Heft 03 / 2014: Die Kriegstagebücher der Brüder Grist

  • Vorspann zum Artikel::
    Zu Kriegsbeginn wurden zwei Brüder als Engländer interniert, weil der Vater in England geboren wurde.


    Der Vater ist Ende de 19. Jhdts. nach Deutschland gekommen, um ein Pferd zu überliefern, und danach hat er hier geheiratet und wurde Vater von zwei Söhnen und einer Tochter. Die Brüder schrieben in ihren Tagebüchern

    Zitat von Georg Grist

    6. November Freitag [1914] Als Engländer verhaftet. Ich doch so kerndeutsch, in Deutschland geboren und erzogen, all die Jahre sogar in Jungdeutschland als Feldmeister gewesen und jetzt noch als Engländer verhaftet, wo ich noch kein Englisch kann, ist das nicht jammervoll. Nur weil mein Vater Engländer ist und ich auch ..."

    und

    Zitat von Wilhelm Grist

    Ich fragte den Beamten "Wofür verhaften Sie mich?" "Sie sind Engländer", gab er zur Antwort. So was, als Engländer verhaftet zu werden hätte ich mir nie träumen lassen ...


    Da ich selber Engländer bin hat das mich sehr (bitter) amusiert.


    Ich kenne Geschichten aus England mit "umgekehrten Vorzeichen". Ich wiederhole hier was ich neulich in einen anderen Zusammenhang schon erzählt habe:

    Zitat

    Im englischen Forum gibt es ein grosse Thema (über 60 Seiten lang) über Einwanderer von Deutschland nach England, die Schweinefleischer waren, und in England als "Pork Butchers" weiter tätig waren.
    Hier wird nicht nur über gelungene Integration berichtet, sondern auch über die Auswirkungen des 1. WK. Viele Einwanderer (auch in 2. Generation), die bis dahin geschätzte Mitglieder der Gemeinde gewesen waren, waren plötzlich "der Feind". Ladenfenster wurden zertrümmert, und in einem Beitrag wurde erzählt, wie solche Angriffe erst dann aufhörte, als die 3 Söhne eines Ladenbesitzers absichtlich in ihren Uniformen der britischen Armee hinter der Theke servierten, wenn sie Freigang hatten.

    Und wie war das mit der Integration?


    In anderen Beiträgen kommen auch folgendes vor:
    - viele der Einwanderer wurden interniert
    - Viele Beiträge erwähnen einen Sohn oder Söhne, die in der britischen Armee gedient haben.
    - Ein Einwanderer wurde sogar interniert, obwohl sein Sohn ein britischen Soldat war.


    Und etwas persönlicheres, als "Nachwehen" der Krieg:
    Meine Mutter musste (als 14-jähriger) vor den Nazis aus Österreich flüchten. Auch 10 Jahre nach Kreigsende musste sie viel offene und versteckte Feindlichkeit ertragen, nur weil sie mit deutschen Akzent sprach. Offensichtlich kümmerten sich vielen Leute nicht um die Unterschiede zwischen "Deutschland" und "Österreich", oder zwischen "Täter" und "Opfer".


    Der Kusin meiner Mütter hat in der (Deutschen) Wehrmacht gedient und ist im Krieg gefallen. Nach dem Krieg hat ihr Onkel sich geweigert, die Verwandschaft in England zu besuchen, weil "die Alliierten meinen Sohn getötet haben." Erst nach seinem Tod hat ihre Tante uns in England besuchen können.


    Bob