1672 geboren, 1709 seit "fast dreyßig Jahr im Kriege"

  • Liebe KollegInnen,
    ein Satz in einem Kaufvertrag mit Erbauseinandersetzung aus dem Jahre 1709 verwundert mich etwas. Darinnen geht es im Gebiet der heutigen Magdeburger Börde um einen 1672 geborenen Jungen, der 1709 als Bruder in der Erbauseinandersetzung folgendermaßen genannt wird: "weil er aber fast fdreyßig Jahr im Kriege außen gewesen, und vermuthlich nicht wiederkommen wird..."


    Ist es möglich, dass der Knabe mit etwa 8 Jahren in den Kriegsdienst eingetreten ist? Klar ist, dass er mit 8 Jahren nicht im kämpfenden Heer gewesen sein muss, jedoch wohlmöglich anfangs als Knecht mitzog. Spekulieren, was er machte, möchte ich nicht. Darum geht es mir nicht, das kann ich nicht belegen. Mir geht es wirklich nur darum, ob es wirklich möglich ist, mit etwa 8 Jahren mit in den Krieg gezogen zu sein. Nachtrag: Oder ob es eine Art an "Altersgrenze" zu dieser Zeit bereits gab, sodass ich davon ausgehen kann, dass "fast 30 Jahre" nicht 29 Jahre, sondern auch 24 Jahre sein können, um den "Diensteintritt" so gut wie möglich eingrenzen zu können. Ich bin in diesem Thema zu wenig belesen und kenne mich da nicht aus.


    Danke, Daniel

    [b]"Stammgast" im Kirchenarchiv sowie Stadtarchiv Magdeburg und im LHASA (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt)


    Mitglied: AGGM; AMF; GGG (NY); Volksbund; Compgen


    Meine Namensliste, interessante Geschichten rund um die Familie, sowie Biographien besonderer Vorfahren kann man meiner Homepageentnehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von _daniel_ ()

  • Hallo Daniel,
    ich weiss es auch nicht genau, hinter dem Söldnerheer zog ja alles mögliche an Leuten mit,
    darunter halt auch viele Ehefrauen (der Soldaten) mit ihren Kindern!
    ;) Gruss Jens

  • Es ist nur der Junge weg. Der Rest blieb im Dorfe. Vater, Mutter, Geschwister sind alle daheim geblieben. Es geht wirklich nur um einen etwa 8 jährigen Jungen, der irgendwie in den Dienst des Heeres kam, und somit 1709 seit fast 30 Jahren "im Kriege" war.

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  • Was Jensus sagt, habe ich auch schon gelesen. Direkt einen Fall, wo ein 8-jähriger ohne Familie als Knecht o.ä. in den Krieg zog, habe ich noch nicht gelesen.


    Aber in regelmäßigen Abständen wird eine Doku über eine Schlacht (ich meine, es wäre die Belagerung und Erstürmung von MD, kann aber auch eine andere Stadt sein) durch die Kanäle genudelt, worin auch ganz ausführlich die Lebensumstände eines Söldners des 30jährigen Krieges dargestellt werden.
    Die Ehefrauen zogen mit und haten z.T. ganz fest umrissene Aufgaben z.B. beim Plündern, was auch meist noch legal war.
    Kinder kamen auch vor, aber was mit denen war weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls wird nicht an jeder Wegkreuzung ein Heim für Söldnerkinder gestanden haben, wo die abgeliefert werden konnten, solange Papa und Mama mit metzeln und plündern beschäftigt waren.


    Warum soll dann nicht auch ein fremdes Kind darunter sein können. Viellicht war ein Onkel Chirurg o.ä. und der hat den Neffen als Gehilfen mitgenommen. Das kann durchaus eine Chance gewesen sein, und muß nicht zwangsläufig aus damaliger Sicht negetiv zu bewerten sein. Natürlich kann auch ein tragisches Schicksal dahinterstecken, aber das ist absolut nicht zwingend.


    Übrigens der Fernseh-Doku liegt ein Original-Tagebuch dieses Söldners aus dem 30jähr. Krig zugrunde, das wundersamerweise erhalten ist. Seine 1. Frau starb übrigens, und er heiratete "unterwegs" seine 2. Frau, die ihn dann in die Schlachten begleitete.
    Also das "wahre Leben" war in Wirklichkeit viel bunter, als man es aus den Geschichtsbüchern lernt.


    Das hat jezt nur indirekt etwas mit deiner Frage zu tun. Aber wenn man sich mal wirklich klar macht, was alles so zur "Normalität" gehörte damals (und heute übrigens auch), ........ dann kommt einem so manches wahrscheinlicher vor...


    viele Grüße
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Magdeburg ist am 10.05.1631 zerstört wurden, da war der Vater des kleinen Soldaten noch nicht mal geboren; der 30-jährige Krieg war auch vorbei.

    [b]"Stammgast" im Kirchenarchiv sowie Stadtarchiv Magdeburg und im LHASA (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt)


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  • ..
    Das hat jezt nur indirekt etwas mit deiner Frage zu tun. Aber wenn man sich mal wirklich klar macht, was alles so zur "Normalität" gehörte damals (und heute übrigens auch), ........ dann kommt einem so manches wahrscheinlicher vor...


    Rein rechnerisch hast du recht, und das ist auch noch ein Unterschied. Aber das Söldner(un)wesen gab es dann und dann auch noch. Was spricht denn dagegen, sich klar zu machen, daß was 1630 denkbar war, auch 100 jahre später denkbar ist.
    viele Grüße
    Gisela

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  • Hallo Daniel, wirklich verwunderlich finde ich es nicht. Das Alter könnte schon passen. Oftmals wuchsen damals Kinder mit dem Krieg auf und kannten nichts anderes. Als Trommler oder Pfeiffer, wurden auch schon und meist besonders die Jüngeren herangezogen. Ich hoffe der Link funktioniert Jungen als Trommler In Historienfilmen wie z.B. Waterloo, ist dies gut sehen. Es war also bis vor 200 Jahren noch üblich. So weit mir bekannt, kamen oftmals auch schon veramte Kinder des Adels, als Kadetten in die Armee. Dies war meist die einzige Möglichkeit, den Namen weiter zu erhalten. Grüße Maik

    "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." (Bertolt Brecht)

  • Hallo! Ich vermute ganz stark, dass der Junge in den Krieg ging und dann insgesamt 30 Jahre weg war! Soll heissen Kampfhandlung und danach, durch welche Einflüsse auch immer, irhgendwo hängen geblieben. Einigen war die Heimat nicht so wichtig und sie suchten eben anderswo ihr Glück! Ich denke das hat man nur so umschrieben... es heisst ja auch "im Krieg geblieben"! Personen die so bezeichnet wurden sind ja nicht wörtlich "im Krieg geblieben" sondern gefallen.



    Viele Grüsse :thumbsup:

  • Das kann schon stimmen, mit den 30 Jahren Krieg. Bis sich stehende Heere durchsetzten, also Berufssoldaten für ein und dasselbe Land. Waren die Soldaten in der Regel Söldner, die für den kämpften, der am meisten Geld bot. Aus den Landreiterberichten (um 1652) in Brandenburg, geht z.B. immer wieder hervor, das sich Söldner bei den kaiserlichen und den schwedischen Truppen verdingten. Da die meisten kein anderes Handwerk lernten, zogen sie auch nach einem Krieg weiter und ließen sich anwerben. Kriege gab es überall und zu jeder Zeit. Gut ausgebildete Söldner waren mit Sicherheit sehr beliebt und damit gut bezahlt. Übrigens, gegen Ende des dreißigjährigen Krieges, dienten bei den Schweden in großer Zahl Mecklenburger und Brandenburger, da die Verluste der Schweden, anders kaum noch aufzufangen waren. Sparchlich stellte dies kein Problem dar, da in Schweden zu dieser Zeit, wie im Norden Deutschlands, ein plattdeutscher Dialekt gesprochen wurde. Grüße Maik :thumbsup:

    "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." (Bertolt Brecht)

  • Vielen Dank! Meine Frage ist damit beantwortet.
    Daniel

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  • Hallo,


    Daniel hat die Frage zwar als beantwortet gekennzeichnet, aber vielleicht ein letzter Hinweis.


    Ich halte es durchaus für möglich, dass im späten 17. Jh. ein Achtjähriger als "alt genug um als Knecht zu dienen" angesehen wurde.


    Zum Vergleich (nur was das Alter angeht): Adelsfamilien des Mittelalters schickten ihre Söhne oft mit 7 Jahren zu einer anderen Adelsfamilie "in die Lehre". Die Jungs wurden zunächst Pagen und mit 14 Jahren dann Knappen und so schrittweise auf ihren "Beruf" des "Kriegshandwerks sowie gesellschaftliche Normen" eines "Ritters" vorbereitet. - Das Alter "8 Jahre" um einen (nachgeborenen) Sohn "loszuwerden" und in eine "Ausbildung" zu schicken (und wenn es die zum Söldner war) ist also durchaus realistisch.


    Dass er seit "30 Jahren im Krieg" gewesen sein soll, heißt allerdings nicht unbedingt, dass der Junge diese 30 Jahre auch tatsächlich beim Militär überlebt hat. Er war wohl nur, seitdem er mit einem Heer wegzog, für seine Familie unerreichbar und hat sich wohl auch nicht mehr gemeldet. Er kann daher also schon kurze Zeit späte verstorben oder sich im Laufe der Zeit irgendwo anders niedergelassen haben.


    Nur mal so.


    VG
    Bärbel