"Mobbing" im KB

  • Hallo,
    seit einiger Zeit durchforste ich die KBs von Darmstadt bei Archion.
    Daß uneheliche Kinder und deren Mütter in KB-Einträgen nicht so gut wegkommen, kennen ja - denke ich - die meisten von uns, die sich ausgiebiger mit KB-Lesen befassen.
    Jetzt habe ich etwas gefunden, was ich in dieser Form noch nicht gesehen habe.
    Ein Pfarrer im 18.Jhdt. zeichnete neben jeden Eintrag eines uneheliches Kindes eine Hand mit ausgestreckten Fingern, wobei der Zeigefinger deutlich auf den Eintrag zeigte. (nicht alle Zeichnungen waren gleich gut gelungen :D ). Gemeint war sicherlich, mit dem Finger auf die Mutter zu zeigen, vermutlch auch auf das Kind. Die entspr. Benennunegn: Dirne, liederlich, Hurerey etc. kamen natürlich im Text noch zusätzlich vor, das braucht man ja nicht extra zu erwähnen.


    Jetzt bin ich im 17.Jhdt. unterwegs, und da hat ein Pfarrer neben einen solchen Eintrag ein Wickelkind gemalt, ganz süß, vollkommen eingewickelt, wie es früher üblich war, man kann sogar erkennen, daß die Füßchen unten rausgucken. Das kann ich mir jetzt nicht erklären, finde es aber bemerkenswert.
    Dieser Eintrag findet sich z.B. im KB Darmstadt Stadt, Konf.-, []-, oo Register 1658-1678. Bild 159. Dieser Pfarrer hat sich sprachlich keine Ausfälligkeiten gegen die Mütter erlaubt, jedenfalls soweit ich es bisher sehen kann.


    Fand ich ganz interessant
    Grüße
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • da hat ein Pfarrer neben einen solchen Eintrag ein Wickelkind gemalt, ganz süß, vollkommen eingewickelt, wie es früher üblich war, man kann sogar erkennen, daß die Füßchen unten rausgucken. Das kann ich mir jetzt nicht erklären, finde es aber bemerkenswert.

    Hallo Gisela,


    das war ja mal ein warmherziger und Gottes Wort ernst nehmender Pfarrer.
    Oder war etwa das gemalte Wickelkind sein eigenes :love: ?


    Viele Grüße, Ursula

    Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Ich gieß Wasser zur Suppe und heiß alle willkommen.


    Viele Grüße, Ursula

  • Hallo Ursula,
    dann müßte er aber wirklich sehr aktiv gewesen sein :D
    Ich sitze seit heute morgen die ganze Zeit am selben KB und bin noch auf viele weitere Wickelkinder gestoßen (ob das einer alleine schafft ?( ). Dabei habe ich festgestellt, daß auch bei diesem Pfarrer die Tagesform sehr unterschiedlich war. Bei einigen der Wickelkinder gucken unten keine Füßchen raus und das arme Wurm sieht im wahrsten Sinne des Wortes eher wie eine Made aus, weil die Wickel-Bandagen sehr ordentlich eingezeichnet sind.
    Ich muß mal nachschauen, wie dieser Pfarrer hieß, ich glaube, ich mag ihn.
    Grüße
    Gisela

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    Einmal editiert, zuletzt von Gisela ()

  • Hallo Gisela
    Ich vermute mal Du ließt in einem katholischen KB.Ich habe solche Bemerkungen wie Du sie geschrieben hast aber im evangelischen KB von Lüttringhausen ebenfalls gelesen.Aber einen ganz tollen Eintrag habe ich in einem katholischen KB von Villach gefunden.Da stand doch glatt neben dem Namen des Kindes und der Mutter natürlich auch der Name des Vaters und zwar Hochwürden Hr Pfarrer XY. Man muss schon sagen,dass diesem Pfarrer alle Ehre gebührt.Er hat sich offen zu seinem"Fehltritt ????????"bekannt.
    Liebe Grüße
    Franz Josef

  • Hallo Franz Josef,
    nein ich lese ein evangelisches KB, denn Archion ist ein Portal von evangelischen Landeskirchen. Die haben gar keine katholischen KBs - woher auch. ?(
    Und das Thema sind in Wirklichkeit, unkonventionelle Methoden, wie unverheiratete Mütter und deren Kinder im KB gekennzeichnet werden.
    Das sieht man auch an dem Wort "Mobbing" in der Titelzeile.
    Das mit dem Pfarrer war ein Scherz :D von Ursula, auf den ich eingegangen bin.
    Jeder, der über uneheliche Pfarrerskinder schreiben will, darf das natürlich gerne in einem anderen Thread, außer, der Pfarrer hat sich selber auch gemobbt. Dannn bitte her damit.
    Grüße
    Gisela

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  • Da stand doch glatt neben dem Namen des Kindes und der Mutter natürlich auch der Name des Vaters und zwar Hochwürden Hr Pfarrer XY.


    Die Kärntner waren da vielleicht etwas entspannter. ;-) Bei unehelichen Kindern finden sich in den KB dort ja auch fast durchgehend die Namen der Väter.


    Bei 80% unehelichen Geburten in der Pfarre Himmelberg im Zeitraum etwa 1860-1880 wäre sonst auch viel weiß geblieben. :D


    Da hätten die Pfarrer aber viel zu malen gehabt. ;-)

  • Hallo ihr Lieben,


    zwar kein Mobbing, aber auch nicht so richtig nett.
    In den Kirchenbüchern bei ARCHION in Berlin-Charlottenburg habe ich entdeckt, dass der Pfarrer die Geburten der Kinder zwar eingetragen hat, aber wenn die Eltern diese nicht taufen lassen wollten, hat er einfach die Namen der Kinder nicht hingeschrieben, sondern nur " ehelicher ungetaufter Sohn bzw. Tochter". Für uns Ahnenforscher natürlich nicht so schön wegen der späteren Wiedererkennung, wer nun wer ist. Im Stammbaum sieht es auch nicht gut aus. Aber gerade die Berliner Pfarrer haben sich noch viel Ärgerlicheres geleistet.


    LG Gabi

    FN Grzegorzewski (die Adligen aus Polen)
    FN Gregorovius (Ost-und Westpreußen)
    FN Kreutz ( Berlin und ? )
    FN Dannehl (Magdeburg und Umgebung, Berlin)
    FN Ludwig (Pommern,Osternothafen)
    FN Werth (Rheinland,Aachener Umgebung,Berlin)

  • Hallo Simone,


    so ca. 1849 bis 1873. Irgendwann in diesem Zeitraum ist es mir aufgefallen.


    LG Gabi

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  • Hallo Gabi,


    das war also vor der sogenannten "Standesamtszeit". Waren die Kirchen in Preußen zu der Zeit irgenwie verpflichtet, die Geburten zu registrieren? Sonst wäre es ja logisch, dass wenn keine Taufe, auch kein Eintrag erfolgt. Schließlich handelt es sich um TAUFbücher.

  • Hallo Simone,


    ich meine, sie waren dazu verpflichtet, sonst stünden doch auch nicht jede Menge tot geborener Kinder in den Kirchenbüchern, die ja auch keine Namen und keine Taufe mehr brauchten.
    Die Pfarrer hätten doch aber sicher die Möglichkeit gehabt, die Namen der lebenden Kinder hinein zu schreiben und als Zusatz dann " ungetauft " mit dazu zu notieren.


    LG Gabi

    FN Grzegorzewski (die Adligen aus Polen)
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  • Hallo Simone,

    Waren die Kirchen in Preußen zu der Zeit irgenwie verpflichtet, die Geburten zu registrieren?

    ja, sie waren. Sie mussten sogar Anfang des neuen Jahres eine Abschrift vom KB des vergangenen Jahres an eine zuständige Stelle abliefern (ich glaube an das Amtsgericht).
    Das war aber auch in anderen Staaten des deutschen Flickenteppichs so vorgeschrieben.
    Diese Zweitschriften sind heute oft die einzige Quelle, da viele Haupt-KB im Krieg vernichtet wurden.
    Die bei ancestry verfilmten KB sind sehr oft die Zweitschriften.
    Fehler bei der Abschrift sind zwar nicht wirklich häufig, werden aber immer wieder gemeldet.


    Hat zwar nichts mit "mobbing" zu tun, aber eine Antwort war die Frage doch allemal wert.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Dank Euch für die Info. Das war mir so noch nicht bekannt. Auch hatte ich mich noch nie gefragt, warum es eigentlich die Zweitschriften gibt. Nur für Österreich wusste ich, dass die Kirchen noch bis ca. 1938 die Bücher führten.

  • wo wir grade dabei sind, helfe ich gerne mit beim Themenwechsel meines eigenen Themas. Denn das hier ist ja wirklich auch interessant und wichtig.
    Wie gesagt, ich bin grade an den Darmstädter KBs, und es fällt auf, daß alle Einträge ab ca. 17807 fast schon genormt sind: gleiche Wortwahl, gleicher Satzbau, gleicher Inhalt, also z.B. wird bei Beerdigungen immer der genaust mögliche Todeszeitpunkt genannt und auch immer die Uhrzeit der Beerdigung. Daten werden in Worten ausgeschrieben, und leider kommt niemals wieder eine Todesursache vor. ;(


    Analog verhält es sich bei Heiraten und Taufen. Bei den Heiraten werden ganz bürokratisch akribisch die erfüllten zivilrechtl. und kirchenrechtl. Voraussetzungen für eine kirchl. Eheschließung aufgelistet und von welcher amtlichen Stelle die entspr. Bescheinigung stammt.
    Das war wie heute, es mußten die rechtlichen Angelegenheiten zwingend vor der kirchlichen Trauung stattgefunden haben, z.B. "Ehepact", weinkäufliche Copulation (19. Jhdt!) und noch so einiges. Das ganze liest sich dann, grade bei den oo, bürokratischer als eine heutige standesamtl. Trauung.


    Bei den Beerdigungen werden auch immer zwei Zeugen benannt, die den Eintrag mit unterschreiben. Das sind sehr sehr häufig die Totengräber, sodaß man anhand der Eingräge auch die Totengräber Darmstadts erforschen kann. (netter Nebeneffekt)


    Man richt bei all dem gradezu den gesetzlich angeordneten Hintergrund. Und Napoleon läßt grüßen.
    Grüße
    Gisela


    Vielleicht kann ja ein Mod diesen Teil des Threads abtrennen und ein eigenes Thema draus machen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Gisela ()

  • Hallo,
    hier ein Beispiel für echtes Mobbing.
    Der Lehn und Gerichtsschulze Erdmann Christian Kanneberg stirbt am 19.07.1755 in Grassau.
    Zu seinen Tod steht " Er war ein unchristlicher Mann, liebte Föllerei, Hoffahrt, Geitz, Zorn, Zank und Neid. hinderte alle christlichen Anschläge."
    Beim Untersuchen dieser Nachricht bin ich darauf gestoßen, das er sich mit der Kirche jahrelang um eine Wiese gestritten hat.
    Könnte also ein nachtreten des Pfarrers sein.
    Gruß Rüdiger





    • Zitat

      " In Rom Athen und bei den Lappen / Da kennt man jeden Winkel aus / Dieweilen wir im Dunkel tappen / Daheim im eignen Vaterhaus "

  • Hallo Rüdiger,


    sowas ähnliches habe ich mal in einem amerikanischen Kirchenbuch gelesen. Der aus Böhmen eingewanderte Pfarrer hat demjenigen sogar das christliche Begräbnis verweigert. Der Arme hatte eine Gemeinde, die zur Hälfte aus frommen Westfalen und zur anderen aus badischen Freigeistern bestand. Am Ende ist er nach Australien ausgewandert und ist dort als Einsiedler gestorben.


    Viele Grüße, Micha

  • eieiei, ein böhmischer Pfarrer mit badischen Feigeistern und frommen Westfalen in der Fremde zusammengesperrt. ...... auch wenn mir jetzt jemand ein angemessenes Begräbis verweigern will: ich schmunzele sehr intensiv. :D Allein die Vorstellung macht dem Außenstehenden Freude :D (den Beteiligten wohl weniger)


    Einsiedler in Australien ist die logische Konsequenz, eine andere Möglichkeit existiert nicht.


    War das nach 1849? von wegen badische Freigeister.


    viele Grüße
    Gisela


    A propos: der Bruder meines Urgroßvaters, beide Pfarrer, verweigerte einmal einer eingeäscherten Leiche die Beisetzung auf dem Friedhof, weil man als lutherischer Christ an die Auferstehung des Fleisches zu glauben hat. Von einer Auferstehung der Asche hat wohl noch niemand etwas gehört.

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Hallo Gisela,


    habe gerade mein Transcript rausgesucht, weils so schön ist. Ein paar Wörter hatte ich nicht rausbekommen. Das war in St. Damian, Clinton Co. Illinois :D


    Landolin Wangler,
    39 Jahre alt, starb am 6. Septemb.(er) (1)869
    ohne Empfang der hl. Sterbesakramente
    Derselbe vernachlässigte den hl. Gottesdienst
    u. Communion, besuchte nie die Kirche
    und wollte keinen Kirchenstuhl mie-
    ten; er war ein Freigeist, wie
    sie viele unter den Badensern sind.
    Ich verweigerte ihm - zur heilsa-
    men Warnung für Andere -
    das Geistliche Begräbniß und er wur-
    de ohne "Sang und Klang" (wie es
    die Freigeister lieben!??) auf den
    Friedhof gleich an der Gate links
    das 1te Grab - beerdigt. Sein Schwie-
    gervater Schrämpf hat ihn mit
    einer Soda-bottle Weihwasser "rein-
    gewischt"; die Badenser ab...? f...?
    haben auf mich (per se!) kräf-
    tig geschimpft, das nicht in mei-
    ner Gegenwart, sondern in der
    Grocerie(?), wo sie überhaupt st...?
    "Jahre" sind.
    Friedrich Chmeliczek
    Pastor

  • A propos: der Bruder meines Urgroßvaters, beide Pfarrer, verweigerte einmal einer eingeäscherten Leiche die Beisetzung auf dem Friedhof, weil man als lutherischer Christ an die Auferstehung des Fleisches zu glauben hat. Von einer Auferstehung der Asche hat wohl noch niemand etwas gehört.


    Ich zitiere, der Einfachheit halber, mal kurz aus Wikipedia: "Die Neuregelungen zur Bestattungskultur durch Karl den Großen aus dem Jahre 786 verboten die Verbrennung von Toten, und im Mittelalter diente der Feuertod als Todesstrafe."