Schulbesuch "eine Abteilung" - was bedeutet das wohl?

  • Hallo liebe Mitforscher,


    in einem Lebenslauf, den mein Urgroßvater ausgefüllt hat, trug er in der Spalte -Welche Schule haben Sie besucht- ein: Volksschule 1 Abteilung.


    Hat jemand eine Ahnung, was das bedeutet? Ist er etwa nur 1 Jahr zur Schule gegangen? Er ist 1886 in Posen geboren. Aber auch dort hat es doch die Schulpflicht gegeben, so dass es sich nicht nur im 1 Schuljahr handeln kann - oder :S ?


    Vielleicht hat hier jemand ähnliches schon gehört und kann mir einen Tip geben.

  • vielleicht ist damit gemeint, dass er nur die Pflichtschuljahre besuchte (die ersten 4 Jahre).
    Oftmals war es ja so dass es keine getrennten Klassen gab sondern 1 Lehrer alle Klassen auf einmal unterrichtete, das war oft auf Dörfern der Fall. Auch bei mir war das zum Teil noch der Fall hier waren die 1+2 Klasse von einem Lehrer unterrichtet und 3+4 Klassen von einem.
    Da war in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.


    gruss


    uli :computer:

    viele Grüße
    Ulrich
    suche Volkemer >1720 Pfalz; Elsaß; Lothringen;
    Schmidt in Syrgenstein/Bayern-Schwaben und Lothringen Raum Bitsch > 1720

  • Hallo Manuela.


    So wie ich das verstehhe hat er nur die ersten vier Klassen der Volksschule besucht (1.Abteilung).die 2.Abteilung würden dann die 5.-8.Volksschulklasse sein.Bei uns in Österreich gab es damals 8 Klassen Volksschule,oder 4 Klassen VS und dann 4 Jahre die Bürgerschule,die der heutigen Hauptschule entspricht.Außerdem gab es dann noch für die "höheren Töchter und Söhne" das Gymnasium mit dem Abitur.


    Liebe Grüße


    Ahrweiler

  • Hallo Ahrweiler und uli,


    ja, in diese Richtung dachte ich auch schon. Das würde auch zum Rest seines Lebenslaufes passen. Denn er trug weiterhin ein, dass er bis zum 7. Lebensjahr bei den Eltern wohnte, danach bis zum 14 Lebensjahr (wobei er die Schule, vorausgesetzt er hatte sie 4 Jahre lang besucht, mit 10 Jahren beendet hatte) bei einem Landwirt (sein Vater starb, vielleicht konnte er nicht bei der Mutter bleiben und musste schon arbeiten), anschließend Lehrzeit.


    Vielleicht war es so. Waren die Kinder damals in Posen tatsächlich nur 4 Jahre lang schulpflichtig :whistling: ? Da muss ich wohl noch mal ausführlich nach Infos im Internet stöbern.


    Vielen Dank für Eure Antworten!

  • Hallo Manuela,


    ich würde es als eine Art Grundschule sehen.
    In der ehemeligen DDR war man ab der 5. Klasse auf der Oberschule.
    Meine Großmutter ist in den 30iger Jahren eingeschult worden und sie erzählte mir das man damals mit der 8. Klasse anfing und in der 1. Klasse kam man aus der Schule.
    Meine Oma ist 1926 geboren und hat 1941 eine Lehre begonnen, also kommt das hin das sie 8 Jahre lang zur Schule gegangen ist.
    Sie hat mir auch von der Prügelstrafe damals erzählt, aber das ist ein anderes Thema.


    LG Doreen

    "Wissen ist Macht" (Heinrich Barth März 1850)
    Nüscht wissn, macht aba ooch nüscht! (der Berliner)
    Je mehr man weiß, desto weniger weiß man nichts! (Ich)

  • Hallo Manuela.


    Sicherlich war damals die Schulzeit nicht mit 4 Jahren beendet.Ich glaube man nahm dies damals nicht so genau.Er hat ja dann bei einem Bauern gearbeitet.Dies war damals auch recht üblich,da ja bei den Familien oft sehr viele Münder zu stopfen waren und jeder Mund der weniger war brachte den anderen mehr zum Essen.Obwohl in Österreich ja 8 Jahre Schulpflicht war ging mein Urgroßvater mit 13 Jahren als Roßbua (ich übersetze:Roßbua ist ein Bub der ein Pferd am Zügel führt) ins Bergwerk arbeiten.Er fuhr also mit Pferd und Wagen ins Bergwerk ein um die gebrochene Kohle aus dem Berg zu bringen.Damals konnte man auch ohne abgeschlossene Schulbildung was werden.Er wurde zum Hauer befördet und später war er sogar Steiger.Er war damit Bergwerksbeamter geworden.Ein Steiger muß heute die Montanistische Hochschule abgeschlossen haben.


    Liebe Grüße


    Ahrweiler

  • Vielen Dank für eure Antworten!


    Uropas Vater starb 1893, als Uropa nicht mal 7 Jahre alt war. Das war bestimmt mit ein Grund, früh beim Bauern arbeiten zu müssen, denn es gab ja noch mehr Kinder in der Familie. Dann wird es wohl so gewesen sein, dass man nicht so genau die Schulpflich eingehalten hat. Waren ja auch schwere Zeiten für die armen Leute.

  • Hallo Manuela,


    dass Kinder vorzeitig, ich meine ohne erfüllte Schulpflicht, in das Arbeitsleben geschickt wurden, scheint häufig(er) gewesen zu sein.


    Ich habe noch Schul-Zeugnisse meiner Oma (* 1883) - auf keinem ist eine "Abteilung " erwähnt. Das letzte ist von 1896 und trägt den Vermerk "Wegen häuslichen Notstands dispensiert". Sie war da ein bisschen über 12 Jahre alt. Sie musste dann gleich arbeiten gehen, bei einem Industrie-Unternehmen in Berlin. Insgesamt hat sie statt 8 Pflicht-Schuljahren nur 5 1/2 Jahre die Schulbank gedrückt. Das brachte in diesem Falle die Not und Armut einer alleinerziehenden Witwe mit zwei minderjährigen Kindern mit sich.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • So wie ich das sehe, wurden damals die Klassen in mehrere Abteilungen eingeteilt.
    In einem Rechenschaftsbericht von 1839/40 schreibt der Lehrer:


    "Schulbericht über die vierte Schule zu Langen pro 18 39/40 /enthält Kinder von 6 - 8 Jahren/
    I.Die Schule zählte am Schlusse dieser Periode 124 Kinder, nämlich 65 Knaben und 59 Mädchen, welche in zwei Abtheilungen unterrichtet wurden.
    II.Unerlaubte Schulversäumnisse kommen äußerst selten vor, indem von Löblichen Ortschulvorstand die Anordnung getroffen ist, den Säumigen augenblicklich durch den Polizeidiener zur Schule zu bringen.
    3) Lesen: Die erste Ordnung liest in Schneiders Lesebuch; die zweite Ordnung lautiert."


    1841 heißt es:
    "II. Unerlaubte Versäumnisse sind auch in diesem Zeitraum unbedeutend gewesen; - die erlaubten aber werden desto häufiger verlangt, was augenfällig nachteilig einwirkt u.den Lehrer in mancher Beziehung unangenehm berührte.
    4) Größenlehre
    a. Zahlenlehre: Die Schüler der I. Kl. 1te Ord. nahmen in ganzen und theilungen
    Zahlen Gesellschafts-Zins u. andere mehr zusammengesetze Zahlenverhältnisse,
    auch mit den geometr. Verhältnissen u. dem Kettensatze wurden sie bekannt ge-
    macht, auch in der Dezimalrechnung erhielten sie Unterricht u. konnten dieselbe
    bei Berechnung gewöhnlicher Figuren und Körper anwenden.
    die 2te Ord. dieser Klasse wurde zwar in diesen Unterricht mit hineingezogen,
    allein sie gelangten noch nicht zur nötigen Fertigkeit. - Die Schüler der II. l. 1te
    Ord. rechnen die 4 Rechnungsarten in ungleich benannten, - die der 2te Ord.
    lernten Zusammenzählen, Abziehen u. Vervielfachen. Auffallend weniger als
    bisher. Der Grund ist unter II angegeben."
    Hier heißt es 1. u. 2. Ordnung statt Abteilung.


    Heute würde man das wahrscheinlich 1. und 2. Klasse nennen. Der Lehrer hat alle Kinder dieser zwei Klassen unterrichtet, teilweise jedoch mit unterschiedlichem Lehrstoff.


    Bei uns gab es vier Schulen, das heißt ca. 8 Abteilungen. Die Kinder gingen in der Regel bis zur Confirmation zur Schule (14 Jahre).
    Es kam aber öfter vor, das Kinder mehrere Tage von der Schule weg blieben, weil sie daheim in der Landwirtschaft helfen mußten. Die Lehrer sahen das allerdings garnicht gerne und es kam immer wieder zu Streit zwischen Lehrern und Eltern.


    Gaby

  • Hallo zusammen


    In einem Buch über das Schulwesen in Peiting, Oberbayern, habe ich gelesen,
    dass sich die Lehrer im 19. Jahrhundert immer wieder beschwerten, weil die
    Eltern die Kinder viel öfters zur Feldarbeit oder zum Viehhüten anstatt zur
    Schule schickten. Da tauchen folgende Bemerkungen der Lehrer auf:


    "Schade für diesen begabten Knaben, dass er dauernd das Vieh hüten muss."
    "Ungeachtet dass sein Vater gestraft worden ist, erscheint er selten in der Schule."
    "Obwohl die Eltern vermögend sind, muss der Knabe den ganzen Sommer die Ochsen hüten."



    Mein Urgrossvater väterlicherseits ist auch 1886 geboren in Unterfranken.
    Sein Vater starb auch sehr früh, und die Familie zog danach zurück in die
    Schweiz. Dort mussten mein Urgrossvater und seine älteren Brüder schon
    früh bei Bauern arbeiten gehen. Später gingen sie als Melker nach Frankreich.


    Seine spätere Ehefrau, meine Urgrossmutter, ist 1895 geboren und ging
    7 Jahre zur Schule. Sie beendete die Schule im Jahr 1909 im Alter von
    14 Jahren. (Ich besitze ein Schulheft von ihr aus dem letzten Schuljahr).


    Mein Grossvater mütterlicherseits hat ebenfalls seinen Vater sehr früh
    verloren. Er kam zusammen mit seinen Geschwistern in ein Waisenhaus.
    Während seiner Schulzeit arbeitete er nebenbei als Laufjunge in einer
    Eisenhandlung. Später arbeitete er auf dem Bauernhof von Verwandten.


    Gruss
    Svenja

  • Dank an euch alle für eure ausführlichen Antworten!


    Da der Vater meines Uropas früh starb und die Frau noch weitere Kinder zu versorgen hatte, wird das wohl der Grund dafür gewesen sein, dass Uropa schon so früh beim Bauern arbeiten musste und wenig Zeit für die Schule blieb.


    Das mit dem Melker lässt mich schmunzeln. Auch mein Uropa hat Melker gelernt.