Kriegs-/Fluchtbericht - Steigemann/Schweidnitz, Otte/Poischwitz, Göbel Kaudewitz

  • Einen Brief meiner Grossmutter, Dora Münnich, geb. Petschelt, habe ich im Nachlass gefunden, leider feht der Anfang und das Ende. Er müsste um 1946/47 datieren.
    Im ersten Teil beschreibt sie eine Fahrt in die Umgegend von Jauer, die sie nach Kriegsende unternommen hat um nach dem Verbleib ihres aus Breslau aufs Land geretteten Hausrats zu erkundigen. Der Zweite Teil beschreibt die Flucht aus Bautzen vor der nahenden Front. Meine Grossmutter war zu Kriegsende mit zwei ihrer Kinder, 9 und 7 Jahre, bei einer Verwandten in Bautzen untergekommen.


    "...nach Oelse kaum ein Wesen, es war ganz komisch durch so verlassene Dörfer allein zu gehen, nur etwas Geflügel lief noch rum. Übrigens Frau Steigemann ist heute noch in Schweidnitz, die kleine Tante ist tot. Ottes sind auch jetzt noch in Poischwitz u. kann man neugierig sein, ob von unseren Sachen noch manches da ist. Helmut Göbel in Kaudewitz ist erschossen worden, überhaupt viele Bauern. Ich habe bis jetzt noch niemanden von unseren schls. Bekannten getroffen, sie sind wohl alle tiefer ins Reich geflüchtet. Dafür war es hier in unserer Gegend bestimmt am schlimmsten. Vor allem mit der Ernährung.
    Also mit dem Angriff auf Bautzen ging es damals sehr schnell. Wir erlebten noch einen Bombenangriff auf Bautzen, der aber nur mässigen Schaden anrichtete. Ohne Alarm, der Frontnähe wegen. Das geht so schnell, Krachen u. alles ist vorbei. Einige Tage später lagen wir gegen 10 Uhr abends im Bett u. hörten dauernd Einschläge oder Schiessen, aber weit. Else sagt, steht doch auf, das sieht gefährlich aus. Ich stehe noch mal auf, gehe auf die Strasse u. da werden schon Marschbefehle für Kinder u. Mütter ausgetragen. 12 Uhr nachts antreten, Bautzen muss sofort geräumt werden. Na, das Tempo, Kinder anziehen, das nötigste mitnehmen, ja was ist das nötigste, Kledage oder Futter? Fieberhaft wurde gepackt u. ½ 12 Uhr war ich an der befohlenen Stelle, u. --- um 7 Uhr früh warteten wir noch auf den Abtransport u. lagen schon stundenlang unter direktem Beschuss von Panzergranaten. Trotzdem wundre ich mich heute noch wie ruhig wir waren, obwohl wir ganz in unserer Nähe Treffer hatten. Auf die Autos kam man kaum rauf, vorallem mit viel Gepäck. Ich hatte etwa 1 ½ – 2 Centner Gepäck mit, u. das ist sperrig. In Bischofswerda wurden wir (19 klm) das 1. mal ausgeladen u. mir fehlte, o Schrecken ein Sack mit den ganzen Schuhen. Ich fuhr mit einem leeren Auto nochmal nach Bautzen u. fand tatsächlich den Sack. Inzwischen hatte Bautzen schon allerhand abgekriegt, aber abends erst ist der Russe richtig eingebrochen, u. es haben schwere Kämpfe hier getobt. In Bischofswerda ging es zunächst in ein Lager, von dort versuchte ich mit der Bahn weiterzukommen. Eisenbahner wollten uns mit nach Bayern nehmen, aber es ging nicht, die Verb. klappte nicht mehr, der Russe war uns dicht auf den Fersen.
    Wir kamen bis Pirna, dort wurde übergesetzt u. ging es wieder in ein Lager. Wir waren zunächst froh, dass wir über der Elbe waren, von dort gelangten wir nach 2 Tagen über Dresden, Freiberg nach Langenau, einem Dorf im Erzgebirge. Dort wollten wir erst uns etwas ausruhen, wir waren vollkommen erschöpft. Der Bürgermeister wollte die Flüchtlinge rauswerfen wegen der Ernährung, aber er hätte uns tragen müssen, wir konnten nicht mehr. Dort mietete ich mir einen kl. Raum, wo wir wenigsten ein Dach über dem Kopf hatten. Was würde nun kommen? Bautzen war freigekämpft, aber es sah weiter mehr als trostlos aus. Mir machten aber meine restl. Sachen in Bautzen Sorgen u. ich fuhr mit Bernd los u. wollte mein Glück versuchen, nur mit Gelegenheitsautos. Abends..."


    Eventuell gibt es Anknüpfungspunkte mit den angeführten Namen - ansonsten ein Einblick in eine dramatische Zeit


    viele Grüße
    waldtill