Tagebuch Franz Nicolaus Kumpfe

  • 1840


    darüber so wenig verhelt, und nun, da ich nicht mehr
    hinging, also sie sich unbeobachtet wußte, thut sie
    es dennoch. Ich fragte sie das nächste mal was sie
    jenen Abend gemacht habe, als sie leugnete gespielt
    zu haben entfernte ich mich, fest entschlossen, sie
    das letzte mal gesehen zu haben. Ich konnte ihr
    aber das Schreiben welches ich deßhalb ferfertigt [sic!]
    hatte, nicht senden, denn sie kam selbst zu mir. ---- Und
    ich -----ward wieder ------ der ich früher war.


    Wir wurden einig und ich drang darauf, eine
    Nacht bei ihr zu bleiben, ich Thor, sie mußte sich
    dadurch in Gefahr begeben, und ich glaubte dieses
    müsse ihre Liebe zeigen. Was nicht moglich schien
    wurde auch endlich möglich gemacht, mein Kopf ent-
    warf den Plan dazu, und ich ging eigentlich allen
    meinen Thorheiten die Krone aufzusetzen, jedoch
    mein Engel wachte.


    Es war aber auch sehr wahrscheinlich der Stoff
    zu einem spätern Auftritt zwischen uns, denn
    einige Zeit darauf war ich mehreremal bei
    Walthers gewesen und auch bei Bärs vorüber
    gegangen, aber nichts von ihr entdekt [sic!]. Endlich
    in acht Tagen ward mirs doch zu lange, ich ging
    zwar in Begleitung einiger Kameraden hin, wo
    ich sie wie gewöhnlich beschäftigt fand, als wir

  • 1840


    fortgingen, dachte ich sie würde heraus kommen, aber
    nein, auch dies geschah nicht. Nun war ich auf dem
    Platze wo sie mich lange nicht gehabt hatte. Als
    ich nach Hause kam, setzte ich mich sogleich hin und
    schrieb, ich hatte einst ein par Hosenträger und ein
    par Schuh beides von ihrer Hand gestikt, zum An-
    denken erhalten, dieses pakte ich Beides ein, denn
    ich hatte erstes noch gar nicht und leztes wenig
    getragen, denn beide Dinge waren mir als Ge-
    schenk heilig und bisher eine Lust gewesen
    anzusehen, und sendete es noch diesen Abend
    mit dem Briefe durch einen meiner Leute
    ihr, die ich so lange im treuen Herzen bewahrt
    hatte, um mich dadurch von schändenden Ban-
    den los zu reißen. Ach wie schwach bin ich doch
    wenn ich mir es so überlege wie reuete es mich
    die nächste Minute schon, so schnell, ja vielleicht
    voreilig gehandelt zu haben. Ich hätte es auf
    eine bessre Art anfangen können, um sie viel-
    leicht nicht so zu kränken, aber so bin ich nun
    einmal stets gewesen, Glück wie Unglück im-
    mer eher ertragen könnend, als Ungewiß-
    heit. Ich wußte durch dieses Schreiben, muste
    sichs entscheiden, ob ich recht oder Unrecht habe
    wenn ich dachte es ist Lauheit oder gar Untreu-
    e welche sie zu diesem Betragen reitzt.

  • 1840.


    Ganz abgeschlossen mit mir selbst, brachte ich eine der
    schlaflosesten Nächte und eben in so einem dumpfen Hin-
    brüten den folgenden Tag hin, ich hatte keine Freu-
    de mehr an nichts, meine Kamraden konnten Scherz
    treiben wie sie wollten, ich wurde nicht Herr meiner
    Traurigkeit, o der Schmerz hatte mir ans Herz
    gegriffen, jetzt fühlte ich erst, was mir Therese war
    o, sie war unzertrennlich von meinem Seÿn, ich
    kann nicht leben, wenn sie nicht lebt. Nachmit-
    tags kam sie selbst, obgleich sie weinte und mich
    bat ich sollte doch nicht mehr böse sein, aber mein
    Zutrauen war dahin, ich war schon so öfter von ihr
    getäuscht worden, und bei all meiner unauslöschba-
    ren Liebe, konnte ich ihr diesesmal dennoch nicht
    sogleich verzeihen, ich ging zwar mit nach Altstadt
    und wieder zurück, aber wir hatten keiner den Muth
    uns gegenseitig zu erklären. Abends jedoch trafen wir
    uns wieder, wo ich genöthigt war mich gegen mein
    Gefühl zu äußern, denn ich sah ein, wenn ich mich
    noch öfter so ärgern müsse, da ist meine Gesund-
    heit unwiederbringlich verloren, und ich fühle jetzt
    schon den Eindruck tief in meinem Herzen. Aber
    hatte mich denn der verflossne Tag nicht auch ge-
    lehrt, daß ich ohne sie keine Ruhe finden würde?
    hatte ich nicht vielleicht vielleicht durch meine rasche

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    That, ihr ebenfalls schon so ans Herz gegriffen,?
    was sollte ich abermals thun und was that ich -----
    blieb ihr treu und versprach wieder zu kommen.
    Sie spricht, das ich ihr die Geschenke wieder geschickt ha-
    be seÿ ihr das kränkendste, nur kann ich noch
    nicht erfahren was sie damit begonnen habe, soll-
    te sie, wie sie mir glauben machen will, dieselben
    vernichtet haben, so ist der Bruch zwischen uns unver-
    meidlich, denn das wäre zu viel Boßheit. Ich
    werde mich überzeugen wie sie jene Dinge noch ach-
    tet, es möge sein wenn es immer will.
    Dieses Jahr eröffnete uns die Aussicht auf ein
    thätigeres, kriegerisches Leben, alles rüstet sich, um
    zum Frühjahr in möglichster Stärke marschieren
    zu können. Wir bekommen auch unsre Remon-
    te viel zeitiger und ich war im Mitte Januar mit
    nach Leipzig kommandiert. Der Oberleutnant von Zesch-
    witz führte das Commando. Am Tage des Ausmarsches
    war ein furchtbares Wetter, ein Schneesturm, das man
    fast kein Auge aufmachen konnte. Wir hatten das erste
    Nachtquartier unter Meißen in Biskowitz ich stand
    beim Richter und Guthsbesitzer Oehmichen, hatte ein
    nicht schönes Quartier. Auch den zweiten Tag war
    uns das Wetter nicht günstiger und marschirten bis
    Hanzig woselbst ich beim Bauer Werner ein sehr
    gutes Quartier fand. Der dritte Marsch war leid-
    lich wenigstens hatte der Sturm etwas nach gelas-
    sen und in Körlitz bei Wurzen kam ich beim
    Richter und Guthsbesitzer Liebau zu stehen, wo es

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    [linker Rand: Janur.] auch zum aushalten war. Von da den vierten Tag
    nach Zwei-Naundorf [heute östlicher Stadtteil Leipzigs] eine Stunde diesseits Leipzig
    ich kam daselbst nebst einem Gardisten Rühling beim
    Bauer Brade ins Quartier, wo wir es so gut hatten
    wie mirs noch nicht gedenkt. Während der Zeit
    als wir dort standen war durchgängig schlechtes Wetter,
    Thauwetter war eingefallen, wodurch wir in unsern
    Detaschemants so viel Wasser hatten, daß wir von
    einem Nachbar zum Andren reiten mußten. Da war
    ich auch das erstemal in Leipzig, habe mich aber nicht
    drinnen umsehen können indem es mir an Zeit man-
    [linker Rand: 20.] gelte. Nach 6 tagigem Aufenthalt traten wir
    den Rückmarsch wieder an, ich kam in Nepperwitz
    bein Wurzen beim Bauer Plätsch, in Merkwitz
    [linker Rand: 21.] bei Oschatz beim Gärtner Mäkus, und in Ober-
    [linker Rand: 22.] Mutschitz beim Bauer Fischer zu stehen, die Quartier
    waren durchgängig leidlich. Bei einem dummen
    Streiche oder sogenannten Wagestückchen mit einem
    Remonte habe ich sehr an der rechten Schulter ge-
    litten. O, wie freuete ich mich, meine Therese wieder
    zu sehen, und wir haben uns auch nicht wieder ver-
    uneinigt.


    [linker Rand: Februar] Nach langem Krankenlager starb nun die Frau
    Bärin und nahm ihre Versprechungen, welche sie mei-
    ner Therese zum Zeitvertreibe gemacht hatte, ge-
    treulich mit ins Grab, und hinterließ ihr nur
    den Ruhm alles mögliche gethan zu haben, ihre


    [Ober-Mutschitz = Obermuschütz an der B 6 im NW von Meißen?]

  • Gesundheit zuzusetzen, und das Bewustsein doch die
    übliche Trauer bezahlt bekommen zu haben : -----
    Ich weiß selbst manchmal nicht ob ich sie bedauern
    soll oder nicht denn sie ist doch noch mit dem Wahne
    behaftet, es sei ihre Pflicht gewesen, was sie gethan habe,
    aber ich stimme nicht damit überein. Dieser Fall
    würde blos eintreten können, wenn es eine von allen
    Mitteln und allen Verwandten entblößte Frau ge-
    wesen wäre, und auch in diesem Falle ist die Pflicht
    der Selbsterhaltung noch die Erste. [re: März]
    Wir hatten uns zu einem Gemeinschaftlichen Ball
    verabredet, den ersten konnte ich aber wegen dem
    mich treffenden Tagesdienst nicht mitmachen, aber
    dem zweiten wohnte ich mit meiner Therese [re: 19.]
    ebenfalls bei. o sie war heute schön, im weißen
    Kleide, noch nie hatte ich sie so gesehen. Nur eins
    gefällt mir nicht, sie trug etwas an ihrem Busen
    was mir nicht gefällt, weil es an dem Bu-
    sen einer feilen Dirne schon prangte. Ich hatte
    sogar etwas in den Kopf bekommen und war
    als ich früh zu Hause kam ziemlich schräge.
    Auf diesem Balle habe ich auch mit einer Lansmän-
    nin Magdalena Lebel aus Marienstern gespro-
    chen, sie brachte mir viele Grüße von meinen
    Eltern, und die Frage warum ich nicht zu Hause
    komme. Ich kann aber jetzt noch nicht gehen.

  • 1841.


    [l.R.: März] Mein Mädchen geht nun wieder nach Stolpen
    zu ihren Eltern um da sich wieder zu erholen.
    Ich nahm auch dieses mal Urlaub und ging mit, ihr ./.
    Wir kamen ziemlich ermüdet dort an. Den an-
    dern Tag gingen wir um die Stadt herum im
    früheren Thiergarten spazieren, wo uns August be-
    gleitete. Bei dieser Gelegenheit fragte ich nach den
    von mir zurück geschickten Geschenken, ob sie noch
    [l.R.: April] anwesend wären. Sie wollte mir sie hernach zeigen,
    ich sah zwar den Umschlag worin ich sie gewickelt
    hatte, ließ mirs aber nicht zeigen. Ich habe die Hosen-
    träger gesehen, aber nicht aufbewahrt, nein beide
    Brüder meiner Therese trugen dieselben. Ob sie
    denn nicht glaubt, daß ich es sehe? Meinetwegen
    mögen sie aber auch noch sonst was alles tragen
    ich werde es, nur zu seiner Zeit bemerken.
    Am zweiten Osterfeiertage ging ich ebenfalls
    wieder dahin und am Himmelfahrtstage desgleichen
    an welchem Tage ich mit in der Buschmühle ohn-
    gefähr eine Stunde links von Stolpen war, wir
    waren eine ganze Gesellschaft und es hat mir
    recht gefallen daselbst. Nachts als ich zu Hause ging
    fing es an zu regnen, weßhalb ich meiner There-
    se ihren Regenschirm mit nehmen mußte, es hör-
    te auch nicht eher auf, als bis ich ans Wald-

  • (Randbemerkung rechts: Juni)


    Schlößchen kam. Dießmal [sic!] habe ich mir einen ganz
    guten Anzug verdorben.
    Zum Pfingstfest war ich wieder 3 Tage daselbst,
    als ich hinkam sah ich wohl daß sie nicht viel Zeit für
    mich übrig haben würde, den [sic!] sie war überhäuft
    mit Arbeit. Darum gingen wird den ersten Feier-
    tag erst gegen Abend, nach Lauterbach wo ich
    meinen Wirth vom Jahre 1836 aufsuchte. Beÿer
    war aber nicht zu Hause und nur die Tochter konn-
    te sich noch an mich erinnern. Den zweiten Tag
    gingen wir mit August, Carl konnte nicht mit gehen
    den [sic!] er stand Gevatter für August welcher nicht
    dazu zu bewegen war, auf die Bastei in der
    sächsischen Schweiz, in Rathewalde machten wir erst
    Mittag, schon hier fand ich viel Vergnügen an der Na-
    tur, aber auf der Bastei erst, sollte ich staunen;
    ja, es ist ein eignes, ein heiliges Gefühl, wel-
    ches uns beim Anblick solcher Majestätischen
    Schönheiten erfüllt. Was sind alle Werke der
    Menschen gegen so einen Gigantenbau, des
    Schöpfers. Von hier gingen wir den Felsen hin-
    unter nach Rathen, und von da durch den Am-
    selgrund wo wir uns am Amselfall ein wenig
    aufhielten, kamen wir erst gegen Abend
    nach Hause, wir warn zu müde um noch auf
    Schießhaus oder einen andern Tanzsaal gehen zu-

  • 1841.


    (Randbemerkung links: Juni)


    können II. Aber auch den dritten Tag ob ich gleich
    zeitig fort wollte blieb ich so lange wie immer
    es wechselte Regenguß mit Regenguß ab, und
    dennoch bestanden beide Therese und August dar-
    auf mich zu begleiten. Es war eigentlich nicht
    recht von mir daß ich mir beider Begleitung
    nicht ernstlich verbat. Das Gefühl daß unser
    Liebstes sich auch nicht scheuet unser Loos zu tragen und
    zu theilen ist aber auch beseeligend. Endlich bis an
    die Chaussee gekommen kehrten beide um, und nahmen
    herzlichen Abschied. Ich träumte durch den Wald
    durch und wußte kaum wie ich hindurch gekommen
    war, obgleich ich lange Zeit gegangen war, erst vor
    Weißig erwachte ich recht aus meinem Schlummer
    als mich die Post einholte, es regnete nicht mehr
    und ich kam noch trocken zu Hause.
    Den nächsten Sonntag hatte ich den Schenkhausdienst [l.R.: 6.]
    von der Ostra allee bis ans Seethor, woselbst ich jedoch gar
    kein Vergnügen hatte. Den darauf folgenden mit Tromp-
    lern und seinem Mädchen einer Landsmännin von mir [l.R.: 13.]
    in Strehln, woselbst ich mit ihr tanzte, denn Trompler
    liebte es nicht. Acht Tage darauf war Vogelschießen in
    Neudorf woselbst ich mit Tromplern auch nicht fehlte [l.R.: 20.]
    Meine immer rege Phantasie spielte mir heute
    einen unverzeihlichen Streich. Wir waren noch [l.R.: 22.]


    *******************************************************************
    Randbemerkung/Fußnote:


    Ich war meiner selbst Meister worden aber diesesmal
    konnte es sich um meine Gesundheit handeln. Ich fühlte heftige
    Schmerzen in allen Gesch.theilen. Jedoch in 3 Tagen war der
    Schmerz schon wieder linder und in 8 Tagen fühlte ich nichts mehr.

  • auf dem Exerzirplatze als ich auf einmal mein
    Mädchen in ihren gewöhnlichen Kleidern mit noch zwei
    Frauenzimmern und zwei oder drei Kindern in den jun-
    gen Birkensträuchern am Rande der Kastanienallee
    erblickte. Sogleich wahr ich auch gewiß sie sei es selbst
    Trompler ritt vor mir ich rief ihm zu jedoch er hatte
    mich nicht verstanden, wir mußten dann absitzen und
    bis ans Bad in der Aller unsre Pferde weil sie zu
    sehr schwitzten führen, und konnte folglich nicht mehr
    in ihre Nähe kommen, als wir aufgesessen waren
    sah ich mich zwar wieder um, konnte sie aber nicht
    erblicken. Lange Zeit nach dem Einrücken erhielt
    ich einen Brief, es war Botentag, er war von ihr
    und sollte schon vorigen Freitag verabfolgen, also
    wußte ich immer noch nicht, woran ich war, um
    3 Uhr endlich als nun meine gehoffte Therese nicht
    kam schickte ich einen Brief fort.
    Als ich Pfingsten auf Urlaub ging hatte
    ich meinem Mädchen ihren Regenschirm unterm Arm
    welches der General Senft von Pilsach gesehen. Er
    läßt mir heut durch meinen Rittmeister sich
    empfehlen, wenn ich einst einen Diener zum
    Regenschirm tragen brauchen würde. Herr General!
    ich fühle den Stich dieser Rede wohl, und würde [r.S.25]
    antworten, wenn ich nicht zu tief unter Ihnen
    stünde.

  • 1841.


    Ganz unvermuthet kam heut mein Mädchen [l. R.: Juni 28.]
    mit ihrem Schwager hier an. Welche Freude
    für mich. Aber nicht lange konnte ich ihre
    Gegenwart genießen, denn sie wollte nicht
    hier bleiben sondern heute wieder nach Hause.
    Sie war sehr ermüdet, deßhalb hätte ich sie
    auch nicht fortgelaßen, wenn ich nur ein Lager
    hätte finden können, nach welchem ich in der
    Altstadt war aber mit Betrübniß schon alles
    besetzt fand. Ich ging nun ein Stück Weges
    mit, über Weißig kehrte ich dann mit nicht
    geringer Besorgniß um, denn sie konnte ja
    kaum mehr gehen, und wäre sie allein gewe
    sen, da ging ich gewiß mit bis Stolpen, so aber
    vertrauete ich ihren Leuten, welche sie gewiß
    nicht zurück lassen werden.
    Erhielt ich ein Schreiben von ihr, worin [l. R.:Juli 2.]
    sie mir meldet, noch zeitig nach Hause ge
    kommen zu sein, weil sie noch ein Stück habe
    fahren können, jedoch hat sie sich ihre Füße so
    verdorben, daß sie nicht über die Stube gehen
    könne. Sie bittet mich auch den gewöhnli-
    chen melancholischen Stiel in meinem Schrei-

  • nicht wieder zu wählen, und sie doch ehestens
    wieder zu besuchen. Aber wie soll ich ihrer Bitte
    willfahren können, da in meinen Herzen nicht
    Freude sondern Betrübniß und Trauer wohnt,
    Trauer, weil ich bedenke wie armselig ich doch
    dastehe, da sie mich besucht, und ich nicht vermö-
    gend war. sie hier zu erhalten, sondern mußte
    sie wieder meinen Willen wieder nach Hause
    gehen lassen. Was die lezte Bitte betrifft
    so werde ich sie so bald als nur möglich erfüllen.
    Diese Tage wurde das Regiment neu formirt
    es wurden aus acht Compagnien sechs Schwadro-
    nen gebildet, welche wieder drei Divisionen
    bilden. Ich bekam bei meiner Schwadron
    einen neuen Oberleutnant, Leutnant und
    Wachmeister, auch drei neue Stubencammera-
    den.
    Ich traf in der Kirche einen Landsmann Sende [r.S.4]
    welchen ich lange nicht gesprochen hatte, mit dem-
    selben ging ich in seine Wohnung, er hatte geheu-
    rathet, und sich recht gut eingerichtet, seine Frau
    kenne ich ebenfalls schon von früher. Nachmittags
    gingen wir miteinander auf Stückgießers vor
    dem Ziegelschlage, wo wir den Nachmittag

  • 1841.


    (Randbemerkung links: Juli)


    mit Kegelschieben verkürzten* und dann wie-
    der nach Hause gingen.


    [linker Rand: 6.] War ich Nachmittags am Palaisplatze, woselbst ich eine
    Landsmännin [sic] sprach, sie hatte mir einen Brief von
    meinen Eltern von zu Hause gebracht. Lange Zeit
    habe ich mich mit ihr unterhalten, sie hat an Bildung
    gewonnen, seit ich sie nicht sah, und könnte vielleicht
    eine anständige Parthie hier machen, wenn sie darauf
    bedacht wäre, und hat einen Trompeter vom Regiment
    zum Geliebten.


    [linker Rand: 8.] Ging mit Barsdorf aus, dann besuchte ich Pietschen,
    woselbst ich mir erst mit Domann, dann mit Heiduschken
    die Zeit beim Puffspiel vertrieb. Mein Rittmeister
    verreist bis 21.ten August nach Hellgoland [sic] ins Bad.


    [linker Rand: 11.] Mit Barsdorf in Neudorf, woselbst wir gar
    keine Unterhaltung hatten, der Regen
    hielt uns aber auf weßhalb wir wieder [sic] Willen
    bleiben mußten.


    [linker Rand: 12.] Auf Schloßwache. Sn. Majestät der König ver-
    reist morgen Abend von Pillnitz aus, und trifft
    übermorgen Nacht in Regensburg ein. Sn. köngl.
    Hoheit Prinz August von Preußen besuchte
    das grüne Gewölbe. Mein Mädchen schrieb
    mir mit der Post, ich freue mich daß sie
    gesund und ist, und auch heiterer Laune zu sein scheint.


    * vermutlich ist auch „verküpzten“ als Übertragung möglich

  • (Randbemerkung rechts: Juli)


    Ging zu meinem Mädchen nach Stolpen auf Ur- [r. R.: 17. 18. 19.]
    laub zwei Tage. Therese war recht heiter und
    wohl, welches mich sehr erfreuet hat, wir waren
    Sonntag Nachmittag in der Buschmühle, woselbst
    mir am besten gefällt. Montag ging ich Abend
    ½ 7 Uhr wieder fort, Therese begleitte [sic!] mich bis an die
    Haide, hier überholte uns ein Portepee'r Junker
    der Artillerie, welchen ich dann erst am jensei-
    tigen Waldsaume wieder erreichte, derselbe war
    beim Amtmann in Stolpen auf Besuch gewest,
    wir waren ein Viertel auf Zwölf in Dresden.
    Ich schrieb an mein Mädchen, und theilte ihr vorher [20.]
    gehendes mit, behielt aber den Brief noch da,
    denn es wäre doch ein wenig zu zeitig, jetzt ihn
    schon hin zu senden.
    War beim exerzieren der Comunalgarde, allwo
    ich Süß traf, und ging von da noch bei Senden. [21.]
    Nachts ½ 1 Uhr kam ein furchtbar Ungewitter, der
    Trompeter blies zum Wecken, weßhalb wir eine
    halbe Stunde aufbleiben mußten. Früh Comuni-
    zierte das Regiment, und ich ging in die Kirche. [22.]
    Sonntag wär ich gern wieder bei meiner Therese geg[sic!]
    gangen, ich hatte schon ein Zeichen, aber es hörte bis
    Nachmittags 6 nicht auf zu regnen. War Abend
    auf Bodens und konnte aber wegen heftigen

  • 1841.


    Kopfschmerz nicht aushalten, übrigens gefiel [l. Rand: Juli ]
    mirs auch nicht daselbst, ich ging daher um 10 Uhr [ l. Rand: 25. ]
    wieder in die Caserne.
    Beginnt die Vogelschießwoche Dresdens. Die Bürger haben [ l. Rand: August ]
    dieses Jahr einen andern Platz erwählt, welcher bedeu- [ l. Rand: 1. ].
    tend geräumiger und trockner ist, deßhalb strömen
    auch eine Anzahl Menschen hinaus.
    Mit Barsdorf auch auf dem Schießplatze, besuchte das [ l. Rand: 3. ]
    daselbst geöffnete Wachsfigurenkabinet, welches vor-
    trefflich war. Die vorhandenen Vorstellungen waren:
    1.der Eigenthümer des Cabinets nebst Familie. 2.
    eine Christensklavin als Selima erste Geliebte
    des türkischen Kaisers. 3. die berüchtigte französische Gift-
    mischerin. 4. der rußische General Graf Diebitsch. 5. Die
    lezten Augenblicke des ruß. Kaisers Alexander. 6. Die
    des großen Kaiser Napoleon. 7. Willhelm Tell nebst
    Weib und Kind. 8. Peter der Große Selbstherscher
    aller Reußen. 9. Maria d. Gloria die junge Königin
    von Portugall. 10. Don Carlos nebst Gemahlin. 11.
    Friedrich der Große König v Preußen. 12. Nicolaus
    der Erste Kaiser von Rußland. 13. Großfürst
    Constantin Vice König von Polen. 14. Eine italienische
    Balettänzerin als Donauweibchen. 15. die junge
    Königin von England nach beendigter Touilette. 16.
    die lezten Augenblicke des Herzogs von Reichstädt
    Sohnes Napoleons. 17. der Abschied eines verurtheilten
    spanischen Edlen, von Weib und Kind im Kerker.

  • 18. Greuelscene aus den Kerkern der Inquisition in
    Spanien. 19. der berühmte spanische Mönch und tapfre
    Krieger Marino. 20. Preziosa. 21. Nordische Liebe
    oder die lezten Augenblicke eines polnischn Kosaken
    bei den barmherzigen Schwestern in Paris. 22. der
    in Dresden allen Kindern bekannte Rehhahn. Diese
    Vorstellungen waren wirklich einzig in ihrer Art, und
    da ich es Abends gesehn, war auch natürlich durch Kerzen-
    glanz alles mehr belebt als im Tage.
    Ebenfalls wieder dort, Freitag zum Feuerwerk hatte [August 5.]
    ich ein Zeichen, welches ich den auch auf eine Art [6.]
    und Weise benutzte, wie ich es sehr lange nicht gethan
    habe, nähmlich die ganze Nacht durch mit Kammeraden
    geschlemmt und gezecht, so zwar das ich im Beutel Leere
    im Kopfe aber bedeutende Schwere verspürte, und
    erst früh nach 4 Uhr nach Hause ging. Denselben [7.]
    Tag Sonnabend, kam ich aber auch auf Wache, wo
    ich Trotz meiner Schlafsucht nicht umhin konnte
    meiner Therese zu schreiben, und sie von meinen be-
    gangenen Thorheiten zu unterrichten, denn ich will
    es als Strafe annehmen, wenn sie mich einmal ein
    wenig auszankt. Obgleich ich aber den Sonntag nun [8.]
    den Schlaf auf zwei Nächte nachzuholen hatte, kon-
    te ich aber doch nicht umhin, noch einmal auf das

  • 1841


    Schießen zu gehen, und zwar mit Günther. Dort traf
    ich aber auf Insorka und Waurick, welche erst gestern
    angekommen sind. Hätte ich mich heut länger aufhalten
    dürfen, so wäre gewiß wieder ein zweiter Freitag
    geworden. Ich begleitete von da eine Landsmannin [li: Aug.]
    Koppatsch zu Hause, und war halb 10 Uhr in der Caserne
    wo ich mich denn nicht von meiner Ruhe will
    abhalten lassen. Montag bei guter Zeit Mittags
    suchte ich meine Kammraden auf mit welchen ich dem [li: 9.]
    ganzen Nachmittag wieder durchlebte, morgen früh
    reisen beide wieder ab.
    Schrieb ich meiner Therese mein zeitheriges Verha- [li: 10]
    halten, und äußere daß ich so manchen Wunsch
    habe, ob sie mich wohl verstehen wird? Sie
    will im letzten Briefe wissen was ich mit ihrer
    Schwester gesprochen habe, ich kann ihrs aber
    unmöglich sagen, und übrigens sollte sie ja
    so etwas auch gar nicht verlangen.
    Diese Tage fast immer mit Barsdorfen bald [li: 20]
    da bald dorthin spazieren gegangen, sogar
    in Friedrichstädter Kirchhofe waren wir.
    Heute erhalte ich wieder ein Brief von
    Theresen, sie scheint mich nicht verstanden zu
    haben, und meine Hoffnung wurde wieder ver-
    nichtet, ich will ihr aber meinen Wunsch dennoch
    nicht deutlicher ausdrücken.

  • Heute Schenkhausdienst auf den Scheunhöfen, traf Heincken [rechter Rand: August 23.]
    und einen Landsmann daselbst, welcher beim Hauptmann
    Kunge in Dienst steht.
    Meine Therese kam ganz unerwartet hier an, welches [rechter Rand: 26.]
    mich außerordentlich erfreuete, sie wollte wieder schon
    heute zu Hause gehen, welches ich aber nicht gestatten
    konnte, sondern sie bei Pietschens unterbrachte,
    woselbst sie die Nacht über blieb. Bei Senden er-
    borgte ich bis zum 1ten Januar 1842 zehn Thaler Cour.[ant] zu
    acht proz. Zinsen. Ich begleitete Nachmittag mein Mäd- [rechter Rand: 27.]
    chen und ging auch endlich, da wir am Schenkhü-
    bel [?] Gelegenheit zu fahren trafen bis Stolpen
    woselbst wir Nachts 11 Uhr ankamen, um 12 Uhr brach
    ich wieder auf und kam ½ 5 Uhr glücklich in Dresden
    an. Sonntag war ich mit Barsdorf auf dem [rechter Rand: 29.]
    Schusterhause, daselbst war Vogelschießen, aber
    auch eine Menge Menschen, weßhalb es uns nicht
    lange gefiel, und wir zeitig wieder fort gingen.
    Marschierte das Regiment ins Cantonemennt aus, bis [rechter Rand: Sept. 7.]
    Grosdobritz, dort gingen die Detaschements in ihre Nacht-
    quartiere ab, Die Schwadron kam in die Dörfer Baslitz
    Stauda und Geißlitz, ich kam nach Stauda beim Landrich-
    ter Sachse, allwo ich ein sehr gutes Quartier hatte. Die [rechter Rand: 8.]
    Division formirte [sic] wieder an der Chaussee, ich erhielt das
    Commando der Avantgarde, gingen nicht durch Großenhain
    und trafen erst gegen 11 Uhr in Bauda unserm Stand-
    quartier ein. Ich bekam mein Quartier, welches 1837
    hatte nicht wieder, sondern mit zwei Gardisten
    Häse u. Eulenberger beim Bauer Ekart. Obgleich
    mirs Anfangs nicht daselbst behagen wollte, gefiel

  • gefiel es mir doch bald recht wohl, erstlich waren die [l.R.: Sept.]
    Wirthsleute recht leutselige ordentliche und reinliche Men-
    schen, dann hatte der Sohn Traugot, bein Regiment
    gestanden, wir waren sogar 34 miteinander Soldaten
    worden, eine Tochter war zu Hause, selbe war aber
    bereits drei Jahr Mutter eines kleinen eigensinnigen
    Sohnes, dessen Vater noch bei Leibregiment als
    Gefreiter dient. Am allermeisten plagte mich die
    Langeweile, weil ich nach aller Arbeit nicht wußte wo-
    hin gehen, den in der dortigen Schenke gefiel mirs
    auch gar nicht, und somanchesmal gedachte ich dann; wärest
    du doch in Dresden, und könntest einmal nach Stolpen
    gehen, gleich den ersten Sonntag hatten wir Kirchen-
    parade, woselbst mir nach beendigter Predigt recht
    sehr schlecht ward, und ich genöthigt war, die Kirche zu
    verlassen. Denselben Abend war Tanzmusick, aber
    wegen zu großer Unordnung tanzte ich nicht mit und
    nahm an diesem Vergnügen keinen Theil. Den zwei-
    ten Sonntag mußten wir sogar die Pferde blank heraus
    bringen, und Abends durfte über 10 Uhr kein Soldat
    in der Schenke bleiben. Aber die darauffolgende Mit-
    woch gab uns der Rittmeister einen Ball, worauf
    wir uns alle recht lustig gemacht haben, ich hielt
    aus bis Ende um 3 Uhr früh. Eines Nachmittags nahmen [l.R.: 16.]
    ich mit Barsdorf und Wehlte Urlaub und gingen nach
    Großenhain, wir waren in Löbners Restauration
    wo mir Barsdorf Billard spielen lernen wollte.
    Wir fuhren von da nach Wildenhein, und auf dem
    Wege von dort nach Bauda, verirren wir uns in

  • finstrer Nacht und kommen in die sumpfigen Wiesen
    zwischen Walde und Bauda, woselbst wir sehr lange umher
    liefen mit Gefahr in eines der vielen Moräste
    zu gerathen, bis wir endlich durch das Rauschen der Räder
    aufmerksam gemacht den nächsten Weg fanden.
    Ich ging mit Häsen Nachmittags in der Absicht, Krebse
    zu fangen, unterhalb der Mühle in die Rheden
    konnten aber keine dergleichen finden, und gaben
    auch alle Hoffnung auf weil das Wasser viel zu
    tief war. Getäuscht in unseren Vorhaben badeten
    wir uns blos, ich hatte unglücklicher Weise Hemde
    und Hosen anbehalten, auch schon auf mehreren
    Stellen des Flußes bemerkt, daß mich das Wasser
    immer gewaltsam fortschob, auf einmal ist Häse
    beim abwärts schwimmen dicht vor mir, er wen-
    det sich gegen, spricht aber nicht, in dem Moment
    fühle ich keinen Boden und werde immer abwärts
    gezogen, konnte auch wegen meiner Bekleidung, die
    Beine nicht zur Arbeit heraufbekommen, in die-
    ser Lage, das Ufer und Häsen nicht weit vor mir,
    strekte ich blos noch die Hände aus dem Wasser em-
    por, aus Mangel an Oden schluckte ich schon herzhaft
    zweimal Wasser, als Häse eine meiner Hände er-
    reichen kann, und mich so vom wahrscheinlichen Un-
    tergang rettete. Freilich war das Ufer nur höchstens
    als ich untersank sechs bis sieben Schritt vor mir,
    aber ohne Hülfe wäre ich gewiß unter dasselbe ge
    kommen, den [sic!] der Fluß bildete hier einen rechten
    Winkel, und hatte das Ufer mehrere Ellen unter-