Urkunde mit drei Kreuzen...

  • Auf einer standesamtlichen Urkunde von 1881 habe ich einen recht interessanten Eintrag gefunden:


    Der Mann konnte nicht schreiben. Daher hat er nur mit seinem "Zeichen" unterschrieben.


    Der Wortlaut der Urkunde lautet: "Wegen angeblicher Schreibensunkunde mit seinem Handzeichen verfahren".


    Was meint ihr? Eher Ausnahme oder für die Zeit normal?
    Wer hat soetwas auch schon mal gesehen?


    Gruß Benny

  • Hallo Benny,


    das habe ich in den Kirchenbüchern nur ab und zu entdeckt - hier also eher die Ausnahme. In den Mairie-Akten aus der Franzosenzeit (so eine Art Ur-Standesamt-Akten) um etwa 1810 findet man das häufiger, denn dort mußten Sterbefälle angezeigt und von den anzeigenden Personen unterschrieben werden. Häufig hat dann der District-Kommandeur oder ein Pfarrer den Namen danebengeschrieben.


    Auf alten Urkunden (z.B. Testamente etc.) in den Staatsarchiven entdeckt man auch häufig Personen, die nicht lesen und schreiben konnten. In der Regel waren das Tagelöhner bzw. Knechte und Mägde, die bei den Großbauern gearbeitet haben. Die Großbauern hatten absolut kein Interesse an "Lesekundigen", denn diese waren nicht so leicht auszubeuten.


    Gruß Leonhard

  • Hallo Benny,


    das kommt bei mir in dieser Zeit auf vielen Urkunden vor, allerdings eher für die weiblichen "Teilnehmer".


    Um diese Zeit war es besonders in den ländlichen Gegenden nicht ganz einfach, Lesen und Schreiben zu lernen, die Arbeitskraft, auch die eines
    jungen Menschen, wurde oftmals gebraucht, um den Lebensunterhalt zu sichern. Schulen waren zwar vorhanden, aber längst nicht jeder konnte seine Kinder auch zur Schule schicken.


    (aber auch Legasteniker dürfte es zu allen Zeiten gegeben haben)


    Gruß Marlies

  • So mancher Vorfahr konnte schreiben.
    Aber nur seinen Namen.


    Desöfteren habe ich habe ich entsprechende Hinweise gefunden.


    Bedenkt man, daß man auch heute noch einigermaßen ohne diese Fähigkeit über die Runden kommt, so dürfte dies vor 100, 200, 300 Jahren noch weitaus weniger relevant gewesen sein.


    Betrachte ich, z.B., unseren Jüngsten (7), er liest und schreibt völlig mühelos und souverän "Anna malt Tino", so kann das wirklich kein Problem sein.
    Immerhin beherrscht er seinen Rechner, im Rahmen seiner Anforderungen, vollständig, geht in öffentlichen Gebäuden zum `Eingang´ rein und zum `Ausgang´ raus, nutzt ohne Anleitung die richtige Straßenbahn und erkennt Papi´s Auto, wie auch immer, am Nummernschild.


    Ganz offensichtlich kann der Mensch von Geburt Fährtenlesen.
    Das Erinnern eines Bildes genügt.

  • Hallo Benny,


    ich habe Akten gesehen aus dem 19. Jahrhundert über Landverhandlungen zwischen den Bauern eines Dorfes und dem Grundbesitzer ( Wer darf welches Land zu welchen Bedingungen bearbeiten ? ). Der Pastor war als Protokollführer dabei. Zum Schluß wurde das Ergebnis der Verhandlungen von allen "unterschrieben". Zuerst der Grundbesitzer mit seinem Namen, dann folgt eine lange Liste von jeweils drei Kreuzen und der Pastor hat immer danebengeschrieben "bedeutet Hans Meier, "bedeutet Hans Schulz" etc.


    Gruß,
    Dieter

  • Das "Phänomen" mit den "XXX" taucht bei mir auch in einigen Urkunden (hauptsächliche Heiratseinträge) auf. Und meistens betrifft es wirklich nur die weibliche Seite. Allerdings habe ich auch einen Heiratseintrag von 1879, bei der neben der Braut auch die beiden männlichen Trauzeugen die Urkunde jeweils mit "XXX" unterzeichneten !!

  • Zitat

    Original von Claus J.Billet
    Soweit mir bekannt, deutet der Hinweis mit den drei "XXX" auf
    eine unleserliche Unterschrift (Nicht zu Identifizieren)


    Da bist Du falsch informiert. Die Brautleute und Trauzeugen mussten in Anwesenheit des Standesbeamten den Eintrag unterzeichnen.


    Wenn Deine Aussage stimmen würde, würden bei meiner erwähnten Urkunde mit den 3x "XXX" die "X" alle gleich aussehen. Aber sie sehen jeweils anders aus, was auf drei des Schreibens nicht fähiger Unterzeichner hindeutet.

  • Hallo,
    :banana:
    ich habe auch bei einer Urkunde von 1883, allerdings nur 1 Kreuz, daneben steht,: Des Schreibens unkundig und der Standesamte hat den Namen daneben geschrieben.
    :dogrun:
    Viele Grüße
    Gudrun


    :computer:

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  • Hallo :D,
    Ich habe in den Judenmatrikeln von Langen zwischen 1828 und 1874 öfters XXX gefunden. Nebenan hat dann der Bürgermeister geschrieben> Handzeichen der E... J....< .


    Die Gute war Hebamme und hat zu dieser Zeit fast alle Kinder zur Welt gebracht und zu ihrem Job gehörte die Meldung beim Bürgermeister. Nur unterschreiben konnte Sie nicht. Zu dieser Zeit konnten die meisten männl. oder weibl. zumindest ihren Namen schreiben. Ob sie auch lesen konnten was sie unterschrieben ist nicht bekannt, aber es ist Ihnen warscheinlich noch mal vorgelesen worden.
    Gruß Petra HK