"Todschlag" oder "Mord"? - und die Frage, ob DIESE Unterscheidung schon um 1668 herum von Gerichten getroffen wurde...

  • Folgende Situation:


    Eine ältere Frau "erwischt" in ihrem Garten einen jungen Weindieb - und dieser setzt sich mit dem Wurf (!!!) eines ca. 44 g. schweren Steines zur Wehr. Die Frau wird tödlich getroffen...
    Würde das heutzutage unter "Todschlag" fallen, oder wäre das schon "Mord"?
    Und: gab es diese Unterscheidung schon zum Zeitpunkt dieses Kriminalfalles (im Jahre 1668)?
    Gesichert ist auf jeden Fall, dass der Täter "mit dem Schwerdte vom Leben zum Tode befördert" wurde (was für mich dafür sprechen würde, dass es als Mord gewertet wurde). Aber hätte ein anderer Richter es seinerzeit anders werten können?


    Und eine weitere Frage (vielleicht weiß das ja jemand von euch): 44 g scheinen mir als Gewicht nicht so sonderlich viel zu sein: würdet ihr meine Vermutung teilen, dass ein solcher Wurf nur dann tödlich ist, wenn die "Zielperson" besonders "unglücklich" getroffen wurde? Oder kann man da auch bei einem "Laien" (der Täter war ein armer Schmiedegeselle) von einer Tötungsabsicht ausgehen?

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Sbriglione ()

  • Hallo,


    in einer Stadt des Oldenburger Münsterlandes wurde um 1800 herum das letzte dortige Todesurteil vollstreckt: der junge Dieb hatte, vermutlich weil er Hunger hatte, ein Wurststück gestohlen und wurde daraufhin gehängt.


    Die Frage, ob Mord oder Totschlag, wird den Richter in deinem Fall vermutlich wenig interessiert haben. Bereits geringfügigere Vergehen hatten früher Folgen, die man nach heutigen Maßstäben kaum noch nachvollziehen kann.


    Gruß HG

  • Hallo Micha,


    es sind Gramm gemeint, weil ich das im Eintrag stehende Gewicht von 3 1/2 Lot - von mir sicher und zweifelsfrei als Kürzel identifiziert - (nach dem ortsüblichen Gewicht entspach 1 Lot nach heutigem Gewicht 14,6 g) umgerechnet habe, um das Gewicht für uns Heutige etwas handhabbarer zu machen - und ich habe dann, weil es sich nur um eine ungfähre Angabe handelte, die Sachen nach dem Komma gerundet.


    Hefig, wenn ich von HG lesen muss, dass Leute sogar für einfachen Diebstahl aus Hunger hingerichtet werden konnten...
    Ich dachte immer, dass Diebe "nur" mit "Handabhacken" bestraft worden seien.


    UND mir ist im Nachhinein noch aufgefallen, dass die Tat des Täters, wenn sie nicht doch mit Tötungsabsicht erfolgt sein sollte (und ich glaube nicht an Tötungsabsicht, wenn ich auch leider bisher noch keine Prozessakten zu dem Fall gefunden habe) nach heutiger Auffassung womöglich noch nicht einmal als Todtschlag, sondern eher als "Unfall" zu werten gewesen wäre. Aber da bin ich kein Fachmann und es war ja schlicht auch eine andere Zeit...


    Grüße
    Giacomo

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Nach heutiger Rechtsprechung sehe ich nicht wie man in dem Fall Mord konstruieren könnte. Dazu fehlt es an Mordmerkmalen wie Heimtücke oder "habsucht "als Motiv.


    Heute kämen Körperverlezung mit Todesfolge oder Totschlag in Frage. Aber auch heute ist die Strafe für Todschlag ggf nicht geringer als für Mord.


    Früher gab es hohe Strafen für Diebstahl weil Eigentum einen anderen Stellenwert hatte. Menschenleben waren nicht so viel Wert, man starb eh viel und Leute gabs meisst genug. Da reichte es wenn die Arbeitskraft entschädigt wurde also Schadenersatz an die Familie gezahlt wurde. De Menschen damals hatten nicht viel Eigentum. In Inventarlisten stehen manchmal 1 Löffel und eine Holzschüssel als GEschirr im Haushalt. Kannst du genau sagen wie viele Teller und Löffel du hast? ICh nicht ?( Ich denke ca 70 Esslöffel , ebenso viele Teelöffel und etwa 50 Essteller (Ohne Servierteller, Schnickschnackteller)
    Ein gestohlener Sack Getreide konnte den Tod einer Familie bedingen, deshalb gab es harte Strafen und Leute die eine Hose von der Leine stahlen wurden über Landesgrenzen hin Strafverfolgt (Steckbriefe)

  • Siehe: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, Dr. Franz von Liszt, Berlin 1896, insbesondere § 81, Kap. II. https://books.google.de/books?…ine%20t%C3%B6tung&f=false
    Gruß - Detlef

    Vielen Dank für den Link, den finde ich auch interessant. Zum Topic selbst kann ich nur darauf hinweisen, das in einigen Ländern teilweise bis heute Strafen gelten, die Jahrhunderte alt sind.

    Forschungsgebiete: Thiele (Sohlingen / Uslar), Lampe (Hannover), Greif (Großenhain/Polen), Eichler (Meissen / Großenhain)
    Vorfahren von Dora Alma Kleinert + Max Alfred Winter (vor 1930)

  • Ich würde hier eher die Frage stellen, ob es sich um Diebstahl oder um Raub handelt, bei dem die Strafe dann wohl auch davon abhängt welche Gewalt angewandt wird und wie hoch der Gewaltschaden beim Opfer ist...
    Körperverletzung und Raub zielen ja eher auf die Körperverletzung bzw. den Tod der Person ab, während Raub auf den, für die Körperverletzung ursächliche, Absicht etwas zu stehlen ziehlt.
    Also quasi Henne/Ei


    lg
    Stephan

  • Hallo zusammen.
    Zur damaligen Zeit war ein Menschenleben nicht sehr viel wert wie man aus einer Gerichtsakte von 1670 lesen kann.Die Tat um die es geht geschah in Kärnten.Es war bei einer Hochzeitsgesellschaft in einem Gasthaus.Es kam zu einem Streit der sich dann ins Freie gelangte.
    Der Braut wurde von einem Hochzeitsgast ein Auge ausgestochen.Ein anderer Gast verletzte im Zuge des Streites ein Pferd.Der langen Rede kurzer Sinn :das ausgestochene Auge wurde mit 14 Tagen Gefängnis bestraft.Das verletzte Pferd kostete dem Täter 1 Jahr Gefängnis plus einer hohen Geldstrafe.
    LG
    Franz Josef