Übliche Anzahl von Taufpaten in der Region Halberstadt um 1650

  • Hallo allerseits,


    ich hatte neulich ein älteres Kirchenbuch aus der Region Halberstadt in der Hand, um dort nach Vorfahren zu recherchieren. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Pfarrer bei den älteren Taufeinträgen (Start des Kirchenbuches: 1645) keine Paten eingetragen hatte, aber dafür ab 1651 durchgängig. Es handelte sich - wohlgemerkt - um ein und den selben Schreiber!


    Dankenswerterweise hat dieser den Wechsel in seiner Praxis unter dem letzten patenlosen Eintrag im Jahre 1651 in Form einer Anmerkung ausführlich begründet:


    "N.B.: Weill in den obgesetzten Jahren bey denjenigen, welche haben tauffen laßen eine solche unOrdnung gewesen, das Sie 9, 10 und noch mehr gefattern gebethen, und demnach mitt ihrer Kindertauffe nur geldt gesuchett als sindt die gevattern immers (?) sie nicht alle aufgezeichet, nicht specificiret. Weill aber solche Unordnung von der hohen Churfürstlichen Brandenburgischen Obrigkeitt abgeschaffet und nicht mehr als fünff Gevattern zur Hl. Tauffe zugelassen werden, als werden dieselbigen nuhnmehr billich umb mehrer Wißenschafft der Getaufften Kinder willen, wie folgett in diß eingelegte NebenKirchenbuch anno 1656 gezeichnett, alldieweill vor der Zeitt keines vorhanden gewesen".


    Der Vorwurf des Pfarrers, es sei den Kindseltern nur um das Geld gegangen, war sicherlich übertrieben (immerhin werden die meisten Taufpaten bei ihren eigenen Kindern ähnlich viele Paten gehabt und ähnlich viel an Geld erhalten, wie ausgegeben haben), erscheint mir aber durchaus zeittypisch. Es erinnert mich an das mittlerweile recht bekannte Phänomen, dass die Neigung zu Verschwendung und Protzerei gerade nach überstandenen Katastrophen bei den jeweiligen Überlebenden (die ja oft genug auch gut "geerbt" haben) in der Geschichte immer wieder zu beobachten ist.
    Man muss hier auch bedenken, dass es sich im konkreten Fall um einen Ort im Bereich der Magdeburger Börde handelte - die bekanntermaßen damals eine der ertragreichsten deutschen Agrarregionen Deutschlands war (auch, wenn das Gebiet im 30jährigen Krieg gründlich geplündert wurde, nahezu eine Garantie für ein schnelles Wiedererstarken nach einer Katastrophe).


    P.S.: die Bemerkung zum "Nebenkirchenbuch" verstehe ich so, dass es wohl damals eine Urschrift (möglicherweise in Form von losen Blättern) gegeben hat, die dann nochmal abgeschrieben wurde. Andererseits weiß ich von zwei Orten der Region sicher, dass es dort tatsächlich Zweitschriften der Kirchenbücher in anderer Handschrift (und teils erkennbar deutlich später angefertigt) gegeben hat.


    Grüße!


    Giacomo

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)