"Hufe" und "Morgen" - Hinweise auf verschiedene Eigentumsverhältnisse?

  • Hallo allerseits,


    ich stoße immer wieder auf Dokumente aus dem Umkreis des Harzes, in denen (innerhalb ein und desselben Dokumentes) Angaben zu genutztem Ackerland teils in "Hufen" (was ja ursprünglich eine ertragsabhängige Größenangabe war) und teils in "Morgen" (eine ursprünglich von der notwendigen Bepflügungsdauer (?) abhängige Größenangabe) aufgefhrt wurden.


    Mir ist dabei der Gedanke gekommen, dass die Frage, welches Maß genutzt wurde, entweder einen historischen Hintergrund (Hufen älter als Morgen?) oder einen rechtlichen Hintergrund gehabt haben könnte: so habe ich bei einigen Hufen-Angaben auch die Bezeichnung "Lehn-Hufe" gelesen.


    Meine Vermutung zum rechtlichen Hintergrund: "Morgen" waren in erster Linie auf Erbenzinsbasis erworbene Ackerflächen, "Hufen" auf Basis von Arbeits- oder sonstigen Dienstleistungen erworbene Ackerflächen mit stärkerer Bindung an die Person.


    Könnte das so sein oder gibt es noch andere Erklärungen für die zeitgleiche Anwendung bei unterschiedlichen Ackerflächen?


    Ich bin gespannt auf die Antworten!
    Giacomo

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Moin,


    die Bezeichnung "Hufe(n)" und "Morgen" gaben die Größe des bewirtschafteten Ackerlandes an. Als Berechnungsgrundlage für die Abgaben wurden die Hufen und Morgen berechnet. 1 Hufen = 30 Morgen = Vollmeierstelle. Hier im Calenberger Land wurde in den Kopfsteuerbeschreibungen von 1689 die Steuer danach berechnet.

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    VG vom Deisterrand :thumbup:
    Harald

  • Hallo Giacomo,


    auch bei meinen Vorfahren in SH sind die Begriffe Hufe und Hufner vielfach zu finden.
    Es gab die Vollhufe bzw. 1/1tel Hufe bis hin zum 16tel Anteil.
    Das war Grundbesitz mit Haus und Hof und etlichen Morgen Ackerland, wie auch Harald beschreibt, nach denen die Abgaben und Dienste berechnet wurden.
    Je nach Besitzgröße bekamen die Hufner auch Ämter. Bei mir gab es z.B. einige Deichgrafen.
    Und was mir bei meinen Leuten aufgefallen ist: Die Hufner um 1600 waren sehr kreditfreudig und –würdig.


    Viele Grüße, Ursula

    Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Ich gieß Wasser zur Suppe und heiß alle willkommen.


    Viele Grüße, Ursula

  • Hallo Gemeinde,


    nach dem Flächenbesitz richtete sich auch der Stand des Besitzenden. Ich gebe mal die Maße für Preußen um 1850.


    Die Hufe (auch Hube) ist ein variables, landwirtschaftliches Flächenmaß. Die Hufe ist Bauernland, dessen Größe sich nach der Bodenqualität richtet. Eine Hufe soll so groß bemessen sein, dass diese Fläche von einer Familie (des Hüfners) bewirtschaftet werden kann und diese auch ausreicht, dass die Familie sich von den Felderträgen ernähren kann. Naturgemäß ist demzufolge eine Hufe in der nährstoffreichen Magdeburger Börde mit schweren Böden kleiner, als in der kargen, sandigen Mark Brandenburg mit Ranker-Böden. Nach der Anzahl der Hufen richtet sich die Höhe der Abgaben an die Obrigkeit.
    1 alte Brandenburgische Hufe sind etwa 30 große Morgen.
    1 Preußische Hufe sind 66 Preußische Morgen, etwa 16,5 ha, 1,65 qkm, rund 165.000 qm.
    1 Ein „Preußischer Morgen“ ist eine Fläche, die mit einem Ochsen vor dem Pflug, an einem Vormittag gepflügt werden kann. Das sind etwa 2.553 Quadratmeter Flächeninhalt oder 180 Quadratruten (13,4 x 13,4 Ruten), ¼ Hektar, 25 Ar, eine Fläche von 50 x 50 m.
    1 Quadratrute (bei angenommener Rutenlänge von 3,77 m) = 14,2 qm = 0,255 Morgen


    Die Bauern oder Hüfner (der Ackermann, die Ackerleute) die einen Hof mit mehreren Gebäuden und eine oder mehrere Hufen (Flächenmaß) Land besitzen, stehen in der sozialen Hierarchie über den Kossäten und Büdnern. Sie sind dem Grundherrn mit ihrer Hände Arbeit und mit ihrem Gespann zu Dienstleistungen verpflichtet. Als Ganzbauern oder Vollhüfner bezeichnete man diejenigen, die etwa 2 ½ bis 5 Hufen eigenes Land besaßen.

    Die Bezeichnung Kossaten, Kossäten oder Kätner, Kolonisten, leitet sich von Kotte, Kothe oder Kate ab. Sie besitzen also ein einfaches Landarbeiterhaus ohne oder mit nur wenig Landfläche. Als größte Landfläche wird ¼ eines Bauerngutes angenommen. Ist die Landfläche kleiner, werden sie auch Halb-Kossäten genannt und sie haben nur wenig Vieh. Sie werden deshalb auch Kleinhäusler, Halbbauern, Halbspänner (1 Zugtier für den Wagen) genannt, in anderen Landstrichen auch Hintersiedler, Instleute, Kothsassen oder Hintersassen genannt. Wenn die Kossäten nicht über einen Hof, mit Stall und Großtieren verfügen, haben sie der Herrschaft oder dem Amte gegenüber, keine „Wagendienste / Spanndienste“, sondern nur „Handdienste“ zu leisten. Sie gehören im Gegensatz zu Großbauern (so solche vorhanden sind) nicht zu den vollberechtigten Gemeindegliedern. In der Feudalzeit sind sie oft Leibeigene – daher wird dann auch die Bezeichnung Eigen-Kätner verwendet. Da ihnen die Landfläche zum Ernähren der Familie fehlt oder nicht zum Leben ausreicht, müssen sie beim landbesitzenden Bauern oder für das Amt oder eine andere landbesitzende Obrigkeit, als Landarbeiter arbeiten. Auch die Stellung oder ein Hinzuverdienst als Lehrer, Küster, Feldhüter oder Handwerker ist denkbar. Oft ist die Kate nicht Eigentum des Nutzers, sondern es ist dafür ein Mietzins, sind Naturalien abzugeben, Hand- oder Spanndienste zu leisten. Die Kossäten stehen in der sozialen Hierarchie unter den Bauern aber über den Büdnern und Tagelöhnern.

    Die Büdner haben ihre kleine Bude „über dem Kopf“, nie aber Landfläche, höchstens einen umzäunten Garten am Hause. Sie stehen also unter den Kossäten. Sie sind oft als Colonisten von einem anderen Ort kommend, hier neu angesiedelt. Viele von ihnen zählen zu den Handarbeitern.
    Handarbeiter sind Personen, die von selbständig ausgeübter Handarbeit leben. Dazu gehören Tagelöhner, Holzhauer, Chaussee- und Eisenbahn-Arbeiter, Näherinnen, Wäscherinnen usw.
    Das Gesinde, die Bedienenden (Bediensteten), dienen der persönlichen Bequemlichkeit der Herrschaft. Zu ihnen gehören Butler, Köche, Kutscher, Säger, Gärtner, Haushofmeister, Knechte, Jungen, Kammer- und Stubenmädchen (Zugehfrauen), Wäscherinnen, Ammen, Mägde, Stützen und Personen mit weiteren Bezeichnungen, die auf ihre Tätigkeiten hinweisen.
    Als Einlieger bezeichnet man den Nutzer einer gemieteten Wohnung in dem Haus eines anderen Eigentümers. Einlieger arbeiteten oft handwerklich oder von verdingen sich für Tagearbeiten.
    Altsitzer sind Inhaber von Altenteilen (Wohnung, Garten, Land). Die Nutzung auf Rest-Lebenszeit der Eltern wurde zwischen ihnen und den Übernehmern (des Hofes), also oft den Kindern, vereinbart.


    Quelle: Ahnen- und Familienforschung – Heimatgeschichte by Christoph Janecke
    Quelle: die Dörfer in Berlin Handbuch von Hans-Jürgen Rach


    Gruß Steffen

  • Hallo Giacomo,


    mir scheint bei den erklärenden Antworten der, von Dir angefragte Begriff, Lehnhufe zu kurz gekommen zu sein. Die Bauern hatten ihr Land von einem Lehnsherr als Lehen. Dieses Land war zwar kein Eigentum der Bauern, aber sie hatten es im Besitz. Das Land wurde von dem Bauern an seine Nachkommen weiter vererbt. Starb der Lehnsherr oder der Bauer wurde ein neuer Lehnsvertrag erstellt. Dafür das der Bauer das Land bearbeiten konnte, musste er an den Lehnsherrn Abgaben leisten. Ganz früher mal (Mittelalter) der Zehnte Teil des Ertrages. Auch Hand- und Spanndienste mussten geleistet werden. Diese Abgaben wurden später in Geldleistungen umgewandelt.
    Also eine Lehnshufe war eine Hufe Land, die der Bauer als Lehen von seinem Grundherren hatte. Es muss allerdings nicht unbedingt ein Bauer sein, der Land als Lehen hatte. Ich habe zum Beispiel einen Förster, der 1 1/2 Hufe Land als Lehen von denen von Gladebeck besaß.


    Viele Grüße
    Roswitha

    Auf Dauersuche nach dem Namen Creutzburg, Creuzburg, Kreuzburg oder Kreutzburg.

    Einmal editiert, zuletzt von Roswitha ()

  • Meine Vermutung zum rechtlichen Hintergrund: "Morgen" waren in erster Linie auf Erbenzinsbasis erworbene Ackerflächen, "Hufen" auf Basis von Arbeits- oder sonstigen Dienstleistungen erworbene Ackerflächen mit stärkerer Bindung an die Person.


    Hallo Giacomo,


    ich denke, diese Vermutung geht in die richtige Richtung. Das Grimmsche Wörterbuch kennt nur die "Frohnhube", aber nicht Hube allein, und definiert sie als "frohnpflichtiges Ackerland" (sprich: Lehen bzw. Leibeigenschaft der die Hube bewirtschaftenden Familie), während der Begriff Morgen "nur" ein (regional unterschiedliches) Flächenmaß bezeichnet, ohne Aussage über ein Rechtsstatut.

  • Zu Hufe und Hufner findet man ja viel im Internet.


    Zitat

    "Hufen" auf Basis von Arbeits- oder sonstigen Dienstleistungen

    Zitat

    definiert sie als "frohnpflichtiges Ackerland"

    In meinen Unterlagen aus dem LAS geht hervor, dass nicht alle Hufner zu Abgaben oder Diensten herangezogen wurden.


    Es gibt im Dienstgeldregister einige Bemerkungen: dienstfrei wegen Begnadung, bzw. Deichgrafe dienstfrei, Vogt dienstfrei.
    Bei diesen Hufnern ist auch kein Abgabenbetrag fällig geworden.


    Andererseits gibt es auch „halbe Bawleute“ die mehrenteils den vollen Pflugdienst und die Abgaben leisten mussten.


    Viele Grüße, Ursula

    Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Ich gieß Wasser zur Suppe und heiß alle willkommen.


    Viele Grüße, Ursula

  • Hallo Ursula,


    Danke, dass Du auch noch das Thema der "freien" Hufen mit aufgenommen hast: diese Art von (dienstfreien) Hufen kenne ich ebenfalls bei einigen wenigen meiner Vorfahrenfamilien. Angeblich soll es die gelegentlich bei Dorfneugründungen als dauerhaften Anreiz für die ersten Ansiedler gegeben haben...


    Insgesamt finde ich es spannend, wie viel an geballtem Wissen als Reaktion auf meine Anfrage zusammengekommen ist und möchte mich bei allen, die sich hier eingebracht haben, herzlich bedanken!


    :danke:

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)