"Ritterstand" nach Ausgang des Mittelalters

  • hallo,
    ich habe oft an den Spitzen von Familienlinien den Vermerk "Ritter" gelesen. Aber nicht etwa zu Zeiten der Kreuzzüge, sondern im 16. oder 17. Jahrhundert! Welche Bedeutung hat der Titel "Ritter" überhaupt zu dieser Zeit? Ich möchte fast schon davon ausgehen, dass das Attribut des Ritterstandes für den jeweiligen Ahnherrn eine freundliche Legende der späteren Generationen ist. Bei gedruckten Stammfolgen aus genealogischen Büchern kann ich jedoch kaum auf direkte Quellen hoffen.
    Nehmen wir einmal an, der Titel sei in irgendeinem Falle tatsächlich echt. Bedeutet dass, dass der Ahnherr eine Abstammungstafel mit -je nach Epoche- 16 oder 32 wappenführenden Ahnen aufweisen konnte? Und wie kann man die finden?

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Es gab die Angehörigen der Reischritterschaft -besonders zahlreich im fränkischen und im schwäbischen Reichskreis- die eine Reichsherrschaft besaßen und in Ritterkantonen organisiert waren. Sie unterstanden nur dem Kaiser, bildeten aber keinen Reichsstand und waren deswegen auch nicht in Regensburg vertreten. Bei Auflösung des alten Reiches wurden sie von den größeren Nachbarn annektiert, erhielten aber vorher noch die kaiserliche Genehmigung sich Reichsfreiherr zu nennen.
    In Bayern gabs dann noch eine miltärische Auszeichnung, die für den Träger mit dem persönlichen Titel "Ritter von ---" verbunden war. Wann dieser Orden eingeführt wurde, ist mir allerdings nicht bekannt. Im 20. Jhdt. spielten noch eine Rolle der Ritter von Epp und der Ritter von Lex.
    Gruß Krüll

  • Da hänge ich mich gleich frech mit dran. Ich habe hier einen Karl Reichsritter von Kißling, 1876 in Linz (österreich). Wie habe ich den zu sehen?


    Gruß
    Detlef

  • hallo Frank, entweder kannst Du Gedanken lesen, oder hast meine Spitzenahnenliste genau studiert. Tatsächlich sind viele meiner Vorfahren im Baltischen Raum beheimatet. Jedoch nicht wissend, ob dies einen Unterschied ausmacht, hatte ich meine Frage ganz allgemein in den Raum gestellt. Denn die Baltischen Familien lassen sich ja in der Regel auf Vorfahren aus dem Reich zurückführen. Und wenn für die älteste Zeit keine Unterlagen mehr greifbar sind, dann will die mündliche Überlieferung (also alte Chroniken aufgrund mündlicher Quellen) stets wissen: "Es war ein Rittersmann XX, von dem wir abstammen". Das liest sich wie eine regelmäßig vorkommende Aufbesserung der eigenen Wurzeln.
    Gerade hatte ich einen netten Mailwechsel mit einem Forenmitglied, welches mir eine gründlich recherchierte Prüfung dieser üblichen Legende bei der Familie Stavenhagen übermittelte: Zumindest in diesem Fall sprechen die erhaltenen Quellen eine ganz andere Sprache.
    Daher rührt meine etwas kritische Auffassung zu solchen Rittergeschichten.
    Jetzt weiss ich zumindest, was das Attribut Ritter bedeutet, wenn es denn belegbar ist.


    Bei den Baltischen Ritterschaften bin ich mir der genauen Bedeutung nicht bewusst. Ich gehe bislang davon aus, dass die Bezeichnung nur den immatrikulierten Adel bezeichnet. Denn die eingewanderten Adligen mussten sich in Estland, Kurland etc mit ihrem Diplom registrieren lassen, um im Baltikum das Recht auf Grunderwerb oder die Offizierslaufbahn zu bekommen. Ist meine Annahme richtig?

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Ist meine Annahme richtig?


    Soweit ich weiss richtig, aber man musste nicht ein angeschriebener Adeliger sein
    um Grundstueck zu erwerben!
    =)
    Hellsehen kann ich noch nicht
    nur 1+1 zusammenzaehlen!
    :(
    Herzliche Gruesse,
    Frank

  • Danke Frank,
    aber dies ist wahrscheinlich nicht die betreffende Familie. Mir ging es auch eher allgemein um die Stellung eines Reichsritters im Österreich der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts als historische Klarstellung für mich. Der konkrete Bezug war ein Eintrag über den Genannten als Hof- und Gerichtsadvokat in Linz.


    :danke: Detlef


    PS: Der Name wurde auch ausdrücklich "Kißling" geschrieben, das -ß- soll von grundlegender Bedeutung sein!

  • Hallo Detlef,


    hier ist etwas über den Ritterstand in Österreich im 19. Jh. nachzulesen http://austroarchiv.com/joomla/content/view/130/27/ .
    Im Grunde hatte der Ritterstand seine Bedeutung verloren, es wurden aber dennoch Rittertitel, die zwischen einfachem Adel und Freiherrenstand, eingegliedert waren vergeben.
    Die v. Kißling sind übrigens im Adelslexikon, in den Brünner Taschenbüchern, im Genealogischen Taschenbuch des Österreichischen Adels und im Wappenbuch der Steiermark zu finden.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • :danke: an den Iniator der informativen Beiträge und an alle, die diese geleistet haben,
    hallo hina,
    danke für den hilfreichen Hinweis auf den Artikel im Link. Nun könnte ich ja in den anderen angegeben Quellen stöbern, schneller stellt sich die Frage aber hier:
    In einem österreichischen Genealogieprojekt bin ich auf eine "geborene Reichsfreiin von ..." gestoßen. Ist der männliche Part dazu der "Reichsfreie" und ist dies mit Freiherr/Freifrau in Deutschland gleichzusetzen?


    Herzliche Grüße
    Detlef

  • Hallo Detlef,


    der österreichische Freiherrentitel entspricht im Grunde dem in deutschen Landen und wurde vom Kaiser verliehen. Es handelt sich hier um titulierten Adel. Die ledige Tochter eines Freiherren ist die Freiin, der Sohn ein Freiherr, die Ehefrau eine Freifrau.


    Allerdings gibt es den Titel Reichsfreiherr offiziell nicht. Damit haben sich die Freiherren gerne selbst geschmückt, um zu dokumentieren, dass sie vor 1806 den Freiherrentitel vom Kaiser verliehen bekamen, rein um sich vom napoleonischen Adel zu unterscheiden. Richtig sind sie wie oben beschrieben, Freiherr, Freiin und Freifrau.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Hallo Detlef,
    hast Du zufaellig das Wappen deiner "Kißling" :!:


    Herr F.W.Seipe,
    vieleicht koennte ich helfen wenn ich den Namen der betreffenden Familie haette,
    auch ich hatte am Anfang viele Geruechte, die sich dann doch als Wahrheit zeigten!
    Natuerlich habe ich auch Geruechte wofuer ich keine Antworten fand!