Was kostete in München ein Studium um 1888/90?

  • Hallo liebe Mitforscher,


    meine Urgroßeltern hatten 4 Kinder. Der Urgroßvater war Schuster/Postbote, Poststellenhalter? in Zell/Pfalz. Wegen einer Kriegsverletzung erhielt er auch eine kleine Rente. Damit war ein regelmäßiges Einkommen gesichert.


    Zwei Söhne studierten. Einer wurde Oberlehrer, der andere Pfarrer. Der Pfarrer studierte in München. Es fielen somit auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung an. Wo der Oberlehrer studierte weiß ich nicht.


    Ein Mädchen heiratete, das andere führte dem Bruder den Haushalt.


    Wer hat eine Ahnung was ein Studium in dieser Zeit kostete? Wie groß war die Belastung für die Familie? Wer hat dazu eine Meinung?


    Jetzt schon vielen Dank für Eure Meinungen!


    Gruß Hedi

  • Hallo Hedi,


    den Preisindex für 1888/90 habe ich nicht; ich kann mir aber denken, dass es auch damals so eine Art Stipendium gegeben hat. Begabte Kinder zu fördern, war auch ein Anliegen der Obrigkeit.


    In meiner Vorfahrenlinie gibt es auch zwei Ahnen, die Lehrer geworden sind und aus einfachen Verhältnissen stammen. Dabei haben sich die Eltern sicher auch bemüht, den Kindern eine "bessere Zukunft" zu ermöglichen, und auf vieles selber verzichtet. Die Berufe Lehrer und Pfarrer waren ja auch sehr angesehen und ein bißchen "Glanz" ging auch an die Eltern zurück.


    Eine kleine Chronik der Lebenshaltungskosten 1820:


    Eine Heimarbeiterin verdiente 15 Taler im Jahr. Das reichte für einen Erwachsenen zum Sattessen. Die Miete kostete 8 Taler, Feuer und Licht 7 Taler. Um die Kinder durchzubringen, musste die städtische Armenkasse noch rund 50 Taler geben.


    Das ist zwar weit weg von 1888, aber einen kleinen Einblick gibt es doch.


    Viele Grüße, Ursula

    Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Ich gieß Wasser zur Suppe und heiß alle willkommen.


    Viele Grüße, Ursula

  • Hallo Hedi,


    keine konkrete Antwort auf Deine Frage, nur ein paar Denkanstöße.


    Ich meine, dass auf Gymnasien in kirchlicher Trägerschaft intelligente Jungen aus armen Familien besonders gefördert wurden - schon mit dem Ziel, die Laufbahn des Pfarrers aufzuzeigen.


    Vielleicht helfen Dir prominente Beispiele wie z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Kneipp, der ebenfalls aus ärmlichen Verhältnis kam.


    Vielleicht hat der Oberlehrer auch erst eine theologische Laufbahn angestrebt, aber gemerkt, dass Pfarrer nicht seine Berufung ist...


    Viele Grüße,
    Simone

  • Wo der Oberlehrer studierte weiß ich nicht.


    Falls er überhaupt studiert hat.
    Volksschullehrer beispielsweise mussten bis 1919 kein Abitur haben. In vielen Regionen mussten die Lehrer davor sozusagen in die Lehre gehen und nach zwei bis drei Jahren eine Prüfung ablegen. Davor gab es meines Wissens keine spezifische Lehrerausbildung.


    Viele Grüße,
    Rossi

  • Hallo Hedi,
    den einzigen Rat den ich Dir geben kann ist, gehe zu einer Kirche in Deiner nähe und frag dort einfach mal nach.
    LG Doreen

    "Wissen ist Macht" (Heinrich Barth März 1850)
    Nüscht wissn, macht aba ooch nüscht! (der Berliner)
    Je mehr man weiß, desto weniger weiß man nichts! (Ich)

  • Hallo Doreen, Rossi, Simone und Ursula,


    Danke für eure Hinweise und Informationen. Haben mir ein Stück weitergeholfen. Sicherlich hat die Kirche begabte und kluge Kinder gefördert. Auch heute gibt es noch Priesterseminare. Dass aber Volksschullehrer bis 1919 kein Abitur brauchten war mir neu.


    Liebe Grüße
    Hedi

  • Grüß dich Hedi,


    die Frage wie viel ein Studium damals gekostet hat (bzw. heute kostet) lässt sich meiner Meinung nach allgemein/pauschal nicht beantworten. Bieten kann ich dir folgendes Beispiel, welches dir vielleicht als Anhaltspunkt dienen kann:


    Mein Ur-Urgroßvater, Jahrgang 1868, Sohn eines Prokuristen, hat vom Wi.Sem. 1887/88 bis zum So.Sem. 1891 an der k. b. Universität München Rechtswissenschaften studiert und ist anschließend im November 1891 als Rechtspraktikant in den k. b. Justizdienst eingetreten. Folgende Honorarbeträge hat er bezahlt (Sem.weise zusammengefasst):


    Wintersemester 1887/88 57,70 Mark
    Sommersemester 1888 51,90 Mark
    Wintersemester 1888/89 40,80 Mark
    Sommersemester 1889 48,– Mark
    Wintersemester 1889/90 50,40 Mark
    Sommersemester 1890 38,40 Mark
    Wintersemester 1890/91 24,00 Mark
    Sommersemester 1891 36,40 Mark


    Zum Vergleich: Wie viel er als (geprüfter) Rechtspraktikant verdient hat geht aus seiner Personalakte nicht hervor. Als erste Gehaltsangabe wird im Jahr 1897 für seine Tätigkeit als Sekretär an einem Amtsgericht ein Jahresgehalt von 1890 Mark genannt.


    Viele Grüße,
    Gregoriwitsch


    P.S. Zwar keine Zahlen, aber ein Anhalt: Mein Ur-Ur-Urgroßvater (1826-1895) war Goldschmiedemeister in einer kleinen oberbayerischen Stadt. Von seinen vier Söhnen haben drei an k.b. Univ. München studiert, der vierte ist Goldschmiedemeister geworden/geblieben.

  • Hallo Gregoriwitsch,


    Was heißt Honorarbeiträge in diesem Fall? Mußte Dein Ur-Urgroßvater für einzelne Vorlesungen bezahlen? Und was mußte man für Kost und Logie damals bezahlen?


    Mein Urgroßvater war ein einfacher Mann und dessen Vater ein Ackersmann oder Kleinbauer würde man heute sagen.


    So langsam bekomme ich eine Vorstellung wie teuer das Leben damals war.


    Meine Mutter (Jahrgang 1912) wollte Lehrerin werden. Für das Schulgeld hätte damals ihr Vater sein Monatsgehalt hinlegen müssen. Er arbeitete in der Zigarrenfabrik. Und es waren noch 3 kleinere Kinder da. Man hätte ihr bei sehr guten Noten das Schulgeld erlassen. Aber darauf ließ sich mein Großvater nicht ein.


    Danke und liebe Grüße


    Hedi

  • Richtig, mein Ur-Urgroßvater musste für jede Vorlesung Honorarbeiträge an die jeweiligen Dozenten bezahlen (pro Semester, nicht pro Einzel-Sitzung!) Hörergelder gab es übrigens noch bis 1970.

  • Hallo,
    von meinem Großonkel, welcher ebenfalls auf der Ludwig-Maximillians-Universität in München studiert hatte, ist mir auch noch bekannt wie viel er für die jeweiligen Semester zu zahlen hatte. Für das Wintersemester 1910/1911 bezahlte er für neun Lesungen, 25 Wochenstunden einen betrag von 89,50 Mark. Dazu kam natürlich noch Verpfelgung und Unterkunft, welche in München schon zu damaliger Zeit nicht sehr niedrig war. Wenn dein Großonkel Theologie studierte, kann es auch möglich sein das er in einem Studentenhaus für Kandidaten des Priesteramtes unterkam. Eines davon lag in der nähe der Wohnung welche mein Großonkel bewohnte, damals in der Georgenstraße.
    Das Privileg zu studieren war wiegesagt nicht jedem gegeben, entweder durch wohlhabende Eltern oder durch Förderer konnte ein Studium zustande kommen. Mein Großonkel stammte aus begüterten Verhältnissen (Vater war Schmiedemeister, Gutsbesitzer und Abgeordneter), bei welchem schließlich die Eltern für das Studium aufkamen. Im Falle eines verarmten Vetters meines Großvaters kam damals die Stiftung meiner Ururgroßeltern für bedürftige Familienmitglieder in die Position des Förderers.
    Du könntest auch bei der Universität in München nach den Belegblättern deines Großonkels nachfragen. Ich habe an der LMU die Kopien der Belegblätter machen lassen. Diese werden sicherlich auch noch weitere Informationen dazu haben. Ich gehe einmal davon aus, das es bestimmt noch erhaltene Schriftstücke gibt, falls z.B. die Kirche als Förderer eines Studenten auftrat.


    Viel Erfolg!
    Peter

    Dauersuche :computer:


    Tobisch, Schuh, Pulz, Wagner, Halbhuber, Orgelmeister, Hergl und Kral in Böhmen
    Hoferer,Riederer, Meier, Hofherr und Seidl in Bayern


    Viele Grüße Peter

  • Danke für Eure Hilfe und Tipps. Übrigens gibt es heute noch Semestergebühren!


    Hat eigentlich jemand behauptet, daß Ahnenforschung keine Arbeit macht? ;) Und wer macht die Zeit dazu?


    Schönen Abend wünsche ich noch.


    Gruß Hedi