Ist das nicht traurig?

  • Hallo Zusammen,


    früher schon, wenn ich durch den Friedhof spazierte, fielen mir oft auf, wie jung doch manche Kinder gestorben sind. Lange Zeit stand eine Tante von mir - die nicht mal 24 h alt wurde - auf dem Familiengrabstein. Der musste erneuert werden und jetzt steht sie nicht mehr drauf. Als wenn sie nie gelebt hätte! Als wenn sie nicht existiert hätte! Ich finde das traurig, auch so einen kleinen Menschen "auszuradieren".


    Und wenn ich jetzt so Gräber sehe, wo die Kinder draufstehen, muss ich oft an mein "Tantchen" Zenzi denken.


    LG, Doschek

  • Hm, so viele Menschen sterben tagtäglich aus den verschiedensten Gründen, die nicht mal ein Grab bekommen.
    Auch wir werden irgendwann "vergessen". ;) Das ist einfach der Lauf der Dinge.


    VG
    Jutta




    „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“


    Antoine de Saint-Exupéry ( Der Kleine Prinz)

  • Hallo, Ich spreche mal für mich, ich selbst bräuchte keinen grabstein, solange ich lebe habe ich die verstorbenen familienangehörigen im herzen und bin in gedanken oft bei ihnen, hab gestern erst wieder ein grab gesehen von einer dame die ich durch den vdk kannte, sie war immer fleissig und hat ihren einzigen sohn sehr unterstützt, jetzt da sie drei jahre verstorben ist, ist das haus verkauft, der sohn hat als beamter genug geld aber was ist mit dem grab ? eine holzumrandung, das holzkreuz von der beerdigung und wilde blume, das ist der dank und sowas finde ich traurig, auch wenn der jenige an seine mutter denkt eine anständige grabstätte hätte sie mehr als verdient. liebe grüsse, peter

  • Ich schließe mich an: auch mir geht es nahe, wenn ich sehe, dass wieder ein Grabstein verschwindet und damit das Gegenken an diese Person.


    24 Stunden- noch nicht einmal angekommen in dieser Welt und schon wieder verschwunden. Und doch war es den Eltern wichtig, zu zeigen: wir haben uns auf dieses Kind gefreut und haben es geliebt. Auch wenn nur eine kurze gemeinsame Zeit beschieden war.


    Was viele vergessen, die eine anonyme Bestattung wollen- das die Nachgebliebenen einen Ort der Trauer brauchen, der außerhalb des alltäglichen Lebens liegt. Eine Wiese ist sicher ein romantischer Gedanke. Da der Mensch aber mehr am Haben, denn man Sein interessiert ist, sucht er den ganz besonderen Platz, der nur dem eigenen Vorfahren gehört und niemand anderem.


    Btw.- ich möchte wilde Blumen. Es gab so eine schöne Sommerblumenmischung mit Klatschmohn und Kornblume. Die wäre mein absoluter Favorit. Ich bezweifele allerdings, dass dies erlaubt wird von den ordnungsliebenden Friedhofsgängern. Ist ja eigentlich Unkraut.


    Elisabeth Gertrud

  • Hallo Peter,


    ich glaub, ich bin wohl ein bisschen noch gezeichnet, wenn verstorbene Kinder "übergangen" werden. Bei Erwachsenen hab ich das Problem nicht. Thema kam schon mal in der Psychotherapie dran, aber manchmal sind Narben in einem anderen Licht doch wieder sichtbar. :(


    Kann mich furchtbar aufregen, wenn Totgeburten unter 500 g nicht als Beerdigungswürdig gehalten werden. Obwohl sich da in den letzten Jahren schon sehr viel getan wurde. Kam mal ein Bericht im TV: ein Frühchen <500 g wurde per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und mit entsprechender Technik gelang es, es am Leben zu erhalten (sogar ohne gesundheitliche Schäden). Und woanders stirbt ein Embryo aufgrund einer Gebärmutterinsuffizienz - und man hätte es auch unter denselben Bedingungen schon bevor es stirbt holen können. ;( Und hat dann zur Auswahl: das Baby in der Klinik zur "Entsorgung" lassen oder, wer eigenen Garten hat, zur Beerdigung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen, daheim zu beerdigen. Weil es keinen Rechtsanspruch auf ein Grab auf dem Friedhof hat.


    Sorry für meine "Entgleisung".


    LG, Doschek

  • Liebe(r) Doschek,


    du siehst wie wichtig das Grabsteinprojekt ist. Wäre der Grabstein frühzeitig aufgenommen worden und eingetragen im Projekt, wäre er jetzt "für die Ewigkeit" im weltweiten Netz und niemand hätte einen Namen verschwinden lassen können.


    Viele Grüße
    Günter

  • Die vielen toten Kinder haben mich immer sehr berührt. Darum habe ich beim Erfassen der alten Standesamtsnachrichten meines Heimatortes immer das Gefühl gehabt, dass ich ihnen so noch einmal eine Erinnerung zukommen lasse.
    Traurig ist, dass in manchen Familien jüngere Kinder gar nicht mehr wussten, dass sie ältere Geschwister gehabt hatten. Mein Mann hat bei seinen Forschungen festgestellt, dass seine Großeltern mehr Geschwister gehabt hatten, als später bekannt waren. Auch in meiner Familie habe ich einen jüngeren Bruder eines Urgroßvaters gefunden, der vermutlich jung gestorben ist, weil er später nie mehr vorkam. Ein Großonkel von mir, der als Genealoge auch seine Familie erforschte, hat seine als Baby gestorbenen Halbgeschwister aus der ersten Ehe seines Vaters gar nicht erfasst, seine toten Vollgeschwister aber erwähnt...Mein Urgroßvater hatte insgesamt 15 Kinder, von denen 5 gestorben sind.

  • In meiner Familie gibt es auch ein Rätsel.
    Von meinem Onkel bekam ich ein Kinderbild meines Großvaters. Auf dem Bild sind meine Urgroßeltern mit ihren Kindern zu sehen. Auf dem Schoß meines Urgroßvaters sitzt ein etwa 10 jähriges Mädchen. Auf Grund der Aufnahme gehe ich davon aus, daß es sich nicht um ein Nachbarkind, sondern um eine Schwester meines Großvaters handelt, die in der Familie nie erwähnt wurde. Nicht mal mein Onkel wusste, wer dieses Mädchen ist.
    Ich habe noch ein weiteres Bild, auf der sie abgebildet ist. Da war sie etwa 14 oder 15.
    Klar, daß ich irgendwann versuchen werde, herauszufinden wer sie war.


    VG
    Jutta

  • Ich habe in meiner Ahnenreihe eine Familie bei der die Kinder, bis auf eines, alle innerhalb einer Woche sterben. Vielleicht sieht man so ein Ereignis als Mutter anders. Man ahnt um den Schmerz, den diese Familie erlitten hat. Mein Mann und meine Kinder sehen das ganz pragmatisch: das war früher halt so. Deswegen gab es ja auch mehr Kinder. Vielleicht hat man damals wirklich anders gedacht über den Tod von Kindern. Der Tod war ja auch net so fremd wie heute. Werden und Vergehen gehörten zum alltäglichen Leben.


    Elisabeth Gertrud

  • Ja, vielleicht sehen wir als Mütter das anders. Jedes dieser toten Kinder ist ja nch neunmonatiger Schwangerschaft letztlich unter Lebensgefahr geboren worden, da ja zur Kindersterblichkeit auch noch eine hohe Sterblichkeit der Mütter kam. Es stimmt, dass so viele Kinder geboren werden mussten, damit hinterher ein paar übrigblieben - aber für die Mütter war es vermutlich trotzdem schlimm, vor allem wenn, wie oben geschrieben, gleich mehrere Kinder der Familie einer Seuche (z.B. Diphterie) zum Opfer fielen. Ich habe viele Beispiele dazu.

  • Zitat

    Vielleicht hat man damals wirklich anders gedacht über den Tod von Kindern.


    Damit lässt sich wahrscheinlich auch klären, warum eine Tochter nach dem Tod ihres älteren Schwesterchens deren Vornamen bekam. Während für uns jedes Kind seinen eigenen Namen bekommt - also als individuell gilt, galt es wohl damals, dass unbedingt der Vorname der Mutter, Schwester, Tante, Oma (bei Buben natürlich genauso) weitergegeben vorkamen mussten. Also einfach nur "Ersatz" war.


    Wenn's der Adel schon vormacht: die Linie von Bayern, die ich kenn, hatte der erste Sohn immer den Namen des Großvaters: Luitpold, Ludwig, Luitpold ... Weswg. die Könige von Bayern auch immer nur so hießen (also ich kenn bloß die Linie, die in Bayern Könige waren, wie das bei den anderen Wittelsbachern war, weiß ich nicht.) Bin ja gespannt, ob der jetzige Ludwig die Tradition fortsetzt - Freundin hat er glaub ich schon. ;)


    LG, Doschek

  • hallo ihr beiden, ich muss wieder mal meinen senf dazu geben, ich kann euch beide verstehn aber teilweise kann ich euch nicht recht geben, natürlich ist es schlimm wenn man ein kind zu lebzeiten verliert aber die menschen damals konnten und mussten mit dem tod umgehen und viele kinder wurden nicht bewusst in die welt gesetzt. wenn es damals verhütung gegeben hätte wären sicherlich nicht so viele geboren worden. aber der umgang mit dem tod war eben ein anderer als heute, tod gehört zum leben, wir heute können das wohl nicht mehr oder nicht ganz. denkt nur daran dass es noch nicht so lange her ist das tote in der wohnung drei tage aufgebahrt waren und sie selbst und jeder abschied nehmen konnte, es ist heute verboten und viele sterben in der anymität, ist traurig aber es ist so. habe auch mehrere kinder der vorfahren die an an scharlachfieber verstorben sind, hatte eine schwester die als kleines kind gestorben ist und meine kleine schwester bekam den gleichen vornahmen, warum nicht. und früher wurden auch kranke kinder nicht künstlich am leben gehalten wie es heute üblich ist, man darf nicht vergessen dass es immer noch ein teil der natur ist. warum setzen afrikaner oder andere völker kinder in die welt ohne rücksicht auf sterben, sie wissen sie können sie nicht ernähren aber sie tun es. also ihr lieben, man muss verstehen dass damals die ansicht eine andere war als heute, ich hoffe es trifft euch nicht zu tief aber es ist meine meinung, lieber gruss, peter

  • Ratio trifft Emotio. Ich denke auch, dass unsere Urahnen ganz anders mit dem Tod umgingen. Aber hier ging es ja um unsere Gefühle. Uns berührt es halt, wenn man liest, dass so viele Kinder- z.T. schon nach wenigen Stunden- starben. Unsere Urahnen dürften Trost im Glauben gefunden haben. Das fehlt uns mittlerweile. Vielleicht liegt hier die Ursache für unser ungewöhnliche Reaktion.


    Elisabeth Gertrud

  • denkt nur daran dass es noch nicht so lange her ist das tote in der wohnung drei tage aufgebahrt waren und sie selbst und jeder abschied nehmen konnte, es ist heute verboten


    Hallo zusammen,


    das ist absolut nicht verboten - zumindest nicht in NRW.


    Ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen
    vom 7. 8. / 20. 10. 1980 (GVBl. S. 756 und 919),
    geändert durch Verordnung vom 6. 11. 1984 (GVBl. S. 670).


    Auf Grund des § 26 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 1980 (GV. NW. S. 528) wird im Benehmen mit dem Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen verordnet:


    § 4 (1) Jede Leiche muß innerhalb von 120 Stunden, sie darf jedoch nicht vor Ablauf von 48 Stunden nach dem Tode bestattet werden.


    § 7 (1) Jede Leiche ist spätestens 36 Stunden nach dem Tode, jedoch nicht vor Ausstellung der ärztlichen Totenbescheinigung, in einer Leichenhalle zu überführen. Auf Antrag eines Angehörigen (§ 2 Abs. 1) kann die örtliche Ordnungsbehörde die Aufbewahrung der Leiche im Sterbehaus oder an anderer Stelle genehmigen, wenn durch ärztliches Zeugnis bescheinigt wird, daß Bedenken hiergegen nicht bestehen.

  • Darum habe ich beim Erfassen der alten Standesamtsnachrichten meines Heimatortes immer das Gefühl gehabt, dass ich ihnen so noch einmal eine Erinnerung zukommen lasse.


    Ich arbeite am Grabstein-Projekt mit und genau so geht es mir auch. Kindergräber gehen einem immer nah. Dann die ganzen vergessenen, völlig überwucherten Grabsteine, die keinen mehr interessieren...


    Oder wenn die Gräber eingeebnet werden und die Friedhofsgärtner die Metallbuchstaben und -ziffern mit der Spitzhacke abhauen... Dann bin ich froh, dass ich ein Foto im Kasten habe. Ich gäbe etwas dafür, Fotos der Grabsteine der alten Familiengruften meiner Vorfahren zu haben.


    Ich bin jedenfalls immer ziemlich geerdet, wenn ich von einem Friedhofsbesuch zurück komme.

  • Hm....
    Warum denkt ihr darüber nach was unsere Ahnen empfunden haben ?
    Wir wissen es nicht und ich würde mir nie anmaßen eine Antwort finden zu wollen.


    Warum nicht? Es ist ein Versuch, die Menschen und ihr Leben jenseits der puren Namen und Daten zu erfassen. Warum gehen wir in Museen und schauen uns an, wie die Menschen vor 200 Jahren gelebt haben? Warum graben wir die Ruinen der alten Römer aus? Warum erforschen die Historiker, warum junge Männer 1914 so begeistert in den Krieg zogen? Warum malt der Mensch Bilder und haut Skulpturen aus Stein?

  • Ich besitze jedenfalls Aufzeichnungen eines Vorfahren, der um 1720 mehrmals etwas zur Geburt und zum Tod seiner Kinder schreibt. Von seinen 6 Kindern hat nur ein Sohn überlebt. Der Tod der Kinder ist ihm eindeutig sehr nahe gegangen und man hat den Eindruck, dass es meinem Ahn nur über den Glauben möglich war, damit fertig zu werden.

  • Sich mit den Gefühlen bei dem Tod eines nahen Menschen zu beschäftigen passt nicht so recht in unsere Zeit. Trauer reduziert die Leistungsfähigkeit. Nicht gut in einer Gesellschaft, in der nur der Leistungsfähige Mensch etwas zählt.


    Im aktuellen DSM-V- einem Buch, dass die psychischen Erkrankungen beschreibt- wird angeblich eine Trauer, die länger als 3 Monate anhält, als krankhaft angesehen. Wenn ich mir überlege, dass unsere Ahnen von einem Trauerjahr sprachen, sagt es genug über unsere Einstellung.


    Btw.- ist es nicht die Fähigkeit zum Mitfühlen eine Eigenschaft, die dem Menschen eigen ist. Mitfühlen bedeutet ja nicht Mitleiden.


    Elisabeth Gertrud