Theodor = Dirich, Dirck // Jürgen = Georg // Warum?

  • Hallo zusammen,


    ich würde gerne wissen, warum die Vornamen Theodor und Dirck / Dirich sowie Jürgen und Georg gleichzusetzen sind? (Ich habe gerade mal wieder so einen Fall.)

  • weil es regionale oder zeitliche Formen der selben Vornamen sind - Georg wird z.B. Jürgen, aber selten auch Joris genannt -mal sehn, was andere im Forum meinen...
    viele Grüße Jürgen

  • Auflistungen der Varianten:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Georg


    http://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_(Vorname)


    Ich habe in Südostbayern eine Pfarrei, in der man die Varianten von Georg schön durch die Matrikel und sonstigen Dokumente durchverfolgen kann: vor/um 1600 bevorzugt Girgen/Jörg (Georg vollkommen ungebräuchlich), nach 1650 Georgius, nach 1800 dann Georg. Ein Faktor ist sicher, dass nach ca 1650 die latinisierten Varianten der Vornamen verwendet wurden und damit verschwanden die alten eingedeutschten Formen. Die waren schlichtweg unmodern geworden, Moden bei Vornamen gab es auch früher schon ...;-)). Ein weiterer Faktor ist, wie oben schon erwähnt, die Region. In Altbayern gab es schlichtweg keinen Jürgen, der Name kam hier erst nach dem WK 2 mit den damit verbundenen Bevölkerungsverschiebungen in Gebrauch und wurde dann in den 50/60ern kurzzeitig modern. In Österreich (linguistisch gleiches Sprachgebiet wie Altbayern) gab es diese Bevölkerungsverschiebungen nicht im gleichen Ausmaß wie in DE, dort ist Jürgen als Vorname auch bei weitem weniger üblich als in Altbayern.


    Ulrich

  • Bei Dietrich und Theodor ist die Sache etwas komplizierter.
    Zur Bedeutung von Dietrich heißt es in Wikipedia: "Zu altfränkisch thiuda (althochdeutsch: diot das Volk und rihhi reich und mächtig, rihhan beherrschen). Das bedeutet „Der Reiche (Mächtige) im Volke“ oder auch „Der Herrscher des Volkes“.
    Der Name war über einen langen Zeitraum sehr beliebt, wie auch die zahlreichen Varianten des Namens zeigen.
    Aus den Sagen bekannt ist "Dietrich von Bern", der auf den Gotenkönig Theoderich zurückzuführen ist.
    Ob es die Nähe zum Namen Theoderich ist, der die mittelalterlichen Pfarrer und ihre Nachfolger dazu verleitet hat, als lateinische Form den Namen "Theodor" zu benutzen, weiß ich nicht. "Die Bedeutung des Namens ‚Geschenk Gottes‘ leitet sich von den beiden Wörtern theos (θεός ‚Gott‘) und dōron (δώρον ‚Geschenk‘) ab."
    Das heißt, die beiden Namen haben inhaltlich nichts miteinander zu tun.
    Ich schreibe meist auch Theodor, wie es im Kirchenbuch steht, bin mir aber darüber im Klaren, dass die betreffenden Leute hier bei uns gewöhnlich Dir(c)k hießen. Die Kurzform "Theo" ist im Münsterland erst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts häufiger und sollte wohl immer Theodor heißen, gleichzeitig wird in den Kirchenbüchern eher direkt Dietrich geschrieben.

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank für Eure Erklärungen. Wieder etwas gelernt.


    Theodor - Theoderich - Dirich - Dir(c)k leuchtet mir ein. Gut zu wissen, dass die beiden inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Ich habe immer versucht, dort eine Gemeinsamkeit zu finden.


    Jürgen und Georg klingt in meinen Ohren so völlig unterschiedlich. Auch wenn man bei den Formen Jorge - Jörg - Görgen einen Zusammenhang vermuten kann.

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  • Ich habe in Südostbayern eine Pfarrei, in der man die Varianten von Georg schön durch die Matrikel und sonstigen Dokumente durchverfolgen kann: vor/um 1600 bevorzugt Girgen/Jörg (Georg vollkommen ungebräuchlich), nach 1650 Georgius, nach 1800 dann Georg.

    In diesem Zusammenhang würde mich, abseits des eigentlichen Themas, interessieren: mein Spitzenahne meiner Hauptlinie wurde in einer Sekundärquelle als "Geörg" genannt. Ich hielt das erst für einen Lese- oder Schreibfehler, doch jetzt frage ich mich - gab es vielleicht solche Übergangsformen, also Mischformen aus Jörg und Georg? Es handelt sich dabei auch um Altbayern.

  • Hallo Simone,


    interessante Fragen, die Du gestellt hast.
    Ich weiß auf jeden Fall, dass es sprachgeschichtliche Lautverschiebungen insbesondere zwischen den ober-, Mittel- und niederdeutschen Dialekten gegeben hat. Diese Verschiebungen gab es u.a. bei den Buchstaben D-T und J-G.


    Ein interessantes Beispiel für die D-T-Variante bietet übrigens eine gängige mittelalterliche Pfennigsorte des 11. Jh. mit Ursprung in Goslar (die später auch von anderen Münzstätten, u.a. wohl auch in Süddeutschland nachgeprägt wurde): diese Münze zeigt auf der einen Seite ein Kreuz, in dessen Feldern die Buchstaben "O-D-D-O" (in der niederdeutschen Variante) bzw. "O-T-T-O" (in der oberdeutschen Variante) abgebildet waren.


    Die Lautverschiebung G-J findet man heutzutage u.a. noch im "klassischen" Berliner Dialekt (z.B. "jut" statt "gut", "Jöthe" statt "Goethe"), wobei der Berliner Dialekt zu den mitteldeutschen Dialekten gehört.


    Grüße


    Giacomo

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Sbriglione ()

  • Hallo Dude,


    In diesem Zusammenhang würde mich, abseits des eigentlichen Themas, interessieren: mein Spitzenahne meiner Hauptlinie wurde in einer Sekundärquelle als "Geörg" genannt. Ich hielt das erst für einen Lese- oder Schreibfehler, doch jetzt frage ich mich - gab es vielleicht solche Übergangsformen, also Mischformen aus Jörg und Georg? Es handelt sich dabei auch um Altbayern.


    bei eienm meiner Vorfahren im Dreieck zwischen Donau und Iller taucht im 17. Jahrhundert auch ein Geörg auf. Zunächst konnte ich mir die Schreibweise nicht erklären. Bis dann im selben Kirchenbuch ein Michael mit 2 Punkten auf dem e auftauchte. Seither vermute ich, dass bei zwei aufeinanderfolgenden Vokalen die Punkte auf dem zweiten dafür stehen, dass beide Vokale getrennt ausgesprochen werden sollen. Ich bestehe allerdings nicht auf dieser Erklärung, es könnte auch ganz anders sein :D


    Gruß Micha

  • ...
    Ich weiß auf jeden Fall, dass es sprachgeschichtliche Lautverschiebungen insbesondere zwischen den ober-, Mittel- und niederdeutschen Dialekten gegeben hat. Diese Verschiebungen gab es u.a. bei den Buchstaben D-T und J-G. .....


    Wobei derartige Phänomene - wenn wir wieder auf die Vornamen schauen - keine rein "innerdeutsche" Erscheinungen sind.
    Varianten, die alle vom altgriechischen Georgos (heißt übrigens Bauer) abstammen und jeweils ganz unterschiedlich ausgesprochen werden sind z.B.:
    George (unterschiedliche Aussprache engl. bzw. franz.)
    Giorgio (dsch = ital.)
    Jorge (span. etwa Chorche / ch wie in Bu"ch")
    Nach der heutigen Aussprache kann man sich also nicht in 1. Linie richten.


    Krass ist auch die allbekannte Katharina: ungarisch = Katalin, georgisch = Ketevan.


    Eine Linie meiner Vorfahren trägt den FN Gillmann. Alles, was mit Gill-, Gilg, Gilles etc. beginnt oder so lautet - auch Vornamen - kommt von dem VN Aegidius.


    Wenn man bedenkt, daß die "Hochdeutsche" eine relativ junge Erscheinung ist, ist die ganze Sache auch leichter erklärbar.
    Viele Grüße
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.