Herkunftsnamen und was man daraus schliessen kann

  • Einige meiner Vorfahren haben den Nachnamen Kassel. So weit so gut. Ich gehe also davon aus, dass die irgendwann mal dort gelebt haben.


    Hm, aber was sagt mir das wirklich? Wann könnte das gewesen sein und wie weit müssen sie irgendwann weggegangen sein damit sich Kassel als Nachname herausbilden konnte? Kann man vielleicht sogar aus größeren Auwanderwellen irgendetwas spekulieren?

  • Hallo Thea,
    der Nachname kommt nicht unbedingt vom Ort , sondern Kassel und noch einige Orte mehr in Deutschland ( Niederkassel) kommen aus dem Lateinischen
    "castellum", was soviel wie Burg, Festung heißt...im 10. Jahrhundert wurde Kassel zum ersten mal erwähnt unter dem Namen "Chasella", auch das franz. "Cassel". Anders ist die häufige Verteilung des Namens ( verwandt.de ) in Rastatt und entlang des Rheins ( viele Burgen) nicht zu erklären.
    Viele Grüße
    Jutta

    Es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen,
    nicht das Besitzen, sondern das Erwerben,
    nicht das Dasein, sondern das Hinkommen,
    was den größten Genuss gewährt.

    Carl Friedrich Gauß


    Suche FN Wittmann und Angeheiratete-FN Hoffmann/ Oberschlesien-FN Naujock /Ostpreußen

    Dauersuche Geburt Marianna ( Maria) Barbara Olschewski ca 1798 im Raum Dirschau

  • Hallo Thea,


    es gibt viele FN, die sich aus Herkunftsorten gebildet haben. Bei meinem stellt sich die Frage nach Henne und Ei - er ist aus dem seit 230 nachgewiesenen germanischen Vornamen Gündrich enstanden. Spätestens seit 800 gibt es mehrere Ortsnamen, die darauf zurückgehen, vermutlich nach einen dort belehnten oder ansässigen Namensträger benannt. Als zwischen 1200 und 1400 Familiennamen gebräuchlich wurden, finden sich von Gündrichingen, Gündrichinger, Gündrich und diverse Varianten.


    So würde ich vermuten, dass auch der FN Kassel den gleichen ethymologischen Ursprung wie die Stadt hat, die aber nicht zwangsläufig Ausgangspunkt deiner/Ihrer Familiengeschicht sein muss. War's trotzdem der Fall, wird sich ein Zeitrahmen kaum klären lassen. Genealogische Recherchen vor Einführung von Kirchenbüchern nur sehr eingeschränkt möglich. Wenn Kassel in Kassel gelebt haben, müssen sie gar nicht von dort weggezogen sein - die Entstehung von Namen, Städtegründungen und Verwendung von Familienamen liegen jahrhunderte auseinander.


    Hesse-Cassel ist bei vielen USA-Einwanderern als Herkunft zu finden. Zusammenhänge dürfte aber mehr im historischen Umfeld der Auswanderungswellen zu suchen sein als im Familiennamen. In meiner Datenbank taucht er übrigens fünf Mal bei Ehepartnern auf (Elsass und Pennsylvania).

  • Danke für eure Hinweise. Ich spekuliere halt auch gern und das ein oder andre Brainstorming hat mich auch schon weitergebracht. Die Entstehung der Familiennamen finde ich interessant und habe auch schon einiges dazu gelesen. Aber mir fehlt konkretes. Ab wann waren Familiennamen nicht mehr einfach änderbar?

  • Soweit ich weiss, war das regional sehr unterschiedlich, aber im 15. Jahrhundert dürfen die Familiennamen in den Resten des Heiligen Römischen Reich erblich geworden sein. Allerdings gab es durch Migration mitunter noch drastische Änderungen der Schreibweisen. Meine Erfahrungen betreffen schweizer Namen, die durch französischen und englischen Einfluss teilweise nur noch wenig mit der ursprüngliche Form zu tun haben. Bei Kassel dürfte das Problem aber kaum auftreten.

  • Hallo Thea,


    wie Jutta schon ausführte, hat der Name der Stadt Kassel obenso wie der Familienname Kassel seinen Ursprung in (eingedeutscht) "Kastell". Lateinisch "castellum" (eine Verkleinerungsform von "castrum" = Schanzlager) bedeutet also "kleines Schanzlager" oder auch nur allgemein "befestigter Ort" oder auch "Burg". Insofern ist der Herkunftsname Kassel geografisch nicht zu definieren.
    Familiennamen entstanden in Deutschland erst sukzessive ab dem 12. Jahrhundert. Herkunftsnamen entstanden vor allem mit der Entfaltung der Städte und der mittelalterlichen deutschen Kolonisation des Ostens. In dieser Zeit der ausgeprägten Binnenwanderung (nicht Auswanderung) war die Herkunft der Menschen bekannter als ihr eigentlicher Familienname und trat an dessen Stelle. Derartiger Namenwechsel wurde erst in der frühen Neuzeit unterbunden (in Bayern 1677, in Österreich 1767, in Preußen 1794).


    Gruß
    Detlef

  • Allzuviel helfen einem die Herkunftsnamen nicht weiter, zumal es eben wie im Fall Kassel häufig verschiedene Möglichkeiten gibt. Man kann am ehesten daraus ableiten, in welcher Gegend vorfahren im Mittelalter gelebt haben. So haben viele "Einwanderer" in Danzig solche Herkunftsnamen, etwa "Angermund" oder oder "von Allen" (Ahlen), aber man weiß deshalb noch lange nicht, welchen Namen die Leute in ihren Herkunftsorten trugen und die Quellenlage ist da meist dürftig.
    Ob die Entstehung der Familiennamen im 15.Jahrhundert abgeschlossen war, bezweifle ich, aber zumindest der überwiegende Teil war dann in den Grundlagen festgelegt - von den vielen Variationen der nachjfolgenden Jahrhunderte reden wir hier ja nicht. Es kann aber leicht passieren, dass durch die Verschleifungen dann ein anderer Ortsname vermutet wird, als ursprünglich gegeben war.

  • Ich schließe mich der Meinung von Rotraud und Detlev an. Meine Aussage war wohl zu allgemein. Dort wo in Kaufbriefen, Bürgerlisten oder anderen Dokumenten Familiennamen genannt sind, gehen diese, teils auch schon vor dem 15. JH, auf Nachkommen über und bleiben offensichtlich in den um 1550 beginnenden Kirchenbüchern halbwegs konstant. Dazu gibt es sicher regionale Ausnahmen. Im Gegensatz zu aus Berufen oder Eigenschaften entstandenen Namen würde ich bei den lateinischen Wurzeln von Kassel aber doch vermuten, dass dieser früh verwendet und weitervererbt worden ist. Aber kann schon sein, dass jemand anders das besser weiss - ich bin nur Amateur.

  • Bei meinen Recherchen zu dem Familiennamen Kassel in Berlin bin ich auf eine späte Namensgebung gestoßen, die aber wohl mit meiner Familie nichts zu tun hat ;(



    Im Jahr 1809 wurde eine Jüdische Familie evangelisch getauft. Der Vater war schon 50 Jahre alt, er liess sich mit Frau und etlichen (13?) Kindern taufen. Sein Name bzw der seines Vaters war wohl Abraham Wolf und er stammte aus Kassel und war Kaufmann. Der Name änderte sich also nach der christlichen Taufe.



    Leider habe ich nochj nicht alles entziffern können aber da die Famile vermögend war sehe ich keinen Zusammenhang mit meiner Famile (die allerdings zum gleichen Zeitpunkt auftauchte).

  • Ich habe z. B. unter dem Oberbegriff Volksdeutsche in Danzig auf der Seite http://www.raportnowaka.pl eine ganze Liste gefunden , auf denen polnische Namen zu deutschen Namen wurden:
    Krajewski z. B., wurde zu Heise,Kramer,Kragert, Kran, Krallhoff,....
    ...
    also so generell kann man das nicht sagen, ...
    Liebe Grüße
    Jutta

    Es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen,
    nicht das Besitzen, sondern das Erwerben,
    nicht das Dasein, sondern das Hinkommen,
    was den größten Genuss gewährt.

    Carl Friedrich Gauß


    Suche FN Wittmann und Angeheiratete-FN Hoffmann/ Oberschlesien-FN Naujock /Ostpreußen

    Dauersuche Geburt Marianna ( Maria) Barbara Olschewski ca 1798 im Raum Dirschau

  • Ganz sicherlich lässt sich bei diesem Herkunftsnamen auch ein Bezug zu Kassel feststellen. Etwas noch zu der Stadt selbst:
    Kasserl, Stadt an der Fulda, entstand aus einer fränkischen Befestigungsanlage des 10. Jh.s; Stadtrecht um 1180. Seit 1277 Residenz der Landgrafen (1803 Kurfürsten) von Hessen, 1866 zu Preußen.
    Der Name 913 Chassalla, Chasella, 1152 Cassele, 1308 Cassel geht zurück auf ein fränkisches castella "Befestigung" das die Franken als militärisches Fachwort aus gleichbed.
    lat. castellum entlehnt haben. Römische Funde gibt es in Kassel ebenso wenig wie in den gleichnamigen rechtsrheinischen Orten Oberkassel bei Bonn und Niederkassel bei Troisdorf - 9. Jh. Cassele, 1246 Cassela inferior, die wohl gleichfalls fränkische Siedlungen sind



    Magistri


    Fürchte nicht Deine Feinde, sondern fürchte die, denen Du vertraust.