Eheeinträge in Kirchenbüchern

  • Hallo,


    ich bin jetzt durch mehrere Kirchenbucheinträge verunsichert.
    Habe einige Eheeinträge, in denen immer nur die Daten der Proclamation stehen. Ggf. noch der Hinweis, dass dann auch "hier" copuliert wurde. Ganz ganz selten (zumindest in alten Einträgen vor 1800) das tatsächliche Datum der Copulation bzw. Ehe.
    Wie kann das sein? War das dann nicht mehr so wichtig? Ist es tatsächlich so, dass in vielen Einträgen das nicht zu finden ist oder habe ich da was überlesen? Ein Muster gab es da nicht, oder (z.B. Sonntag 1, 2, 3 Proklamation u. Sonntag 4 Ehe)?


    Meist war ja die Ehe am Geburtsort der Frau, im Geburtsort Kirchenbuch des Mannes war dann oft der Hinweis auf die Proklamation u. dass in dem anderen Ort dann die Ehe war, aber auch nie mit Datum.


    Komisch. Hat da jemand eine Erklärung?

  • Hallo Rager,


    kannst du mal den scan eines solchen Eintrags einstellen? Welches Bekenntnis?


    Ich kenne das so oder ähnlich (nur die Struktur) aus evangelischen Heiratseinträgen:


    Datum - Name, Stand des Bräutigams - Name, Stand des Vaters - (ab Mitte 18. Jh. auch Name der Mutter) - Name der Braut - Name, Stand des Brautvaters u. ggf. auch der Mutter - wurden (alhier) copuliert - verhältnismäßig selten auch die drei Proklamationsdaten.
    Das Datum am Anfang ist das Traudatum.


    Es kann auch knapper zugehen als beschrieben! Meine Erfahrung: je jünger der Eintrag desto "kompletter" ist er.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo Rager,


    Regelfall: Proclamation und Copulation zusammen im Eintrag des Kirchspiels
    Ausnahmefall 1: Proclamation und Dimission zusammen im Eintrag des Kirchspiels, Proclamation und Copulation zusammen im Eintrag eines anderen Kirchspiels
    Ausnahmefall 2: Nur Proclamation im Kirchspiel, Copulation fand nicht anschließend statt. Mögliche Gründe:
    a) Einrede gegen die Heirat während der Proclamationszeit. Die meist dreiwöchige Proclamation fand ja nur statt, um die Einrede zu ermöglichen.
    b) Braut oder Bräutigam verstarb vor der Copulation
    c) Braut oder Bräutigam erkrankte schwer vor der Copulation oder war aus anderen Gründen längere Zeit verhindert


    Gruß
    Detlef

  • Hallo,


    das verstehe ich noch nicht so ganz.
    Von einer Dimission (habe in Google dazu gefunden, dass das die Entlassung in einen anderen Kirchbezirk ist) habe ich in meinen Einträgen noch nichts gelesen.
    Regelfalleinträge sind bei mir selten....


    Hier ein paar Bsp.:


    1)
    Domin. p. Fest. N. Chr. ing? Dom.
    p. N. am? und Domin. 1. p. Epiphan.
    Johann Isaac Götze, Joh. Götzens,
    weyl.[and] Gastwirths in Wünchenbernsdorf
    hinterlassener ehel. ältester Sohn an-
    derer Ehe, juven. und Jfr. Xtina [Christina]
    Büttnerin Barthol Büttners gewesener? o. angeblich? Nachb.
    und Innnwohner zu Söllmnitz eheleibliche
    einzige Tochter, anderer Ehe, proclamirt
    und den 14. Januar von mir copul[iert]
    worden, Testim. adest
    -> hier waren die Proklamationen am 05.01.1755, 06.01. u. 12.01. Ehe steht da zum Glück drin mit 14.01.


    2a) XVII.p.Tr. wurde Johann Christoph Götze juven. und Nachb. und Einwohner
    in Heukewalde, Isaaks Götzens ebenfalls Nachb. u. Einwohn. daselbst, ehel.
    einziger Sohn, mit Jungfer Eva Maria Kirmsin, Johann Gottlieb Kirmsens
    Nachb. und Einwohn. in Dorna ehel. jüngste Tochter proclam. u. allhier copuliert
    -> Eintrag von 1791, hier fehlt das Datum der Copulation, Proklamation am 16.10.1791


    2b) Johann Christoph Götze Juv. Nachb. und Einwo. allhier Isaac Götze N. Einw.
    allhier und hochfreyherrl[ichen] Gerichts-Schöppens allhier ehel. einiger Sohn wurde
    mit Jungfer Eva Rosina Kirmsin, Johann Gottlieb Kirmsens Nachb. u.
    Einw. in Dorna Dom: XVII. XVIII. u. XIX p. Trin. allhier proclamirt und in Dorna
    copuliert
    -> gleiches Ehepaar, andere Kirche Proklamationen (hier Verweis auf mehrere am 16.10.1791, 23.10.1791, 30.10.1791)


    3) Johann Christoph Götze iuven. gebohren 1797 13ten Nobr.Bürger und Leinwebermeister zu Gera, ehel. 3ter Sohn vondem Nachbar und Einwoh. Johann Christoph Götzen, Wollen-kämmers und Richters zu Dorna, wurde am 18. p. Trinit et Seqqallhier zu Dorna proclamiret, mitJohanna Christiana Fritzschin, virgo, gebohren 1802am 10ten Octbr ehel. älteste Tochter von dem Nachbar u Ein-wohner, und concessionirten Kaufmann Johann GottliebFritzschen zu Zschippach, und endlich allhier copuliretfeierten am 11. Novbr. 1873 am Tage der Kirchweihe ihre goldene Hochzeit
    -> 28.09.1823 u. die folgenden 2 Sonntage), also 05.10. u. 12.10. Proklamation, zum Hochzeitsdatum selbst keine Angabe, aber gem. Nachtrag 50 Jahre später 11.11.1873 goldene Hochzeit, woraus sich Hochzeitsdatum 11.11.1823 schließen lässt, also nach den 3 Proklamationen


    Habe noch mehr solche Bsp....

  • Hallo Rager01,


    1.) Das ist ein klassischer Regelfall: Proklamationen am Sonntag nach Christi Geburt (Weihnachten) sowie am 1. und 2. Sonntag nach Epiphanias.
    2a.) Nur eine Proklamation und keine Kopulation: vermutlich wirksame Einrede nach erster Proklamation.
    2b.) Proklamation an drei aufeinander folgenden Sonntagen, Kopulation in Dorna. Wenn der Eintrag nicht aus dem Kirchspiel Dorna stammt, liegt eine Dimission nach Dorna vor.
    3.) Das ist ein klassischer Regelfall: Proklamation am 14. post Trinitatis et seqq[uentes] (= und folgende 2 Sonnntage, also am 15. und 16. post Trinitatis), Kopulation am 11.11.1823.


    Mir scheint, Dich irritiert, dass wohl in dem Kirchenbuch das Datum der Kopulation nicht ausdrücklich niedergeschrieben wurde, wenn das Kopulationsdatum identisch mit dem Datum der dritten Proklamation war. "endlich allhier copuliert" besagt, dass die Proklamationsphase mit der Kopulation abgeschlossen wurde.


    Gruß
    Detlef

  • also ist der Standard: Ehedatum = Datum der 3. Proklamation, es sei denn es ist ein anderes Ehedatum angegeben (wie bei 1. z.B.)?


    aber:
    2a u. 2b ist die gleiche Ehe. Warum soll bei 2a keine Ehe erfolgt sein? da steht doch dass "allhier copuliert" wurde. Hier passt die o.a. Aussage eben auch nicht. Aus 2b sieht man 3 Proklamationen, in 2a (wie gesagt gleiche Ehe) nur die Info über das Datum der ersten Proklamation. Hätte ich nur diesen Eintrag, wüsste ich gar nichts vom Datum der 2. u. 3. Proklamation u. dann auch nicht das Datum 3. Proklamation = Ehedatum. Oder verstehe ich das falsch? Wäre es hier also wahrscheinlich, dass die Ehe am Tag der 3. Proklamation (30.10.1791) stattfand u. dies im Kirchenbuch der Gemeinde, wo die Ehe stattfand (= Dorna) nicht dokumentiert wurde?


    3: hier fand aber dann die Ehe auch nicht zum Datum der 3. Proklamation statt. Die Info über die goldene Hochzeit kam ja erst 50 Jahre später zum Eintrag dazu. Der ursprüngliche Pfarrer hätte daher dann auch kein Ehedatum angegeben.

  • Hallo Ranger 01,


    Deine erste Aussage ist richtig.


    Deine Aussage zu 2a und 2b ist so nicht richtig. Es ist nicht die gleiche und auch nicht dieselbe Ehe, sondern es sind dieselben Brautleute.
    2a betrifft Leukewalde, den Wohnort des Bräutigams. Hier fand nur eine einzige Proklamation der Brautleute am 16.10.1791 statt. Nach nur einer Proklamation wird grundsätzlich nicht kopuliert! Ein Kopulationsdatum konnte folglich noch ncht eingetragen sein. Bis zur dritten Kopulation hätten noch Einreden erfolgen können. (Berichtigung: hier fand keine Einrede statt.) "allhier copuliert" kann sich eigentlich nur auf Dorna beziehen und ist mißverständlich.
    2b betrifft Dorna/Gera, den Ort der Kopulation. Auch hier fand die erste Proklamtion am 16.10.1791 statt, zwei weitere folgten an den nächsten Sonntagen, am Tag der dritten Proklamation wurde kopuliert (da kein nachfolgendes Kopulationsdatum eingetragen ist). Ab jetzt sind die Brautleute Eheleute.
    2b isoliert betrachtet ist ein klassischer Regelfall.


    Wenn in Fall 3 kein Kopulationsdatum angegeben ist, die Kopulation nicht mit dem dritten Proklamationsdatum übereinstimmt und auch nicht mit dem errechneten Kopulationsdatum, mußt Du selber herausfinden, wo der Fehler liegt.


    Gruß
    Detlef

  • alles klar. Danke. das "allhier" ist wirklich komisch. Wieso schreibt der nur sowas, musste doch wissen, dass er selbst nicht "allhier" getraut hat. Diese KB Einträge werden doch sicher nachträglich vorgenommen, also wenn die 3 Proklamationen vorbei sind. In Heuckewalde (so heißt der Ort von 2a) wurde also nur einmal proklamiert. Und du meinst, es kam hier keine Einrede? Aber warum dann nur die eine Proklamation? Krank oder gestorben passt ja auch nicht, da die Hochzeit ja "normal" verlief (siehe 2b).
    Dass es in manchen Kirchen nur eine einmalige Proklamation grundsätzlich gab, kann nicht sein?

  • Hallo Ranger,


    die dreimalige Proklamation war nicht nur preußisches Gesetz, sondern auch allgemeiner Brauch, siehe http://www.zeitspurensuche.de/02/sitte04.htm.
    Ein Dimissoriale bezog sich auschließlich auf die Kopulation, nicht auch auf die Proklamationen, siehe https://books.google.de/books?id=xNRIAQAAMAAJ&pg=PA457&lpg=PA457&dq=preu%C3%9Fen+proklamation+kopulation&source=bl&ots=24mSyFui8u&sig=wSlpJCM7qmgUqmJariTQKlGsjSU&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjN2tyw2tLOAhVqDMAKHb39BbIQ6AEIIzAA#v=onepage&q=preu%C3%9Fen%20proklamation%20kopulation&f=false.
    In meiner eigenen Familienforschung gab es Fälle, in denen die dreimaligen Proklamationen zeitgleich in den Kirchspielen der Wohnorte beider Brautleute stattfanden. Mit der Hypothese, im Fall 2a hätte es eine Einrede gegeben, die zunächst dort zur Unterlassung der zweiten und dritten Proklamation geführt hätte, die aber im Verlauf der weiten Proklamationen gemäß 2b als unbegründet verworfen worden sei, begäben wir uns ohne gesicherte Erkenntnis ins Reich der vagen Spekulation.


    Gruß
    Detlef