Gedenkplatte Klosteräbte Latein

  • Hallo Lateiner


    Der nachfolgenden Text steht auf einer Gedenkplatte
    für zwei Äbte des Klosters Muri in der Schweiz, Plazidus
    Zurlauben (1646-1723) und Ambrosius Bloch (1768-1838 ).
    Die Gedenkplatte befindet sich in der Klosterkirche.


    Tempore et fortuna longe inter se distantes
    pari tamen studio et pietate praediti
    non absimili morte extra Muros praeventi:
    ceu rei monasticae post fundatores primarius ampliator
    alter: ejusdem, ut potuit, fidelis custos et defensor
    alter: memoria fuorum honorantur.


    Ich habe es schon selbst mit dem Stowasser probiert, ich
    konnte einiges übersetzen (weitere Angaben zu den Äbten),
    aber bei diesen sechs Zeilen bräuchte ich eure Hilfe.


    Schon mal vielen Dank für eure Mühe.


    Gruss
    Svenja

  • Liebe Svenja,
    Ich bin ein bisschen vorsichtig.


    Beim Beschnüffeln kommt mir manches ein bisschen spaßig vor.
    Stimmt praeventi (nur zur Vorsicht)?


    heißt es nicht primarios?
    fuorum schmeckt mir ganz und gar nicht, nicht suorum?


    Stell mir den ganzen Braten rein (original), dann mach ich mich drüber.


    Unterfuchs

  • Schauen wir einmal, was sich machen lässt.


    Tempore et fortuna longe inter se distantes
    pari tamen studio et pietate praediti
    non absimili morte extra Muros praeventi:
    ceu rei monasticae post fundatores primarius ampliator
    alter: ejusdem, ut potuit, fidelis custos et defensor
    alter: memoria fuorum honorantur.




    Das Ganze ist ein einziger Satz mit dem Verbum am Schluss.
    Metrisch scheint keine Besonderheit dahinter zu sein.
    Doch wäre die Anordnung der Zeilen auf der Gedenktafel interessant.



    In den ersten 3 Versen weirden die beiden gegenübergestelt



    Ich biete jetzt keine druckreife Übersetzung, da bräuchte ich mehr Zeit:



    v.1 Hinsichtlich der Zeit und auch des Schicksals weit auseinander liegend



    Betonung des zeitlichen Abstand und auch der unterschiedlichen Lebensumstände
    longe ... distantes: durch das Hyperbaton sollte der Abstand verdeutlicht werden.



    v. 2. trotzdem aber mit gleichem Eifer und gleicher Frömmigkeit (von Natur aus) ausgestattet



    Starke Antithese: obwohl Unterschiede in v. 1 - Gemeinsamkeiten in v. 2
    wieder 2 Begriffe: studium - Eifer, Bemühen, Einsatz
    Chiasmus: distantes - pari
    pietas - allgem. Pflichtbewusstsein, Verantwortungsgefühl für das Kloster, dann spez. Frömmigkeit



    praeditus: drückt die Veranlagung von ihrer Natur her aus;
    Hyperbaton pari ..studio et pietate praediti - verleiht dem Vers Spannung
    dazu die Alliteration: pari... pietate... praediti



    v. 3
    von einem nicht unähnlichen Tod außerhalb von Muri überrascht.



    Der Vers betont wieder die Gleichheit



    non absimili - Litotes, verstärkte Bejahung; ganz gleich...
    pari..(v. 2) - non absimili (v. 2): parallel am Satzanfang (= Gleichheit)
    praeventi - zuvorgekommen, ein auffälliges Passiv: sie wurden überholt, überrascht
    außerhalb von Muri müssten sie also gestorben sein.
    Alliteration: more ... Muros;
    Auch dieser Vers endet mit einem Partizip (Ankänge: prae-diti - prae-venti)
    Weiterführung des p in Vers 2



    Also die ersten Verse ein Trikolon, mit jeweils einem Partizip am Ende
    Vers 2: Ausstattung bei der Geburt - Vers 3: Überraschender Tod



    v. 4/5
    so als erstrangiger Vermehrer der klösterlichen Belange nach den Gründern
    der eine



    ceu: so, gleichwie...hat hier erklärende Funktion; etwa auch: "nämlich"..



    nach den Gründern des Klosters nahm der eine eine erst(prim-)rangige, herausragende Stellung ein
    als ampliator - ampliare - vergrößern, ausweiten, erhöhen, ausschmücken
    er verlieh dem Kloster Glanz und Würde
    res monastica - es heißt nicht vita monastica - kl. Leben: sondern die kl. Sache
    der Besitz, die Bedeutung, die Belange (dabei auch das rel. Leben eingeschlossen)



    rei monasticae - besonders betont vorausgestellt (ebenso dann: ejusdem)
    post fundadores .. primarius - nach den (ersten) Gründern/Stiferrn ... der erst...
    ampliator - kann man kaum wörtlich übersetzen als Substantiv .. eher mit Relativsatz: erstrangiger Mann, der...



    v. 5 ein - soweit es ihm möglich war - treuer Beschützer und Verteidiger der andere
    von diesem (Kloster), dieser klösterl. Belange, davon



    Antithese: ampliator... defensor Vergrößerer - Verteidiger
    beide Verse; - or am Ende; Homoioteleuton
    alter ... alter jeweils an den Schluss gestellt (Epipher)..



    V. 6 Rest: nach diesen attributiven Gegenüberstellungen der Hauptsatz:



    memoria suorum honorantur.



    Sie werden durch die Erinnerung der Ihren geehrt.



    Am Schluss die Ehre für ihre Verdienste, indem die Nachfolger/Späteren in ihrem Kloster sie im Gedächtnis behalten.



    nicht honorentur? sollen, mögen...???



    Soweit einige Gedanken dazu. Die Konstruktion und Wortbedeutungen dürften klar sein.
    Jetzt käme es nur noch auf eine kompakte aussagekräftige deutsche Übersetzung an.



    Das meint der Unterfuchs

  • Hallo Unterfuchs


    Vielen Dank für deine Übersetzung und Erläuterungen.


    Ich kann bestätigen, dass die beiden Äbte ausserhalb von Muri gestorben
    sind: Zurlauben in Sandegg, begraben in Rheinau und Bloch in Engelberg.


    Sandegg soll ein Schloss im Thurgau sein, es ist mir aber nicht bekannt.
    Es gehörte zur Gemeinde Salenstein im Bezirk Steckborn. 1693 ging es in
    den Besitz des Klosters Muri über, Placidus Zurlauben baute es aus.


    Rheinau und Engelberg sind/waren auch Benediktinerklöster wie Muri.
    Abt im Kloster Rheinau war damals übrigens ein Gerold II Zurlauben,
    er lebte von 1649 - 1735 und war Abt von 1697 - 1735.


    Zur Bezeichnung ampliator womit wohl Zurlauben gemeint ist:
    Er vergrösserte den Grundbesitz des Klosters Muri und liess
    das Kloster aus- und umbauen und dessen Kirche neu bauen.


    Mehr Infos zu Placidus Zurlauben findet man hier:
    http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Zurlauben,_Placidus


    Gruss
    Svenja