.
    Jedoch Liebe und Vertrauen dünkte
    meinem redlichen Vater schätzbarer
    als bares Geld, zu einer Zeit wo
    beide durch ihrer Hände Arbeit zum

  • Überfluß verdienten, als aber nun mehrere
    Jahre verfloßen; meine älteren Geschwister
    schon viele Zeit raubten, die Geschäfte
    sogar etwas ins Stocken geriethen; endlich
    der leidige Kriegsausbruch und die Gros-
    eltern denoch nicht das geringste zur
    Unterstützung thaten, da fing Reue und
    Unwille beide an zu peinigen; und weil
    meine Mutter allein wenn sie zu ihren
    Eltern kam gut aufgenommen wurde, so
    fing sie endlich an tagelang dort zu blei-
    ben, unbekümmert um die eigene Wirtschaft.
    Um nur dort im Überflusse leben zu können
    stimmte sie auch sogar gegen meinen
    Vater mit ein, dadurch mußte nun un-
    vermeidlich Bruch zwischen beiden begün-
    stigt werden.
    In solch einer Periode war es, als ich
    das Licht der Welt erblickte. Zu erst
    begrüßten mich wohl die Kußacken,
    welche unser Haus stürmten, aber aus
    Achtung für ein eine Wöchnerin sich bald
    wieder entfernten, ohne ihre bekannte

  • Raubgier gestillt zu haben. Mein Vater
    mußte mich größtentheils selbst abwarten
    wenn er mich nicht verkrüpeln oder gar
    umkommen lassen wollte. War meine
    Mutter aber einmal zu Hause dann wen-
    dete sie mir aber auch alle Liebe zu, dann
    wurde bloß ich geliebkost und jedes andre
    Geschäft mußte unterbleiben, ja ich muß-
    te sogar sehr oft in einem Korbe einge-
    packt auf ihrem Rücken die Reise zu den
    Großeltern machen. Auf diese Weise sind
    mir 7 Jahre verfloßen, ich war stark und
    gesund und machte unter meinen Spiel-
    cammeraden jederzeit den Anführer,
    bei jedem von Kindern verübten dum-
    men Streiche war Fränzchen sicher
    dabei gewesen, welches meinem Vater
    sehr oft Unannehmlichkeiten verursach-
    te, wofür ich aber auch wieder; trotz
    allen Bitten meiner Mutter mit der
    größten Strenge gezüchtigt wurde. Zu
    dieser Zeit veränderte mein Vater
    unseren bisherigen Aufenthaltsort
    und zog nach K *. in ein herrschaftlich



    * gemeint: Kamenz

  • Gebäude, wo er zugleich den Aufseher
    über einen Küchen und Blumengarten mit
    machte. Hier waren wir nun in der Nähe
    meiner Großeltern, deßhalb wurde nun die
    häußliche Einigkeit in etwas wieder herge-
    stellt. Ich entbehrte jedoch meinen Spielcamme-
    raden sehr und eine Scheu vor andern
    Kindern bemächtigte sich meiner, und größten-
    theils trieb ich mich allein in den Sträu-
    chern und Felsen worauf unsere Wohnung
    sich befand, herum. Als ich 8 Jahre alt
    ward, nahm sich meiner Se. Hochwürden
    der Probst Salesius Krüger, so wie früher
    meiner Schwester, an; und ließ mich in die
    Klosterschule gehen. Hier lernte ich sehr
    leicht und wäre jene Lehrerstelle zu
    damaliger Zeit mit besseren Individuen
    besetzt gewesen, da konnten meine Geistes-
    anlagen besser benutzt werden. So aber
    war ich in zwei Jahren mit dem ganzen
    Wissen meines Lehrers bekannt und
    konnt doch auch nicht weiter kommen

  • denn wer sollte mich wohl auf eine andre
    Schule senden? Zu dieser Zeit kam nun
    ein andrer Lehrer aber im Wissen eben
    so beschränkt als der erste, bei diesem
    ging ich bis zu meinem 12ten Jahre alles
    erlernte noch einmal durch, dann konnte
    ich aus der Schule bleiben und zum hei-
    ligen Abendmahle gehen.
    Nun begann für mich eine wichtige
    Periode, was sollte aus mir werden, ein
    Maler? Dies war mir das wünschenswerthe-
    ste, und zu dieser Kunst zeigte ich die
    besten Anlagen. Nicht so dachte aber
    mein Vater, sondern Handwerk hat gol-
    denen Boden war sein Wahlspruch, er
    hatte sich auf seiner Profession so lange
    Zeit redlich ernährt, warum sollte ich
    diese nicht auch nehmen? Dabei blieb
    es nun ich lernte mein Handwerk
    und ich lernte aber auch müßige Stun-
    den mt Bücher lesen vertreiben,
    und zwar mit Büchern, welche ich
    mir aus einer Leihbibliothek in
    Kamenz bringen ließ, dieses waren

  • Ritter- Räuber und Geistergeschichten, eben
    so fade und abgeschmackt, als auch für mein
    Alter höchst schädlich. Ich bildete mir auch
    wirklich nach und nach in meinen Gedanken
    eine ganz andre und schönre Welt, worin
    eine große Rolle zu spielen mein einzig-
    er Wunsch war. Kein Wunder also, wenn
    ich sehr selten Lust zu der Arbeit hatte
    welche mich nicht dahin bringen konnte.
    Jeder Gegenstand der nicht in mein Fach
    gehörte, sprach mich an, und ich ruhte nicht
    eher als bis ich eine schwierige Aufgabe
    oder das Verhältnis von diesem oder jenem
    Dinge herausgebracht und selbst ein gleiches
    geliefert hatte. Auch verdiente ich mir mit
    solchen Nebenarbeiten weit mehr als in
    der Profss.[Profession] und die Nonnen im Kl. ließen
    es mir nie an neuer Beschäftigung von
    dieser Art fehlen. Unter andren Kamera-
    den lernte ich in meinem 16ten Jahre einen
    Namens Mai kennen, er war aus Böhmen
    und hier in Arbeit, dieser Mensch zeigte
    sich mir dem unerfahrenen Kameraden
    als ein wildes Thier, und mein Abscheu

  • von ihm wuchs in dem Maße daß ich ihn
    wenn er nicht bei meinen Eltern sich so
    sehr eingeschmeichelt hätte, vorzüglich aber
    bei der Mutter sehr gut angeschrieben
    war, ohne Bedenken hätte ermorden können.
    Jedoch wie wollte ich es meinen Eltern zu
    leide tun, ihnen den Charakter dieses Men-
    schen zu enthüllen. Unter meinen übrigen
    Kammeraden waren Mühle aus Altenberg,
    Wehner und Schiele aus Elstra, Joseph Riedel,
    Michael Metke, die Brüder Nicolaus und George
    Waurick, Peter Noack aus Kloster Jakob Ziesche
    aus Siebitz die vorzüglichsten. In der
    Kupfermühle war mein gewöhnlicher Auf-
    enthalt, dort war ich lieber als zu Hause,
    dort war es auch, wo ich den Anfang mach-
    te und um Geld spielen lernte, jedoch
    scheute ich stets größere Summen zu wa-
    gen, aber dennoch gefiel mir dieses Ver-
    gnügen sehr bald, und es bedurfte selten
    große Überredung um mich in ein Spiel
    zu ziehen. Hier war auch der Ort wo ich
    die Liebe kennen lernte, aber nicht
    jene Liebe, wie ich dieselbe in meinen
    Büchern gefunden hatte, denn nur zu
    bald genas ich dieser Liebe wieder
    indem die Untreue und der Flatter-

  • haftigkeit des Gegenstandes jener Liebe
    nicht geeignet war mich lange Fesseln zu
    können. Im achtzehnten Jahre zogen
    meine Eltern wieder weiter, und zwar bei
    Jauer auf die Ziegellscheune, welche dem Klst.
    gehörig ist. Mein Bruder Joseph starb als
    Gefreiter bei der 2ten Comp. der Garde Division
    commandirt in Pillnitz, an einem heißen
    Sommertage badend, in der Elbe. Sein
    Tod wirkte auf meine Mutter so nachthei-
    lig, daß wir für ihren Verstand besorgt
    waren, und sie lange Zeit nicht allein aus-
    gehen ließen, weil wir glaubten sie
    könne sich irgend ein Leid zufügen. Nur
    konnten wir nicht verhüten, daß ihr nicht
    manchmal unanständige Leute, jenes sinn-
    verwirrende hitzige Getränk des Pöbels zu-
    kommen ließen, womit sie sich die Grillen
    zu vertreiben anfing, und es auch lange
    Zeit auf diese Weise vortsetzte.
    Meine Kammeraden Nicolaus Waurick
    und Michael Metke heiratheten zu dieser
    Zeit, und ich ward Soldat. Das Loos be-
    stimmte mich zwar dazu, aber mit

  • besondere Vorliebe trat ich in meinen neu-
    en Stand. Zwar fand ich mich hier eben
    so getäuscht als schon früher in mancher
    andren Gelegenheit, aber ich hatte hier
    eine stete Beschäftigung, mußte alle
    Gedanken nun auf meinen Dienst richten
    daß mir sehr wenig Zeit übrig blieb
    das sonst und jetzt gegen einander zu
    stellen und zu vergleichen. Hier erst
    gesundete ich an Geist und Körper,
    hier verschwanden jene überspannten I-
    deen welche ich durch meine Romane
    eingesogen hatte, das Gift der Ritter,
    Räuber u. Geisterwelt mußte dem sehr
    wirksamen und kräftigen Gegengift der
    nackten Wirklichkeit weichen; der
    sonst in der Stube und an die leichte
    aber brustanstrengende Arbeit gewöhn-
    te Körper lernte sich hier in der
    freien Natur seiner freyen Bewegung
    und des Gebrauches aller Glieder er-
    freuen. Nie noch war um Pferde ge-
    wesen, deßhalb hatte ich Anfangs wohl
    Liebe dazu aber leider wenig Talent.
    Ich hatte einen Kammeraden mit welchem

  • ich exerzierte, Friedrich August Schönberger
    aus Geppersdorf bei Liebstadt, er war eben-
    falls zeitiger zur Comp: gekommen. Nach
    zwei Monaten hatte ich das Malheur mit
    einem Pferde zu stürzen, welches mir sehr
    nachtheilig werden konnte, denn ich hatte mir
    die rechte Schulter und das linke Knie ausgew-
    endet und wurde für todt in meine Stube ge-
    tragen, woselbst ich 5 Wochen zubrachte ehe
    ich wieder ausgehen konnte. Ehe ich jedoch
    meinen Eltern von der wahren Lage unter
    richten konnte, gelangte schon die Nachricht ich
    habe den Hals gebrochen, nach Hause, worü-
    ber sich meine Mutter sehr geängstigt hatte.
    Auf mein bald erfolgtes Schreiben, erhielt
    wieder Antwort, worin bemerkt wurde, dass
    diese Tage ein meinen Eltern bis dahin noch
    unbekanntes Mädchen hingekommen sei, welches
    mit weinenden Augen nach mir gefragt, ob es
    denn wirklich so schlimm mit mir stehe als
    zu hören gewesen. Meine Eltern durch mei-
    nen Brief unterrichtet, trösteten das Mäd
    Mädchen und erfuhren Namen und Wohnort.

  • Bei dieser Nachricht erfreuete ich mich, denn mei-
    nem Gedächtniß war jenes Mädchen von 17.
    Jahren, mit welcher ich nicht getanzt, und
    deren anspruchloses Benehmen mir ge-
    fallen hatte, noch nicht vergessen, und
    kein anderes konnte die Trauernde sein.
    Als ich nun im Herbst nach dem Canto-
    nement bei Zittau, zu Hause auf Urlaub
    kam, sprach ich auch mit ihr, sie wollte
    in keinem Fall mehr meiner Nähe ent-
    behren und zog auch wirklich zum neuen
    Jahre 1835 hier in meinen Dienst. Was
    fehlte mir nun? ich war zufrieden mit mei-
    nem Stande, erfreut ein treues Herz
    welches mit inniger Liebe mir angehör-
    te gefunden zu haben. So verfloßen mir
    Tage Wochen und Monate, und wieder war
    der Herbst heran gekommen, wo ich in
    das Cantonement bei Pirna zu stehen kam.
    Nach meinem Wiedereintreffen, hatte
    sie eine Freundin gefunden, welche auch
    einen Geliebten bei meiner Compagnie
    hatte, ein Wende* Namens Herkner, da ka-
    men nun beide Mädchen öfters mitein-
    ander in der Caserne, und besuchten uns
    beide. Wir machten von hier aus Par-


    * veraltetes Wort für Sorbe

  • tien, und begleiteten sie wieder nach Hause.
    Auf diese Weise verfloß wieder ein Jahr
    das Regiment kam in Brigade bei Leipzig.
    1836. Von da gesund und wohlbehalten wieder
    in der Residenz angekommen, klagte mir mei-
    ne Anna, sie könnte nicht mehr auf dem
    Dorfe und so weit von Dresden bleiben, welches
    Vorhaben auch bald möglichst ausgeführt wurde.
    Hatten wir uns erst selten gesprochen, so wur-
    de es jetzt noch seltener, denn sie hatte einen
    Dienst getroffen wo ihr nicht so viel Zeit üb-
    rig blieb, zu mir kommen zu können, deßhalb
    entschloß ich mich wöchentlich einmal, wie
    ich rechnen konnte außer Dienst zu sein, zu
    ihr zu gehen. Wir hatten verabredet uns
    Abend zu einer Zeit zu sprechen, wo sie be-
    hauptete fertig mit ihrer Arbeit zu sein.
    Ich war aber den ersten, zweiten; dritten
    und vierten Abend an dem bestimmten
    Platze, ohne sie zu Gesicht zu bekommen.
    Nun war aber mein Entschluß kurz gefaßt
    ich ging nicht mehr hin, ich fragte nicht
    mehr nach ihr, sah ich sie so wich ich aus. Dennoch
    ließ sie mich durch ein anderes bekanntes

  • Mädchen um Verzeihung bitten, und sie habe
    nicht Zeit gehabt zu kommen, welche leeren
    Ausreden ich aber nicht achtete, und ihr nicht
    mehr zu nahe kam. Später habe ich erfahren
    sie habe Umgang mit einem Manne, welcher
    in demselben Hause diene, und sei so gar in
    anderen Umständen. Nach etwas näheren
    habe ich nie geforscht. Unterm 6 Januar 1837
    rückte ich bei der Comp. zum Gefreiten auf,
    und vergaß deshalb, wieder in eine andre
    Lage versetzt, Liebe und Untreue, eher, als es
    sonst, geschehen wäre.
    Nun war ich früher mit einigen Kammera-
    den in eine Schankwirthschaft an der
    Nun war ich früher mit einigen Kammera-
    den in eine Schankwirthschaft an der
    Bauznerstraße eingekehrt, das schöne
    Dienstmädchen gefiel mir, aber was mich
    auch von diesem Mädchen abschreckte, war
    ihre etwas zu freÿe Sprache, freÿer als
    es von jeher mich ein Mädchen hatte
    hören lassen. Ich beobachtete schon
    damals das Mädchen (,) von meinen Kame-
    raden unbemerkt, genau, und fand zu
    meiner geheimen Freude, daß sie von
    Sitten nicht zu freÿ sei als von Sprache.

  • Da ich nun mit meiner Anna gebrochen hatte,
    war alsbald mein Gedanke, dieses Mädchen, ich wußte
    aber nicht, wo sie zur Zeit war. An einem schönen
    Tage im Monat Mai 1837 ging ich die Bauzner
    Straße hinaus, spazieren, auf dem Retourwege
    gehe ich beim Schankwirth Bär hinein, und erblicke
    zuerst das bewußte Mädchen. Wohl mußte mir
    alles Blut bei ihrem Anblick ins Gesicht treten,
    den[n] sie war ja mein ganzes Streben gewesen, zu
    finden, und nun stand sie auf einmal so ganz unver-
    muthet mir gegenüber, sie war in der Zeit als ich
    sie nicht gesehen, wo möglich schöner und angenehmer
    geworden, o ich hätte ihr schon da wollen um den
    Hals fallen, und an mein Herz drücken, und laut
    zu rufen, ich bin nun frei, sei die meine! aber
    bald mischte sich in meine Freude auch wieder
    ein bitteres Gefühl, ich hätte sie viel lieber
    in einem anderen Dienste und bei andren Leu-
    ten gesehen. Und dieses alles durfte ich ihr
    ja noch nicht gestehen, noch wußte ich ja nicht
    ob sie diese Gefühle mit mir theile, ob sie mich
    sogar leiden könne, darum mußte ich meine Lie-
    be zu verbergen suchen, mußte mit Geduld so man-
    ches kränkende Wort, von Gästen sowohl als
    von Wirthsleuten mit anhören. Ich bemerkte
    nach und nach daß sie in meiner Gegenwart
    sich nicht mehr der freÿen Sprache bediente, und

  • und schloß daraus, daß sie meiner Abneigung gegen
    dergleichen Reden bemerkt habe, und dieselbe
    ehre. Ich bat mir sie bei ihrer Herrschaft einen
    Sonntag aus, und gingen mit einander spazieren
    es war zur Zeit der Vogelwiese, wo wir auch
    zum Feuerwerk hingingen; später gingen wir
    auf einen Tanzsaal, wo ich aber nicht tanzte, nur
    aus dem Grunde, weil ich wissen wollte, was
    sie dazu sagen würde; aber obgleich ich bemerkte
    das sie gern am Tanzvergnügen theil genommen
    hatte, so fügte sie sich in meinen Willen. Dieser
    Tag brachte uns ein bedeutendes näher.
    Einige Zeit darauf war ich Sonntags Nachmittags
    sehr zeitig bei ihr, den ganzen Tag vorher hatten
    mich böse Grillen, Unmuth wegen ihrem Dienst, ein
    Traum voriger Nacht von meinen Eltern, die Zag-
    heit ihr meine Liebe förmlich zu gestehen, ge-
    plagt, nun war sie noch dazu mit Geschäften
    überhäuft wegen anwesenden Gästen, daß sie
    meiner Person wenig derselben widmen konnte.
    Ich nahm meine Zuflucht also zum trinken, wel-
    ches sie denn auch bemerkte, und mich sogleich
    fragte, was mir heute fehle, da gestand ich ihr
    denn alles, was mir auf dem Herzen lag, und
    fand zu meinem unaussprechlichen Vergnügen
    Gegenliebe. Von dieser Zeit an war ich nun
    fast täglich bei ihr, wenn ich nicht durch Dienst-
    pflichten abgehalten wurde. Unsre erste
    Trennung auf einige Zeit, war die Cantonierung
    bei Großenhain, wo ich nach Bauda zu stehen

  • kam, dort erhielt ich auch den ersten Brief von
    ihr. Nach meinem Eintreffen hatte ich wieder
    Malheur, weil mich ein Pferd beim Ausreiten
    an den Unterschenkel schlug, ich kam daher
    in ärztliche Behandlung und konnte mich nicht
    aus meiner Stube entfernen. Meine Therese
    besuchte mich hier das erstemal, und war sehr
    besorgt um mein Befinden, muste sogar ein
    Fläschchen Spiritus annehmen, welches sie mir den
    andern Tag zum einreiben schickte. Vier Wochen
    brachte ich so zu, ehe ich wieder Dienst thun konnte.
    So verging auch dieses Jahr, und 1838 begann eben-
    falls und brachte mir mit jedem Tage neue Liebe
    und neue Schmerzen, neue Vorzüge und Annehmlich-
    keiten an meiner geliebten Therese, aber auch
    den Schmerz sie nicht besser versorgt zu wissen.
    Aber mein Abscheu vor ihrer Herrschaft sollte noch
    vermehrt werden. Eines Abends kam ich wie ge-
    wöhnlich hin, trank mein Glas Bier, meine
    Therese sah ich nirgends, so war ich schon ein paar
    Stunden da und immer wartete ich vergebens auf
    ihr Erscheinen, da es endlich Zeit ward zu Hause
    zu gehen, erfuhr ich sie sei krank, und liege
    oben in ihrer Kammer. Sie hatte sich erkältet
    und von Natur mit gichtrischen Anfällen
    behaftet, war die Krankheit schnell und furcht-
    bar ausgebrochen. Diese Nacht habe ich aber
    kein Auge zuthun können, o wie wünschte ich
    den Tag herbei, um nur hingehen zu können.

  • Ich ging hin, zu ihr in die Kammer hinauf, o ich kann es
    nicht beschreiben, wie mir zu Muthe war, als ich
    sie, die mein Alles, mein ganzes Leben ausmachte
    dort auf dem Schmerzenslager erblickte, o ich sah
    es wohl wie schlecht diese Leute für sie sorgten
    wie unbekümmert sie darum waren, was aus ihr
    würde, nur dies lag jenen Unmenschen am Herzen
    daß sie lange im Hause als Kranke bleiben würde
    und hätten es gerne gesehen, wenn ich einen
    Wagen geholt hätte und sie geschafft. Ich blieb
    bis Abend bei ihr und schied mit der Hoffnung
    auf baldige Besserung, welche auch Gott sei Dank
    in wenigen Tagen erfolgte. Nun hatte sie mir
    versprochen, nicht länger hier zu bleiben, sondern
    sich weiter zu vermithen, welches Ostern auch
    wirklich geschah. Ich fragte sie nicht wo sie Willens
    hinzu ziehen, weil ich mich darauf verlassen zu
    können glaubte, daß sie nicht wieder in eine
    Wirthschaft ziehen würde, denn sie kannte meine
    Ansichten von dergleichen Orten. Aber nein, die-
    sesmal, folgte sie meinem Willen noch nicht, sie
    hatte sich überreden lassen, in eine Wirthschaft
    auf die Scheffelgasse sich zu vermiethen, die Leu-
    te waren mit Bärs bekannt, deßhalb ahnte ich
    schon auch nicht den besten Dienst daselbst.
    Am ersten Aprill ging ich mit meiner There-
    se ein Stück Weges, da sie nach Stolpen zu ih-
    ren Eltern ging, bis an den Schenkhügel an
    der Straße nach Bauzen, dort kehrte ich wieder

  • 1838.
    Aprill


    um. Sie war den Sonntag zu Hause geblieben und
    traf erst Montag wieder hier ein, wo sie dann sogleich
    in ihren neuen Dienst ging. Um mich wenigstens zu
    überzeugen wo meine Geliebte sich jetzt bewege
    und unter was für Menschen sie dort lebe, ging ich
    den vierten dieses Monats mit meinem Stuben-
    Kammeraden Trompar dahin, wo ich bloß im Fort-
    gehen mit ihr sprach. Sie brachte mir ein paar
    Zeilen von ihr jüngren Bruder August, zur Zeit
    Schreiber am Rennersdorfer Hofe, mit, worin
    derselbe äußerte, mich gern auch einmal kennen
    zu lernen. Da meine Therese also gegen meinen
    Willen wieder in einer Wirthschaft war, gab ich
    mir aber auch das Versprechen, nicht hin zu gehen.
    wir sahen und sprachen uns also nur Abends wenn
    sie so viel Zeit gewinnen konnte und nach Wasser
    ging. Den 10ten huj. meldete ich mich auf 10 Tage
    um Urlaub nach Marienstern zu meinen Eltern
    und ging den 11ten früh hinn ab, ich hatte sehr gutes
    Wetter, besuchte in Obersteina Herrn Frenzel
    welcher mich dann noch eine Strecke Weges beglei-
    tete, desgleichen in Ränsdorf [heute Rehnsdorf] einen früheren
    Kamerad Bärndt und in Elstra August Schiele,
    kam demnach ziemlich spät erst bei den Eltern an.
    Meine Schwester ist verheirathet an Anton
    Broze und wohnhaft in Crostwitz, sie kam
    her sobald sie wußte daß ich hier sei, auch bei
    ihr hielt ich mich ein paar Tage auf.

  • den 20ten früh brach ich endlich wieder auf, mein
    Vater begleitete mich und wir frühstückten dieseits
    Elstra, er ging mit bis auf den Eineberg, wo
    wir uns trennten. Stetes Unwetter Regen und
    Schneegestöber begleitete mich von und bis
    in die Residenz, woselbst ich Abends sehr er-
    mattet ankam; mein Mädchen war vor kurzem
    hier gewesen, hatte mich aber nicht erwarten können.
    Sie besuchte mich aber den anderen Tag auf der Wache.
    Von nun an ging ich wieder wöchentlich ein paar mal
    zu ihr, wo ich aber öfters vergeblich auf sie
    wartete.
    Zu dieser Zeit kränkte mich mein Wachmeister
    Fritzsche mit Worten welche ich ihm lange nicht
    vergessen werde. Ich hatte nämlich den Tagesdienst
    war fast den ganzen Nachmittag im Stalle gewesen
    und ging nun in die Küche, um mir ein A-
    bendbrot zu bereiten, er kam auch dahin und
    sagte zu mir; Was bekümmern sie sich denn
    nicht um den Stall und stehen nur immer
    in der Küche und kochen Kaffee.
    Auf Casernenwache traf ich einst als ich Nachts
    von Patrulle eintraf, an der Speisewirthschaft
    ein Mädchen, welche mit mir in die Schule ge-
    gangen ist, sie freute sich gleichfalls einen Bekannten
    hier zu treffen, sie brachte mir später, wenn ich
    auf Casernenwache war und mich gesehen hatte
    jedes mal etwas zu essen oder trinken.