Gibt es Atlanten oder andere Bücher, die sich mit den Wegen beschäftigen, die von Truppen des 30jährigen Krieges zurückgelegt wurden?

  • Hallo allerseits,


    ich suche seit einiger Zeit - bislang leider vergeblich - nach Atlanten oder anderen Büchern, die sich gezielt mit den Wegen (und evtl. darüber hinaus mit der Rekutierung) von Truppen während des 30jährigen Krieges in Deutschland beschäftigen.


    Hintergrund meiner Suche: ich weiß von mehreren Vorfahren, dass sie während des 30jährigen Krieges als Söldner unterwegs waren. Bei einigen anderen habe ich zumindest starke Verdachtsgründe (einzelnes Vorkommen des Familiennamens weitab von der sonstigen Verbreitung des Namens, teils in Verbindung mit "verdächtigen" Berufen, wie z. B. "Bader".
    Wenn ich nachvollziehen könnte, mit welchen Truppen sie am wahrscheinlichsten ins Land gekommen sind, ließen sich mit etwas Glück weitere Archivalien auftun, aus denen evtl. mehr über ihre Vorgeschichte hervorgehen könnte.


    Grüße!

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Danke für die Links!


    Der Link zu "Heimat und Welt" gibt auf jeden Fall zumindest grob das wieder, was ich suche. Ideal wäre für mich, etwas vergleichbares in deutlich detaillierterer Form (mit möglichst großer Kartengenauigkeit, evtl. in getrennten Karten zu verschiedenen Feldzügen, mit Angabe nach Möglichkeit auch von Streifzügen und Besetzungen, die von kleineren Truppeneinheiten vorgenommen wurden) zu finden. Von besonderem Interesse sind für mich eigentlich alle Einheiten, die sich zumindest zeitweise in Nordthüringen, in der Region Wolfenbüttel-Halberstadt-Magdeburg und/oder in der Grafschaft Ruppin aufgehalten haben oder im Mansfeldischen rekrutiert bzw. abgemustert wurden; Idealerweise mit zumindest annähernden Zeitangaben, der Angabe der jeweiligen Truppenführer.


    Bei all diesen Truppen wäre für mich aus naheligenden Gründen auch ihr Haupt-Rekutierungsgebiet samt ihren sonstigen Einsatzgebieten ebenfalls von Interesse. Deshalb wäre mir tatsächlich am ehesten mit einem kompletten themenbezogenen Atlas gedient, weil einzelne Karten kaum so detailliert sein können, wie ich es brauchen könnte. Interessant wäre es für mich abgesehen davon, dass ich mit etwas Glück mehr über unmittelbar am Krieg beteiligte Vorfahren erfahren könnte, auch, zu erfahren, ob Truppen, die in ein bestimmtes Gebiet gekommen sind, sich vorher eher "zivilisiert" oder "unzivilisiert" verhalten haben und zu welchen Zeiten meine jeweils ortsansässigen Vorfahren einigermaßen sicher waren bzw. wann Flucht die bessere Option gewesen wäre. In einem konkreten Fall habe ich mehrere Berichte eines meiner direken Vorfahren bzw. von seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten über Plünderungen, Besetzungen und Contributionsforderungen, die ich gerne in einen größeren Zusammenhang einordnen würde, zumal ich Anlaß zu der Vermutung habe, dass seine spätere Geliebte (meine Vorfahrin) zwischen 1632 und 1634 als Flüchtling zu ihm gekommen ist...


    Um noch mehr ins Detail zu gehen:


    1. einer meiner Vorfahren, der in der Grafschaft Hohnstein (am südlichen Harzrand) ansässig war, dürfte im 30jährigen Krieg Unteroffizier gewesen sein. Sein Familienname kommt sonst in der Region ncht vor (Schwerpunkt des Vorkommens ist das westfälische Rheinland); ein anderer Offizier gleichen Namens musste sich aber im Jahre 1617 in Wolfenbüttel wegen Totschlags verantworten.


    2. ein anderer meiner Vorfahren in der Mansfelder Region (in einer Gegend, in der sein Nachname auch sonst schon zu seiner Zeit gelegentlich vorkommt) wird in den Kirchenbüchern nach Ende des 30jährigen Krieges as ehemaliger Soldat bezeichnet.


    3. einer meiner Vorfahren in der Region Halberstadt war Bader mit einer aufgrund des Namens wahrscheinlichen Herkunft aus Oberbayern; ein anderer in der gleichen Region kam nach dem Krieg als Katholik aus dem protestantischen Fürstentum Württemberg ins Land.


    4. mein im Vortext genannter Vorfahre (der Deutschordenscomtur Arndt v. Sandow) war in mehrfacher Weise direkt vom Krieg betroffen: als Augenzeuge, als Unterhändler, als Zahler von Contributionen, als Flüchtling, als Opfer von Plünderungen. In diesen Fällen sind zumindest teilweise die Namen der Heerführer und einzelner Unterführer bekannt, aber mich würden jeweils die größeren regionalgeschichtlichen Zusammenhänge interessieren.


    5. einer meiner Vorfahren wurde nachweislich während des Krieges in Nordthüringen von plündernden Reitern erschossen.


    6. von einem Ort, in dem Vorfahren von mir gelebt haben, ist aufgrund von Kirchenbucheintragungen bekannt, dass die Einwohner mehrfach vor Plünderern in ein Sumpfgebiet flüchten mussten.


    7. in einem Ort, in der Magdeburger Börde, in dem zumindest später Vorfahren von mir gelebt haben, sollen angeblich Einwohner Plünderern aktiven Widerstand endgegengesetzt haben. Im Rahmen einer Strafexpedition soll die gesamte männliche Einwohnerschaft des Ortes ermordet worden sein. Leider fehlt mir für diese Aktion bisher ein sicherer Beleg.


    8. mindestens ein Rittergut meiner adligen Vorfahrenfamilien in der Grafschaft Ruppin wurde von marodierenden Truppen (in diesem Fall ist es immerhin bekannt, um welche Truppen es sich genau handelte) während des Krieges geplündert, möglicherweise sogar niedergebrannt.


    Daher mein derart detailliertes Interesse...

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  • 7. in einem Ort, in der Magdeburger Börde, in dem zumindest später Vorfahren von mir gelebt haben, sollen angeblich Einwohner Plünderern aktiven Widerstand endgegengesetzt haben. Im Rahmen einer Strafexpedition soll die gesamte männliche Einwohnerschaft des Ortes ermordet worden sein. Leider fehlt mir für diese Aktion bisher ein sicherer Beleg.


    Hallo,


    ich habe unlängst in einem KB aus dem Umkreis Tepl/Sudetenland einen Sterbeeintrag gelesen, der ungefähr so lautete: "... es starb mit über 80 Jahren und fast blind, der xy, der als junger Mann bei der Plünderung Magdeburgs dabei war und geholfen hat, den Altar des heiligen (weiß ich nicht mehr) wieder zurück nach Prag zu transportieren".


    Sollte mir der Eintrag noch mal auffallen, stelle ich den Eintrag hier ein. Es war glaube ich auch eine Jahreszahl genannt.


    Assi


    Und was ich nicht ändern kann, da bleibe ich weiter dran... (Herbert Grönemeyer)

  • Hallo Giacomo-Marco,


    Dir ist sicherlich bekannt, dass es ein Original-Zeitzeugnis Tagebuch eines einfachen Soldaten gibt, welches mit einigen (groben) Karten über die Züge der Heereshaufen und geschichtliche Anmerkungen garniert ist. Das habe ich bereits 3x über die Fernleihe bestellt und immer wieder verschlungen, obwohl ich nicht so unmittelbar in der Familie betroffen bin wie Du.


    Wir haben nur einige Schwager "die von den Kroaten weggeführt wurden" und einige junge Herren, die sich aus Ost- und Südostdeutschland kommend, im "verdächtigen Zeitraum" nach den Heerzügen im Harzvorland bis Elbe-Saale-Dreieck niederliessen.

    Gruss


    Hedwig-Pauline


    Dauersuche:


    FENNER in Tlukawy/Hermstal/Wischin (Posen)


    STIEWITZ aus "Strelen" in der "Niederlauselitz" (17. Jht.)


    SCHÖNBORN aus "Rotenburg"/Neisse (18. Jht)


    EICHEL aus Rostock (17. Jht.)


    OSTERKAMP aus Hausbergen/Minden (17. Jht)

  • Hallo aus Kiel,
    sofern ich richtig informiert bin, gibt es leider kein Gesamtwerk über die genauen Truppenverläufe des 30jährigen Krieges. Das Problem an der Darstellung ist der Tatsache geschuldet, dass es, im Vergleich zu anderen Auseinandersetzungen, relativ wenig große Schlachten, dafür aber tausende, kleiner Scharmützel. Die großen Truppenbewegungen/Schlachten sind relativ einfach zu recherchieren, da gibt es ja reichlich Material im Netz. Viel schwieriger wird die Darstellung der vielen Splittergruppen, die oftmals marodierend durchs Land zogen und nicht selten jeglichen Kontakt zur Truppe verloren haben. Somit beziehen sich die meisten Werke oftmals nur auf regionale Gegebenheiten/Auswirkungen.
    Hier würde sich bestimmt eine gezielte Anfrage an eine militär-historische Forschungseinrichtung lohnen, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen und mit Sicherheit auch über Kartenmaterial verfügen. Zu Punkt Rittergut „Rupin“: Hier dürfte sich bestimmt noch etwas finden lassen. Leider fallen zu diesem Punkt keine Namen, aber auf die schnelle lassen sich z.B. die Geschlechter von Ruppin, von Krusenmark, von Hacke, von Rohr [bis 1654] ermitteln. Hier lohnt sich oftmals eine Anfrage bei den örtl. Landesarchiven [Schuld- und Pfandverschreibungen, Erbschaften,
    Tauschprotokolle, Eheanbahnungen, Schenkungen, Stiftungen usw.], sofern diese Unterlagen den Krieg überstanden haben. Mit etwas Glück lassen sich hier evtl. einige Familienlinien nachvollziehen.

    Grüsse von der Ostseeküste
    Roland

  • Hallo Roland,


    ich denke, Du hast Recht damit, dass die vielen kleinen Scharmützel eine genaue Kartierung erschweren - und womöglich (außer gelegentlich bei Regionalgeschichtsforschern) aufgrund ihrer Masse eher abschreckend wirken.
    Aus den Aufzeichnungen zu den Deutschordenscommenden Langeln und Berge im nördlichen Harzvorland, die zum Teil von meinem Vorfahren, zum Teil von seinen Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen stammen, entsteht für mich aber immerhin der Eindruck, dass die Kriegsgeschichte zumindest in dieser Region (wohl gerade auch wegen ihrer Fruchtbarkeit) insgesamt eher von längerfristigen Besetzungen und dem geregelten Einzug von Kriegscontributionen geprägt war, als von laufenden Plünderungen durch kleine Banden. Diese kommen zwar auch gelegentlich vor, aber zumeist nur in Phasen des Vorrückens oder Rückzugs einer der Kriegsparteien (da habe ich mehrere Beispiele, u.a. einen Fall, in dem noch nicht einmal das Vorweisen eines Schutzbriefes reichte, weil die Soldaten einfach behaupteten, dieser sei gefälscht - was für meinen Vorfahren zur Folge hatte, dass er bis auf die Hosen ausgepündert wurde). Regelrechte Schlachten gab es dort so gut, wie nie (vielleicht abgesehen von den Belagerungen von Wolfenbüttel und der Eroberung Magdeburgs), gelegentliche Scharmützel meist nur auf den Wegen zu den Belagerungsstandorten.
    Zumindest bei halbwegs geordneten Verhältnissen wurden Übergriffe anscheinend durch die Führungen beider Seiten bestraft - zumindest konnte (dafür habe ich Belege) in Einzelfällen sogar vor regionalen Gerichten Anklage gegen Plünderer erhoben werden. Ausnahmen scheint es im Wesentlichen dort gegeben zu haben, wo die Führung abwesend oder schwach war, in Regionen mit mangelnder Nahrungsmittelversorgung und in solchen Fällen, wo es den Heerführern als sinnvoll erschien, eine Taktik der "verbrannten Erde" zu verfolgen (was Mansfeld und der "tolle Christian" ebenso getan haben, wie Wallenstein, Tilly, Gustav Adolf II. und die späteren Heerführer). Die Terrorakte in der Herrschaft Ruppin dürften zu dieser Kategorie gehört haben (im letzeren Fall war der katholische General Gallas der "Bösewicht").
    Leider haben sich aus der Herrschaft Ruppin keine Dokumente erhalten, die unmittelbar das Schickal meiner Vorfahrenfamilien bzw. das von deren Rittergütern im Zusammenhang mit dem Krieg betreffen. Die einzige möglicherweise aufschlussreiche Quelle (Aufzeichnungen eines Caspar v. Ziethen, der im gleichen Ort, wie meine Vorfahren ein Rittergut besaß) ist leider nirgends aufzufinden und mir nur über geringfügige Zitate, u.a. bei Theodor Fontane, bekannt.


    Grüße!

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    Einmal editiert, zuletzt von Sbriglione ()

  • Hallo,


    in dem von Helene-Pauline schon angesprochenem Buch „Tagebuch eines Söldners“ sind einige Passagen, in dem Peter Hagendorf auch von den Orten
    Mansfeld, Halberstadt und Magdeburg berichtet.


    Die Belagerung Magdeburgs war im Winter 1630/31 und am 22.März 1631 wurde ihnen der Hauptmann Johann Galgort vorgestellt. Er wurde am
    28. April erschossen, Nachfolger wurde am 6. Mai Tilge Neuberg, der nach zehn Tagen „resignierte“. Am 24. Mai dann Johan Phillip Schütz.


    Hier noch ein Scan von der Route aus diesem Zeitraum.


    Viele Grüße, Ursula

  • Hallo Ursula,


    Danke für die Zusatzinfo! Ich meine, vor Jahren mal im "Tagebuch eines Söldners" gelesen zu haben und es damals schade gefunden zu haben, dass zwar die Städte genannt wurden, es aber insgesamt kaum Informationen über die Strecke "dazwischen" gab. Die Graphik, die Du mitgeschickt hast, lässt sich aber mit etwas Glück in direkten Zusammenhang mit einigen Einquartierungen, Requirierungen und Plünderungen der Deutschordenscommenden Langeln und Berge bringen, von denen u.a. mein dortiger Vorfahre berichtet. Schade, dass die zeitlichen Angaben zu grob sind, um den Trupp, zu dem der Tagebuchschreiber gehörte, in unmittelbare Beziehung zu einzelnen der in den Akten der Deutschordensballei Sachsen geschilderten Ereignissen zu setzen.


    Viele Grüße


    Giacomo-Marco

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  • Danke für die Scans!


    Ich muss doch nochmal in meine Originaldokumente der Ballei Sachsen hineinschauen: wenn mich nicht alles täuscht, müsste neben den zu Beginn der Belagerung Magdeburgs besetzten "Dörfern" auch die zeitweilige Besatzung der Deutschordenscommende Berge durch katholische Truppen zu dieser Zeit stattgefunden haben. Der unmittelbare Vorgesetzte meines Vorfahren Arndt v. Sandow, der Coadiutor Balthasar v. Eimbeck, soll angeblich (dafür habe ich keine sicheren Belege) beim Anrücken der Kaiserlichen von Berge nach Magdeburg gegangen sein. Sicher ist aber, dass er - anscheinend noch während der Belagerung (hier habe ich eine kleine zeitliche Unsicherheit) wieder nach Berge zurückgegangen und dort gestorben ist, kurz bevor die Besetzung und Übernahme der Commende durch die Verbündeten der Schweden erfolgt ist.


    Für meine Ahnenforschung speziell zu diesem einen Vorfahren war das jedenfalls eine ganz besonders interessante Zeit, weil kurz vor dem Coadjutor der Landcomtur (der "Chef" der Deutschordensballei Sachsen) gestorben war und Arndt v. Sandow ein enger Mitarbeiter und Vertrauter der beiden gewesen ist - was einer der Gründe dafür gewesen sein dürfte, dass er eine nicht unwichtige Rolle in den Verhandlungen um die Rückgabe Berges (das er wenige Jahre vorher noch selbst als Hauscomtur betreut hatte) und des Landcomtursitzes Lucklum gespielt hat. Und möglicherweise (sicher belegt ist es aber erst durch den Tod des ersten gemeinsamen Kindes vier Jahre später) hat er damals auch seine spätere Geliebte kennen gelernt, die als Flüchtling zu ihm gekommen sein dürfte (das legt zumindest eine spätere Beleidigungsklage nahe). Für mich wirkte es im Nachhinein so, als habe diese Zeit meinen Vorfahren so nachhaltig geprägt, dass sich praktisch alle seine späteren Entscheidungen, seine gesamte spätere Politik, darauf zurückführen lassen (er war offensichtlich gut im Verhandeln, ziemlich hartnäckig, eigenwillig und hatte relativ wenig Probleme damit, Schulden zu machen - was ja damals schon zwangsläufig passieren musste)...


    Viele Grüße


    Giacomo-Marco

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