Erzgebirge, Böhmen bzw. Allgemeines zum Bergbau

  • Hallo und Glück auf!


    Mein Name ist Matthias, ich betreibe seit einigen Jahren hin und wieder, wenn ich dazu komme, im ganz kleinen Rahmen laienhaft etwas Familienforschung. Im Zuge dieser "Forschung" bin ich natürlich auch schon öfter auf genealogy.net gewesen und habe diese wirklich gute Seite studiert. Wirklich toll, was man hier alles findet, ein dickes Lob und Dank daher an dieser Stelle an die Verantwortlichen und alle die sich mit ihrem Wissen in den diversen Foren einbringen!


    Nun ist es so, dass ich irgendwie einen Endpunkt erreicht zu haben scheine. Meine Nachforschungen, die hauptsächlich auf den Kirchenbüchern der Stadt Abertham beruhen, haben mich bis zu einer Eheschließung aus dem Jahre 1554 in St. Joachimsthal geführt. Den Kirchenbucheinträgen war zu entnehmen, dass meine Vorfahren nahezu allesamt Bergleute waren, also Zinn und Silber abgebaut habe. Leider stehen aber natürlich in den Kirchenbucheinträgen nur Geburts-, Sterbe- und Hochzeitsdaten, Wohnort und eben der Beruf Bergmann. In einem Todeseintrag steht aber mehr, nämlich, verstorben am 26.03.1671 mit der Anmerkung "auf sein Pergwerk verunglückt." Diese Anmerkung hat mich, obwohl seither mehr als dreihundert Jahre vergangen sind betroffen gemacht. Auf sein Pergwerk verunglückt - was ist passiert?


    Ich habe versucht mehr über den Bergbau, das Erzgebirge, die Lebensumstände der Bergleute zu erfahren. Mit Glück konnte ich durch Zufall die Kirchenchronik von Abertham erstehen, die interessante Informationen zur Zeitgeschichte bietet, aber eher allgemein gehalten ist und Auskunft über das Wetter, die Ernte, oder einzelne besondere Vorfälle gibt, allerdings natürlich über die Jahrhunderte hinweg nicht immer im selben Umfang. (Klar, der eine Pfarrer hat mehr notiert, der andere halt weniger.) Auch habe ich ein sehr interessantes Buch über den Bergbau im Erzgebirge, (von Robin Hermann) in welchem die verschiedensten Gruben angeführt sind.


    Sehr interessieren würde mich nun, ob es auch personenbezogene Daten gibt, man also vielleicht eruieren kann in welchen Stollen meine Vorfahren gearbeitet haben, ob sie Silber oder Zinn abgebaut haben. Gibt es Bücher, Listen, Aufzeichnungen oder Grubenbücher in denen die Namen der Arbeiter verzeichnet waren?
    Gibt es Berichte über Geschehnisse, Vorfälle oder andere Materialien, die für eine Ahnenforschung bedeutsam wären (wie zum Beispiel über den 1671 verstorbenen Vorvater, der auf sein Pergwerk verunglückt ist - war es ein Einzelschicksal oder ein großes Unglück bei dem mehrere Bergleute ihr Leben lassen mussten?)


    Wo könnte ich mir weitere Informationen über Bergleute und Menschen aus dem Erzgebirge beschaffen? Gibt es weitere Bücher oder Personen, die sich mit dem Bergbau im Erzgebirge näher beschäftigt haben und mir Tipps oder sogar Antworten auf meine Fragen geben könnten?


    Und, man soll die Hoffnung nie aufgeben, gibt es vielleicht sogar jemanden, der mir sagen kann, wo ich nach weiteren Vorfahren suchen sollte, die vor dem Jahr 1554 gelebt haben, denn soweit mir bekannt ist, sind die Bergleute rund um St. Joachimsthal und Abertham aus dem benachbartem Sachsen gekommen, da der Silbersegen in Schneeberg und Annaberg zu dieser Zeit bereits nachgelassen hat. (Es sollen aber auch einige aus Tirol gekommen sein, die Chance einen Kirchenbucheintrag mit dem Geburtsort jenes Vorfahren zu finden, der 1554 in St. Joachimsthal geheiratet hat ist vermutlich gering.) Aber, wer weiß, vielleicht gibt es ja jemanden, der mir sagen kann, ob es Kirchenbücher in Bergbaustädten gibt, die weiter zurückreichen und in denen möglicherweise den Geburtseintrag des Bräutigams von 1554 verzeichnet ist.


    Ich bedanke mich bei allen, die diesen Forumseintrag gelesen haben, wenn ihr mir bei einer meiner vielen Fragen helfen könnt, würde ich mich sehr freuen.
    Einen schönen Tag, viel Erfolg bei euren eigenen Nachforschungen,
    Matthias

  • Hallo Matthias,


    ich habe nur ein paar Anmerkungen ganz allgemeiner Art.


    Zum Bergbau, auch vor 1600, solltest Du nach den Unterlagen der Berggerichte bzw. Bergämter suchen, sowie nach Rait- bzw. Rechnungsbüchern. Die Berggerichtsbarkeit existierte in der Regel neben der grundherrlichen Gerichtsbarkeit. Wenn Du Glück hast, dann findest Du z. B. Unterlagen über gerichtliche Auseinandersetzungen. In den Büchern wirst Du auch Aufstellungen finden zur sogenannten Bergfron (in der Regel jeder 10. Eimer vom abgebauten Erz).


    Falls es sich um Gold oder Silber handelt, dann wurden auch die Abgaben an die Münze des Landesherrn erfasst; die Metalle durften in vielen Fällen nämlich nicht frei verkauft werden. Neben Metall für Münzen war Eisen für Waffen sehr wichtig. Und Blei brauchte man, um die Metalle aus dem Stein zu lösen.


    Wichtig zu wissen ist außerdem, dass die Schurfrechte oft von anderen Herrschaften vergeben wurde als Grund und Boden. Das Bergregal (also alles betreffend, was unter bzw. in der Erde zu finden war) lag in der Regel beim Landesfürsten und nicht beim Grundherrn. Um die Abwicklung seitens der Herrschaft kümmerte sich in Innerösterreich z. B. die Hofkammer. Auch in den landesfürstlichen Archiven (Königreich Böhmen etc.) wird es wahrscheinlich Unterlagen geben. Zum Teil gab es je nach Metall (also Edelmetalle wie Gold- und Silber, die für die Münze wichtig waren bzw. Buntmetalle wie z. B. Kupfer) andere Vorschriften.


    Im allgemeinen muss man sich den Bergbau vor 1600 so vorstellen, dass die Bergleute oder Gewerken auch einen Kotten oder sogar Hof besaßen - oder auf letzterem als "Bergknecht" lebten. Für die Familienforschung in dem Zeitraum greifst Du also "ganz normal" auf die Urkunden der Grundherrschaften zurück.


    Wenn Du nicht allzu weit weg von Bochum wohnst, dann besuch doch mal das Berbaumuseum. Du findest dort zahlreiche Modelle, die zeigen, wie Bergbau in früheren Zeiten betrieben wurde - mit allen Problemen wie Vermeidung von Überflutung und Belüftung der Stollen.

  • Hallo Mathias,


    Hat zwar nicht direkt mit Ahnenforschung zu tun, aber wenn Du dich für den Bergbau der damaligen Zeit interessierst kann ich dir Georgius Agricolas "De re metallica" ans Herz legen.
    Die deutsche Übersetzung gibt es als Digitalisat hier:
    http://www.digitalis.uni-koeln…icola/agricola_index.html
    Es behandelt nicht nur die technischen Aspekte des Bergbaus sondern auch die rechtlichen und auch einiges von der Lebenswelt unter Tage der damaligen Bergleute.
    Im Buchhandel gibt es den Agricola auch als "richtiges" Buch zu kaufen.


    Schöne Grüße


    Dieter

  • Guten Morgen Zimba, Guten Morgen Dieter!
    Danke euch beiden für die raschen Antworten und die guten Tipps. Werde mir gleich den Link zu Agricola's de re metallica anschauen. Das "ganz normale" Zugreifen auf die Urkunden der Grundherrschaften wird sicher nicht so einfach werden kann ich mir vorstellen, aber es ist eine ganz neue Herausforderung.
    Einen schönen Tag und Danke,
    Matthias

  • Hallo Zimba!
    Vielen, vielen Dank für die Übermittlung dieser guten Seite, da sind ja haufenweise interessante links zu finden. Danke und noch einen schönen Tag!!!