Geschichtliches-Migration

  • Meine Vorfahren sind ein wenig umtriebig gewesen, daher interessiert mich wie "Umzüge" damals von Statten gingen.
    Ein Ahn kam vor 1809 vermutlich direkt aus Salzgitter nach Berlin. Er müsste ca. 1781 geboren sein.


    Jedenfalls heiratete er im Dezember 1809 in Berlin und in seinem Heiratseintrag fand ich folgendes:


    Johann Heinrich Cassel, Schumachergesell alhier,
    See(ligen) Christian Cassel, gewesenen SaltzSiederey Aufsehers zu Saltzgitter im Hildesheimschen
    Hat den Eid unterschrieben daß nichts dieser ehe(lichen) Verbindung hinder(lich) ist.


    Im Jahr 1807 und im Januar 1809 wurde er als Vater der unehelichen Kinder seiner Braut in Taufeinträgen der Waísenhauskirche genannt.
    Der Vater der Braut war ebenfalls verstorben, stammte aber wohl aus Berlin. Die Mutter der Braut stimmte der Ehe zu.


    Und da frage ich mich ob ich herausfinden kann, wann der junge Mann nach Berlin kam und was er brauchte um sich auszuweisen, anzumelden oder so...
    Wie sind die schlichten Leute damals gereist? Einfach Bündel geschnürt und losgelatscht? Vielleicht mit einem Pferdefuhrwerk das in die Richtung fuhr gegen geringes Entgelt mitgefahren? Wie sah das mit Grenzen aus?
    Er machte sich aus dem Bistum Hildesheim auf den Weg durch Herzogtum Braunschweig oder Kurfürstemtum Hannover oder direkt ins Kurfürstentum Brandenburg vielleicht über Magdeburg nach Berlin.
    Was musste er tun als er in Berlin ankam? Naja, außer ner Übernachtungsmöglichkeit :D Gabs da sowas wie ne Fremdenkartei? Was heist das "alhier"? Dass er schon lange da ist oder dass er jetzt in Berlin wohnt? Wie war das mit der Kirchengemeinde? Redete man da mit dem Pastor und wedelte mit der Taufbescheinigung?


    Hat jemand Ahnung und weiss wie solche Sachen damals abliefen? Würde mich wirklich sehr interessieren auch um Ansatzpunkte zu finden - Bürokratie hilft 8-) :D

  • Hallo Thea,


    ohne, dass ich Dir dazu eine genaue Quelle nennen könnte: ich habe mehrfach gelesen (und auch schon Beispiele dafür gesehen), dass es um die von Dir genannte Zeit herum tatsächlich üblich war, Ausweispapiere vorzuweisen, wenn man eine Landesgrenze übertreten wollte. Diese Ausweispapiere enthielten Informationen über die Herkunft, das Aussehen und evtl. über das Reiseziel des jeweiligen Reisenden. Wenn man dauerhaft in ein Land einwandern (bzw. sich dort einbürgern) wollte, musste das bei einem dafür zuständigen Amt beantragt werden; wollte man sich seitens seines Herkunftslandes keinen Ärger einhandeln, sollte man außerdem eine schriftliche Genehmigung der eigenen Landesregierung für die Auswanderung vorweisen, weil das sonst als illegale Landesflucht gewertet worden wäre (ich kenne einen solchen Fall aus dem 17. Jh. bei einem eigenen Vorfahren, bei dem der "ausländische" Ort nur einen Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt lag).


    Zu der von Dir angegebenen Zeit gab es meines Wissens in Deutschland schon ein Netz von regelmäßig verkehrenden Postkutschen, die zumindest als EIN Verkehrsmittel unter anderen mitgenutzt werden konnten. Überwiegend dürfte Dein Vorfahre aber wohl tatsächlich zu Fuß und mit gelegentlicher Mitnahme durch "private" Fuhrwerke gereist sein.


    Leider scheint sich von der Buchführung über Ein- und Auswanderer insgesamt eher wenig erhalten zu haben (ich meine, mich daran zu erinnern, mal ein solches von der Stadt Wolfenbüttel geführtes Buch gesehen zu haben, kenne aber sonst keine Beispiele, wenn man nicht kommunale "Bürgerbücher" mit darunter fassen möchte).


    P.S.: möglicherweise könnte der "Spaziergang nach Syrakus" von Johann Gottfried Seume (1802) im Zusammenhang mit Grenzübertritten für Dich von Interesse sein (Seume ist damals mit eher wenig Geld gereist und hat u.a. auch immer mal wieder seine Erfahrungen mit Grenzübertritten und den damit verbundenen Formalitäten beschrieben; davon abgesehen ist das Buch für sich genommen schon ein sehr spannend geschriebener, ungewöhnlicher Reisebericht).

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Sbriglione ()

  • Hallo Thea,


    speziell zu Schuhmachern fällt mir ein, dass es in ländlichen Gegenden nicht unüblich war, dass die Schuhmacher das ganze Jahr über von Hof zu Hof zogen. Wenn die Schuhe für den Bauern, seine Familie und das Gesinde geflickt oder fertig gestellt waren, zog man zum nächsten Hof.


    Vielleicht ist Dein Vorfahr ja auch auf der Walz nach Berlin gekommen. Unterweg arbeitete er bei verschiedenen Meistern, sammelte ein paar Wochen hier, ein paar Monate dort Erfahrung.


    Vielleicht befasst Du Dich mit dem Berufsstand noch etwas näher. Falls Du etwas Interessantes findest, so würde ich mich freuen, wenn Du Links hier postest.

  • Hallo und vielen Dank für Eure Tips und Anregungen. Habe mir noch ein wenig die Nacht um die Ohren geschlagen ?( und anscheinend endlich die richtigen Suchworte gefunden. Reisen damals war mehr als beschwerlich vor allem mit den Postkutschen und die Obrigkeit hatte keinerlei Interesse die Situation zu verbessern. Einige Bahnlinien wurden später verhindert mit dem Argument dass damit ja die Untertanen genau so schnell reisen könnten wie der Herrscher oder es klang schon damals das Thema Entschleunigung anmit der Aussage dass es ja gar nicht nötig sei so schnell zu reisen. :thumbdown:
    Reisen unter Römerherrschaft soll angenehmer gewesen sein als um 1800.
    Ich vermute mal, bei Umzügen in weiter entfernte Städte wurde alles soweit möglich verkauft und man reiste mit schmalem Bündel.


    Auch zu den Schuhmachern habe ich etwas gefunden was ich euch nicht vorenthalten will.
    zimba123, du kannst diese gern auch verschieben (lassen). Vielleicht passt ein anderes Unterforum da besser? Ich werde hier bei erneuten Funden gern ergänzen.



    Hier einige Links zu Schuhmachern:
    Geschichtliches zu Berliner Schuhmachern:
    http://www.schuhmacherinnung-berlin.de/html/geschichte.html


    http://www.shoepassion.de/maga…n-schustern-schuhflickern



    Am schwersten hatten die Schuhmacher zu tragen,
    da das Gewicht des von ihnen auf die Wanderschaft mitzunehmenden Handwerkszeuges zehn bis zwölf Pfund betrug.
    ...Von den Schuhmachern ging – gewiß aber nur boshafter Weise – die Rede, daß sie, meist eigensinniges, knurriges,
    zum Krawallen geneigtes, auf ihr Metier äußerst stolzes Volk, die knotige Seite des Handwerksburschenleben
    in Manieren und Sprache vertreten hätten, die raffinirtesten Schimpfer wären und in der ganzen Welt in schwarzem Bunde
    mit allen Depots des Frankfurter Hühneraugenpflasters stünden.
    Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Der_Handwerksbursch


    Eine Geschichte
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/die-schelmenkappe-4519/46


    https://de.wikipedia.org/wiki/Schuhmacher
    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Schuhmachermuseen