Gerichtliche Trauung

  • In nachstehend aufgeführtem Taufeintrag wird angemerkt, dass es eine gerichtliche Trauung gab.


    Friedrich Wilhelm Christian, Sohn des Christian Beckman, Kolonist, und der Wilhelmine Sens, wird am 26.09.1868 um 4.00 h in Neuhausen geboren und dort am 18.10.1868 von Prediger Bollert getauft. Paten: 1) Bauersohn Christian Gragert aus Kehrberg 2) Frau Schulze Marie Telschow aus Buchholz 3) Kolonist Heinrich Telschow aus Neuhausen 5) Frau Marie Sens geb. Kloß aus Beveringen.
    "N.B. gerichtlich getraut laut Verhandlung vor der Königl. Kreis=Gerichts=Commission I v. 10. Sept. 1868, Vol. I Blatt 19 der Akten, dieBeglaubigung der Heirathen betreffend."
    Quelle: Ev. Kirchenbuchduplikat Neuhausen, Ostprignitz, 1846, 1847, 1849, 1851-1873, Taufen 1868, Nr. 2


    Im KB-Duplikat findet sich kein Traueintrag der Eltern des Kindes.


    Frage: Was hat es mit dieser gerichtlichen Trauung auf sich und wo könnte sie zu finden sein?


    Bislang ist mir bei meinen Recherchen noch kein Hinweis auf eine derartige Trauung aufgefallen.


    Vielen Dank für entsprechende Erklärungen!

  • Hallo Willi,


    die gerichtliche Trauung ist zu vergleichen mit der heutigen standesamtlichen Trauung. Das hatte zur Folge, dass der nachfolgenden kirchlichen Trauung keine Prüfung der Ehevoraussetzungen durch die Kirche zu erfolgen hatte.
    Siehe dazu den Auszug aus: Verhandlungen, Band 2 von Prussia (Germany). Landtag. Haus der Abgeordneten, S 787


    (Zitatanfang)
    Wenn der gerichtlichen Eheschließung die kirchliche Trauung folgt,
    so ist zur Zeit der letzteren bereits eine bürgerlich gültige Ehe
    vorhanden, eS versteht sich also von selbst, daß der Pfarrer.nicht zu
    prüfen hat, ob der Eingehung der Ehe bürgerliche Hindernisse im Wege
    stehen. Eine solche Prüfung ist bereits von dem Richter vorgenommen
    worden, und weil sich bei dieser Prüfung keine Hindernisse ergeben
    haben, deshalb ist vor dem Richter die Ehe geschlossen Wenn das
    Allgemeine Landrecht sagt, daß der Pfarrer prüfen müsse, ob der
    Eingehung der Ehe bürgerliche Hindernisse entgegenstehen, so hat es nur
    dm Fall vor Augen und konnte ihn auch nur vor Augen haben, daß durch 1>ie kirchliche Trauung eine bürgerlich gültige Ehe erst begründet wird.
    (Zitatende) ("1>ie" ist maschinell falsch gelesen und meint "die")


    Gruß
    Detlef

  • Hallo, eine gerichtliche Trauung fand zu 99 % unter Dissidenten (Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind) statt. Seit 1847 war eine gerichtliche Trauung in Preußen möglich. Ich selber habe im letzten Jahr einen Fachartikel im Jahresheft der Magdeburger AG Genealogie (AGGM) über die "Kirchenbuchduplikate evangelischer und katholischer Gemeinden Magdeburgs sowie die Personenstandsangelegenheiten der Magdeburger Juden und Dissidenten" publiziert. Allein für den Bereich des Landgerichts (später Amtsgericht) gibt es im Zeitraum 1847 - 1874 (Einführung d. Standesämter) 56 Bände an Akten, die die bürgerliche Verheiratung von Dissidenten beinhalten.


    Seit einigen Wochen arbeite ich für Kunden diese Akten (Magdeburg betreffend) durch und bin immer wieder erstaunt (gerade in der Stadt), dass doch so viele Menschen schon vor 1900 der Kirche den Rücken gekehrt haben. In Magdeburg gab es eine "Freie Gemeinde", die zeitweise bis zu 8.000 Mitglieder gezählt haben soll. Sie bezeichnete sich zwar als christlich, der "Pfarrer" dieser Gemeinde war auch ein ehemaliger Pfarrer der Landeskirche, jedoch wurde diese Gemeinde nicht als christliche Vereinigung anerkannt. Somit waren die "Gemeindemitglieder" allesamt Dissidenten und mussten die Geburten, Sterbefälle beim Landgericht melden und auch daselbst heiraten.


    Welches Neuhausen meinst Du?


    Grüße, Daniel

    [b]"Stammgast" im Kirchenarchiv sowie Stadtarchiv Magdeburg und im LHASA (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt)


    Mitglied: AGGM; AMF; GGG (NY); Volksbund; Compgen


    Meine Namensliste, interessante Geschichten rund um die Familie, sowie Biographien besonderer Vorfahren kann man meiner Homepageentnehmen.

  • Hallo,


    ab wann war denn eine kirchliche Trauung nicht mehr nötig ?


    Ich hab Kirchenbucheinträge von 1830 wo eine Trauung vor Gericht stattfand und danach erst die kirchliche Trauung war.


    z. B. bey Kürfüstlichen Landgericht zu Cassel, Februar 20. 1830 / Aufgebote am 5. , 12. und 19. Februar; Tag und Ort der Trauung: zu Großenritte am vierten Maerz.



    Ratlose Grüße


    Gildemeister