Streit um das Geesthachter Moor 1702

  • Quelle: StAHH, 415-2I, Amt Bergedorf, Pars III Sectio X Vol. 1 Fasc. 1 b, Bd. 7, Amtsprotokoll 03.06.1702, Fol. 527-532.
    Bearbeiter: Andree Peterburs, 23.01.2016


    Streit zwischen den Gemeinden Besenhorst und Geesthacht um das Geesthachter Moor


    Um die Nutzung des Geesthachter Moores als Viehweide entbrannte immer wieder Streit zwischen den Gemeinden Besenhorst und Geesthacht. Dieser Streit der beiden Gemeinden ist bereits aus dem 17. Jhdt. dokumentiert, etwa aus den Jahren 1610 und 1682, und war im Prinzip ein Konflikt zwischen dem Herzogtum Sachsen-Lauenburg, wozu Besenhorst damals gehörte, und den beiden Städten Hamburg und Lübeck, die sich als Eigentümer des Geesthachter Moores sahen. Die Geesthachter Viehhüter vertrieben oftmals das Vieh der Besenhorster, wenn die Besenhorster Viehhüter es auf dem Geesthachter Moor weiden ließen, weil sie die Viehhüter von Besenhorst nicht für berechtigt hielten, dieses Moor als Weideland zu nutzen. In der Zeit vom 22. bis 27. Mai 1702 kam es zu einer Zuspitzung des Konfliktes. Als die Geesthachter Viehhüter erneut das Vieh der Besenhorster vom Moor davonjagten, machten die Besenhorster ihren vermeintlichen Anspruch auf das Geesthachter Moor und die „große Flage“, wie ein Teil dieses Moores benannt wurde, unter Anwendung von Gewalt geltend. Die Besenhorster rissen die von den Geesthachtern in das Moor gesteckten Weidepfähle, die jedes Jahr vor Pfingsten in die „große Flage“ gesteckt wurden, heraus und trieben ihr Vieh „mit gesamter Hand“ (gemeinschaftlich) und am 27. Mai 1702 zuletzt mit Hilfe von Soldaten aus Lauenburg wieder zurück auf das Geesthachter Moor.
    In der Zeugenvernehmung am 3. Juni 1702 in Bergedorf wurden darauf eine Reihe von Personen aus Geesthacht über die Ereignisse befragt. Die Zeugen bekräftigten, dass das Geesthachter Moor niemals mit den Besenhorstern gemeinsam, sondern ausschließlich von den Geesthachter Viehhütern genutzt worden sei. Die Besenhorster hätten an dem Geesthachter Moor keine Weidegerechtigkeit gehabt. Ebenso wenig hätten die Besenhorster Anteil an der „Gammer Specke“ (laut Aussage des Zeugen Claus Messerschmidt sei die Gammer Specke die Landscheide zwischen dem Geesthachter, dem Besenhorster und dem Escheburger Moor gewesen). Auch sei das Moor von den Geesthachtern schon immer ,,Geesthachter Moor“ und niemals „Tirpmoor“ [sic!], wie die Besenhorster es wohl auch bezeichnen würden, genannt worden und von dem Namen habe zuvor noch niemand gehört, auch wisse niemand, wo dieses „Tirpmoor“ liegen solle. Nach der Aussage des Zeugen Christopher Möhling wüssten die Besenhorster eigentlich, dass sie unberechtigt handelten. Er gab an, dass er zusammen mit dem damaligen Hufner Carsten Reimers zu Geesthacht, vor 1702 verstorben, im Jahre 1689, als die Besenhorster mit ihrem Vieh auf das Geesthachter Moor gegangen seien, nach Besenhorst zu dem dortigen Bauernvogt Hinrich Burmester gesandt worden sei, um eine Erklärung für das Verhalten der Besenhorster Viehhüter zu erhalten. Der Vogt Hinrich Burmester habe damals erwidert, dass er sehr wohl wisse, dass das Geesthachter Moor den Geesthachtern gehöre, aber man möge doch dieses Mal eine Ausnahme machen und die Besenhorster würden dafür umgekehrt es auch nicht so genau nehmen, wenn die Geesthachter mit ihrem Vieh über die Besenhorster Wiesen zögen. Aus dem Protokoll vom 3. Juni 1702 geht auch hervor, dass sich die beiden Städte Hamburg und Lübeck sowohl als Eigentümer des Geesthachter Moores als auch als Eigentümer der Geesthachter Berge betrachteten. So widersprach der Geesthachter Vogt dem Bericht des Amtmannes von Schwarzenbek vom 27. Mai 1702, demzufolge das Vieh der Hohenhorner allezeit und unstreitig in den Geesthachter Bergen geweidet hätte und niemals gepfändet worden wäre, und gab an, dass in der Vergangenheit immer wieder das Vieh der Hohenhorner, wenn es in den Geesthachter Bergen geweidet habe, gepfändet worden sei. Auch Schafe der Fahrendorfer Schafhüter seien gepfändet worden, als man sie in den Geesthachter Bergen gefunden habe. Erst gegen Zahlung eines Geldbetrages hätten die Geesthachter das gepfändete Vieh zurückgegeben. So hätten die Hohenhorner im Jahre 1700 für die Herausgabe des Viehs 1 Mark lübisch und zuletzt am 14. Mai 1702 wiederum 1 Mark und 4 Schilling gutwillig bezahlt, wohl wissend, dass ihnen dort Vieh zu hüten nicht gebühre.
    Auch nach 1702 kam es wiederholt zu Streitigkeiten um die Nutzung des Moores. Erst im Jahre 1778 wurde der Streit beigelegt. Das Herzogtum Sachsen-Lauenburg und die beiden Städte Hamburg und Lübeck einigten sich, das Moor zwischen Geesthacht und Besenhorst zu teilen. Dabei wurde „jedem Dorfe als einseitig sein Anteil mit allem Recht und Grund zuerkannt“, wie in dem Protokoll von 1778 festgehalten ist.


    Quellen:
    - StAHH, 415-2I, Amt Bergedorf, Pars III Sectio X Vol. 1 Fasc. 1 b, Bd. 7, Amtsprotokoll 03.06.1702, Fol. 527-532.
    - Prüß, M. (1929): Geesthachter Heimatbuch. Unter Mitarbeit von Lehrern des Ortes nach alten Quellen und neuzeitlichen Darstellungen, Geesthacht-Hamburg 1929, Seite 43 u. 50.



    Als Zeugen wurden in Bergedorf am 3. Juni 1702 folgende Personen aus Geesthacht vernommen:


    Zeuge 1. Christopher Möhling, 59 J. alt.
    Zeuge 2. Claus Messerschmidt, ins 65. Jahr.
    Zeuge 3. Hein Reimers, bei 77 J. alt.
    Zeuge 4. Johan Götken, 72 J. alt.
    Zeuge 5. Carsten Rieken, 62 J. alt.
    Zeuge 6. Johan Möhling, 65 J. alt.
    Zeuge 7. Carsten Harders, 64 J. alt.
    Zeuge 8. Peter Burmester, 52 J. alt.
    Zeuge 9. Johan Reimers, 48 J. alt.
    Zeuge 10. Jürgen Elvers, 38 J. alt.
    Zeuge 11. Hans Schütte, 41 J. alt.
    Außerdem wurde der Vogt zu Geesthacht [Hein Uhrbrock] als Zeuge befragt.


    Ergänzungen:


    Zeuge Nr. 1: Christopher Möhling, 59 J. alt. Er sagte aus, dass er im Jahre 1689, als die Besenhorster mit ihrem Vieh auf das Geesthachter Moor gegangen seien, zusammen mit dem damaligen Hufner Carsten Reimers zu Geesthacht, inzwischen verstorben, nach Besenhorst zu dem dortigen Bauernvogt Hinrich Burmester gesandt worden sei, um eine Erklärung für das Verhalten der Besenhorster Viehhüter zu erhalten. Der Vogt Hinrich Burmester habe erwidert, dass er sehr wohl wisse, dass das Geesthachter Moor den Geesthachtern gehöre, aber man möge doch dieses Mal eine Ausnahme machen und die Besenhorster würden dafür umgekehrt es auch nicht so genau nehmen, wenn die Geesthachter mit ihrem Vieh über die Besenhorster Wiesen zögen. Christoph Möhling sagte außerdem, dass das Geesthachter Moor niemals mit den Besenhorstern gemein gewesen sei, ebenso wenig wie die Besenhorster Anteil an der „Gammer Specke“ hätten. Er habe in seinem Lebtage noch nie von einem „Tirpmoor“ gehört. In der Vergangenheit hätten die Geesthachter das Vieh der Besenhorster immer vertrieben vom Moor. Weiter gab er an, dass der Kuhhirte zu Besenhorst namens Bort, der viele Jahre zu Geesthacht die Pferde gehütet habe, wenn er eidlich abgehört würde, die Wahrheit sagen müsste, nämlich dass das Geesthachter Moor den Geesthachtern allein zugehöre und die Besenhorster keinen Teil davon weder jetzt noch jemals gehabt hätten. Siehe Fol. 528.


    Zeuge Nr. 2: Claus Messerschmidt, ins 65. Jahr. Er ergänzte, dass da (gemeint ist das Moor) schon vor 48 Jahren die Geesthachter ihre Pferde gehütet hätten und die Geesthachter allemal um die 14 Tage vor Pfingsten Weidepfähle in die „große Flage“ auf dem Geesthachter Moor gesteckt hätten. Weder hätten die Besenhorster die Pfähle herausgezogen noch hätten sie ihr Vieh hineingetrieben. Wenn das Vieh doch einmal hineingekommen sei, hätten die Geesthachter es allemal davongejagt. Und es sei die Landscheide zwischen dem Geesthachter, dem Besenhorster und dem „Eschborger" [Escheburger] Moor allemal die Gammer Specke gewesen, und wenn die Pferde sich manchmal nicht in das tiefe Moor getraut hätten, seien diese ungehindert über die Gammer Specke gegangen und hätten dort mit geweidet. Siehe Fol. 529.


    Zeuge Nr. 3: Hein Reimers, bei 77 J. alt, sagte aus, dass er niemals von einem Tirpmoor gehört habe, er wisse auch nicht, wo dieses liegen sollte. Außerdem habe jedes Moor seinen eigenen Namen von denen, die es behüteten und von ihrem Vieh abweiden ließen. Die Besenhorster hätten an dem Geesthachter Moor keine Gerechtigkeit gehabt. Siehe Fol. 529.


    Zeuge Nr. 4: Johan Götken, 72 J. alt, habe in seiner Jugend um die 5 Jahre Pferde gehütet. Die obigen Aussagen schilderte er ebenfalls („deponirt ebenfals obiges alles“).Siehe Fol. 530.


    Zeuge Nr. 5: Carsten Rieken, 62 Jahre alt, gab an, er habe „auch solches allemahl von seinem Vater, welcher über 70 Jahr alt gewesen, also gehört.“ Siehe Fol. 530.


    Zeuge Nr. 8: Peter Burmester gab dieses alles gleichfalls an: „Peter Burmester alt 52 jahr deponirt dieses alles gleichfals, mit dem anfange, daß er von seinem StiefVater Carsten Reimers, welcher, wie obengedacht, mit Christoffer Möhling in ao. 1689 nach besenhorst zum baurvoigt alda gesand, auch von da aus bürtig gewesen, alles ebenmäßig also gehört hette.“ Siehe Fol. 530.


    Zeuge Nr. 10: „Jürgen Elvers 38 jahr alt, wüste es auch nicht anders, hette es auch also von seinen Eltern und großeltern gehört.“ Siehe Fol. 530.


    Zeuge Nr. 11: „Hans Schütte 41 jahr alt, und von besenhorst gebürtig, nunmehr aber zu geesthacht wohnhaft, und beeder [beider] Hochlöb. Städte Lübeck und Hamburg unterthan (…)“. Er sagte aus, dass er von seinen Eltern, die sächsische [lauenburgische] Untertanen und zu Besenhorst wohnhaft gewesen seien, auch nicht anders gehört habe, dass das Moor sowohl von den Besenhorstern als auch von den Geesthachtern allemal das „Geesthachter Moor“ und niemals „Tirpmoor" genannt worden sei. Siehe Fol. 531.


    Quelle: StAHH, 415-2I, Amt Bergedorf, Pars III Sectio X Vol. 1 Fasc. 1 b, Bd. 7, Amtsprotokoll 03.06.1702, Fol. 527-532.