[Info: Zur Situation der Katholiken im Raum Sensburg bis 1918]

  • Zur Situation der katholischen Gemeinde in Sensburg und Umgebung, mit Blick auf die katholischen Gemeinden zu Heilgelinde, Bischofsburg und Kobulten:


    siehe auch den Artikel im GenWiki Sensburg Katholische Kirchen




    Katholiken im Kreise Sensburg, von Gustav Grossman


    Quelle: Unsere masurische Heimat, 1818-1918, zum hundertjährigen Bestehen des Kreises Sensburg/herausgegben von Karl Templin
    S. 295-297


    Mit der Einführung der Reformation um 1525 wurden die bis dahin katholischen Bewohner unserer Gegend der neuen Lehre Luthers zugeführt und die vorhandenen Kirchen evangelisch. Auch in dem Wallfahrtsorte Heiligelinde, der damals ebenso wie Pülz und Bäslak zum Amte Sehesten gehörte, verschwand der Katholizismus. Trotzdem wurde die Kapelle in Heiligelinde auch weiterhin von katholischen Wallfahrern besucht, die in dem Wasser der Gnadenquelle Heilung von allerlei Krankheiten und Gebrechen finden wollten. Dabei kam es in Folge von Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Katholiken schließlich zu Zerstörung der Kapelle. Seitdem blieb der katholische Kultus fast ein Jahrhundert lang vollständig unterdrückt. Erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts mußte Johann Sigismund auf Verlangen des polnischen Königs, seines Landesherrn, den katholischen Gottesdienst wieder freigeben. 1619 wurde die Kirche in Heiligelinde wieder neu aufgebaut und 1639 den Jesuiten übergeben. Wieder pilgerten nun Wallfahrer in großen Scharen nach Heiligelinde, und die Märkte, welche dort zu Zeit der Ablässe gehalten wurden, zogen auch viele Bewohner des angrenzenden Masurens an. Sogar Evangelische besuchten bei dieser Gelegenheit die Kirche, nahmen an den kirchlichen Andachten teil, beteten und opferten dort.


    Im Kreise Sensburg mehrte sich inzwischen die Zahl der Katholiken nur sehr langsam. Ihr Verhältnis zu den Evangelischen blieb friedlich und gut, trotzdem sie wie alle Katholiken in der Diaspora Masurens bis zum Jahre 1842 dem Parochialzwang unterworfen waren, d.h. sich bei Taufen, Trauungen und Begräbnissen der lutherischen Geistlichkeit des Kirchspiels, in dem sie wohnten, bedienen mußten und an diese Geistlichkeit auch alle Abgaben abzuführen hatten, wie sie von den Evangelischen geleistet wurden. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde in Sensburg versuchsweise auch wieder einmal katholischer Gottesdienst abgehalten. Friedlich gab die evangelische Gemeinde ihr Gotteshaus dazu her, Kaufmann Klein und andere Evangelische halfen beim Gesange. Der Gottesdienst wurde aber einstweilen nicht wiederholt, da die Zahl der katholischen Christen in Sensburg damals wohl noch zu klein war. So blieben denn die Sensburger Katholiken zur Befriedigung ihrer kirchlich-religiösen Bedürfnisse nach wie vor teils auf Bischofsburg, teils auf Heiligelinde angewiesen. Besonders an letzterem Orte besuchten sie ab und zu den Gottesdienst und empfingen die heiligen Sakramente, dorthin schickten sie auch auf 6-8 Wochen ihre Kinder behufs Unterweisung in der Religion und nahmen sie dann in den Wallfahrtstagen von Peter und Paul als „Fertige“ Christen mit nach Hause.
    So blieb bis es zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Durch eine Eingabe an die Königliche Regierung zu Gumbinnen vom 8. Januar 1842 versuchte denn der General-Administrator des Bistums Ermland eine bessere Regelung der kirchlichen Verhältnisse herbeizuführen. Eine Abschrift dieser Eingabe findet sich in den Sehester Kirchenakten unter 143 Fol 11:


    „Die in den zum Regierungsdepartement Gumbinnen gehörigen und an der Grenze Ermlands gelegenen Orte Kamionken, Choszewen, Allmoyen, Bothau, Kosarken, Domp, Ribben und Sorquitten wohnenden Christen katholischer Konfession befinden sich noch in keinem Pfarrverband und haben sich bisher hinsichts der Religionsausübung und Seelsorge gastweise zur Kirche in Bischofsburg gehalten. Die Rücksicht, unsererseits für das religiöse Bedürfnis der katholischen Einwohner in den vorbenannten Orten Sorge zu tragen, fordert uns auf, eine Königliche Regierung ganz ergebenst zu ersuchen, sie als Gastgemeinde zur Kirche in Bischofsburg hochgeneigtest einpfarren und den Pfarrer dieser Kirche zu den Gliedern der Gastgemeinde in das Verhältnis ihres Pfarrers mit dem ausschließlichen Rechte auf die Vollziehung der bei derselben vorkommenden kirchlichen Handlungen, zu welchen es der Mitwirkung eines Pfarrers bedarf, treten zu lassen.“ gez. Frenzel.


    Landrat und Superintendent erhielten hiervon Kenntnis mit dem Auftrage, über die Zahl der in den genannten Orten wohnenden Katholiken zu berichten und sich über die Notwendigkeit und Zulässigkeit des Antrags gutachtlich zu äußern. Die Feststellungen ergaben im Kirchspiel Sorquitten 306 katholische Seelen. Trotzdem sich der Superintendent Pawlik nicht gegen den Antrag der bischöflichen Behörde aussprach, vergingen doch noch mehr als 10 Jahre, bis diesem Antrage stattgegeben wurde.


    Inzwischen hatte sich die Zahl der Katholiken im Kreise immer mehr vergrößert, zumeist durch Einwanderung aus dem benachbarten Ermlande. Die billigen Bodenpreise hier im Kreise legten es den Ermländern nahe, ihre dortigen kleineren Besitzungen mit größeren in Masuren zu vertauschen oder doch wenigstens ihre nachgeborenen Söhne zum Ankauf in Masuren zu veranlassen. 1858 betrug die Gesamtzahl der Katholiken im Kreise bereits 1355. 1853 wurden die katholischen Einwohnen von 28 Ortschaften des Kreises nach Bischofsburg, diejenigen von 46 anderen nach Heiligelinde gastweise eingepfarrt, jedoch einstweilen nur von der bischöflichen Behörde; die staatliche Genehmigung erfolgte erst auf nachmaligem Antrag am 24. November 1860 bzw. 18. Januar 1861 (Amtsblatt 1860: S. 289/90 bzw. 1861: S. 48)


    Seit 1858 wurde in Sensburg auch wieder katholischer Gottesdienst abgehalten, und zwar regelmäßig alle 4 Wochen in dem oberen Stockwerk der Apotheke, wo ein geräumiger Saal gemietet war. Da derselbe sich aber allmählich doch als zu klein erwies, wurde im Frühjahr 1860 mit dem Bau einer katholischen Kirche begonnen, die bereits im Spätherbst desselben Jahres fertiggestellt und am 28. Oktober 1860 unter Teilnahme der verschiedenen Behörden eingeweiht werden konnte. Auch nach Fertigstellung der Kirche wurde der Gottesdienst einstweilen noch von den Geistlichen aus Heiligelinde abgehalten, bis im Jahr 1862 die Sensburger Katholiken im Kuratus Kolberg ihren ersten Geistlichen erhielten. Der Kirchensprengel Sensburg wurde vorläufig noch nicht genau angegrenzt, nur allgemein wurde festgesetzt, daß zu der neuen katholischen Kirche zu Sensburg alle Katholiken im Umkreise von 2 Meilen gehören sollten. Erst durch Kabinettsordre vom 8. Juni 1870 wurde der neuen Curatie die staatliche Anerkennung als Pfarrei erteilt und diese durch den Bischof von Ermland am 30. Juli 1870 genau umschrieben; mit Einschluß mehrerer Ortschaften, aus dem benachbarten Kreise Lötzen, waren es 104 Ortschaften, die der neuen Pfarrei zugewiesen wurden. Die Zahl der Katholiken stieg von jetzt ab ganz bedeutend. Bereits nach 20 Jahren vermochte das vorhandene Kirchlein die Besucher nicht mehr zu fassen und mußte deshalb in den Jahren 1892 – 96 zu seiner jetzigen Größe erweitert werden. Zur bequemeren Pastoration wurden die an den äußersten Grenzen des Kreises liegenden Ortschaften den Nachbargemeinden Rastenburg, Heiligelinde, Stanislewo, Kobulten und Johannisburg zugewiesen. Der weitaus größte Teil des Kreises jedoch, sowie mehrere Ortschaften des Kreises Lötzen sind bis heute der katholischen Gemeinde Sensburg verblieben. Ihre Pastoration besorgt ein Pfarrer, dem seit November 1907 zur Unterstützung ein Hilfsgeistlicher beigegeben ist. Sie ambulante Krankenpflege in der Gemeinde versehen seit 1909 zwei Katharinerinnen aus dem Mutterhause zu Braunsberg, und für die religiöse Erziehung der Jugend wirken außer den Geistlichen eine öffentliche dreiklassige katholische Volksschule in der Stadt Sensburg und 3 katholische Lehrer auf dem Lande, die zusammen auf 8 Stationen katholischen Religionsunterricht erteilen.


    Die Gesamtzahl der Katholiken im Kreise beträgt gegenwärtig fast 10% der Bevölkerung, da sich neben 45000 Evangelischen 4460 Katholiken im Kreise befinden.


    Quelle: bibliotekaelblaska , nur mit djvu-Plugin aufrufbar.

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