Lateinischer Vermerk im KB von Kroppenstedt

  • Hallo an alle Lateiner!


    Beim Durchsehen der Taufeinträge aus dem KB Kroppenstedt [Magdeburger Börde] ist mir mit Beginn des Jahres 1597 ein Vermerk aufgefallen, der mich sehr interessiert. Da meine Kenntnisse in Latein nicht viel besser sind als die in Kisuaheli bitte ich euch um Hilfe.
    Ich lese da:


    ANNO CHRIST
    1597
    Videtur hic annus ..?.. minus pestilens,
    qm postea (?) 1626, fuige (?) v. intra ad 13. p. Trin.
    Die G. #


    Da ich nicht sicher bin, ob ich richtig gelesen habe, hier der
    scan


    Es schließt sich ein "normaler" Eintrag an - der für mich irrelevant ist - den ich vorsichtshalber nicht "rausoperiert" habe ^^
    Klar ist: der Eintrag ist viel später entstanden (Vergleichstext gibt es also leider nicht).
    Bei meiner Suche in Kroppenstedt war mir schon vorher aufgefallen, dass sich 1626 irgendwas dramatisches ereignet hat: es sind (geschätzt) 10 mal so viele Sterbeeinträge im KB wie sonst, 1627/28 aber deutlich weniger als normal.
    Ich interpretiere mal "pestilens" = Pest und hab schon mal ein wenig gesucht - mit begrenztem Erfolg: Wikipedia ergab nur "1625 Pest in Deutschland" und erwähnt u.a. 1626 Pest in Dresden ...


    Ich bin auf eure Übersetzung und sonstige Informationen sehr gespannt!

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)


  • ANNO CHRIST
    1597
    Videtur hic annus non minus pestilens,
    q[ua]m postea 1626, fuisse v. intra ad 13. p[ost] Trin[itatis]
    Die G. #
    [font='Verdana, Helvetica, sans-serif']


    Ganz ungefährt:
    Es hat den Anschein, dass dieses Jahr nicht weniger der Gesundheit schädlich
    als 1626 gewesen ist. ... innerhalb zu 13. nach Trinitatis.
    Am Tag G.
    Mit freundlichen Grüßen
    Friedhard Pfeiffer

  • Hallo Jörg,
    ich lese:


    ANNO CHRIST
    159
    videtur hic annus non minus pestilens
    qm postea 1626 fuisse v. intra ad 13.0p.Trin.
    Die G. #
    Das "qm" ist abgekürzt für quam "als/wie" bei Vergleichen.


    Im Jahre Christi
    1597
    dieses Jahr wird nicht weniger unheilbringend/seuchenbringend gewesen zu sein, angesehen
    als zuvor das Jahr 1626 siehe innerhalb zum 13. (Sonntag) nach Trinitatis.
    Am Tag (G #)


    eigentlich müßte es im lateinischen heißen, so wie wir es auch kennen: anno Christi. Wo das i in der Inschrift geblieben ist, weiß ich nicht.
    Was das G # bedeutet, weiß ich nicht.
    über die Zeile ganz unten muß ich erst nochmal meditieren.


    Was wir heute Pest nennen, kommt zwar sprachlich von diesem Wortstamm, aber wenn es sich um das Mittelalter und die frühe Neuzeit handelt, übersetzt man das Hauptwort besser mit "Seuche" oder manchmal auch besser "Verderben".
    Wobei das heutige Wort Pest als Hauptwort von dem lat. pestis oder pestilentia kommt. Lateinisch "pestilens" ist das Eigenschaftswort dazu und bedeutet in etwa das, was ich übersetzt habe.


    Eine medizinische Diagnose "Pest" ist rückwirkend nicht möglich, und es gibt auch medizinhistorische Theorien, daß es sich bei diesen Seuchen in der damaligen Zeit nicht immer um Pest in heutiger Definition gehandelt hat. Dazu kann man hierauch einiges lesen, wie immer eigentlich. ;)
    Man muß immer daran denken, wenn damals die Menschen das Wort "Pest" in den Mund nahmen, wollten sie eigentlich im Wortsinn "Seuche" sagen, und nicht Pest in heutigem Sinne.


    Ich hoffe, es hilft ein wenig
    viele Grüße
    Gisela


    PS ich sehe grade die Übersetzung von Herrn Pfeifer: "der Gesundheit schädlich" trifft es ziemlich genau, was ich oben versucht habe zu erklären.


    PPS ich meinte eigentlich diesen Link. Den anderen lasse ich mal stehen, vielleicht interessiert es ja jemanden.

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

    5 Mal editiert, zuletzt von Gisela ()

  • Hallo Gisela, hallo Herr Pfeiffer,


    vielen Dank für die Übersetzung.
    Wo das fehlende i bei Anno Christ(i) geblieben ist, weiß ich auch nicht - im KB ist es jedenfalls nicht :D


    Ich interpretiere das jetzt so: irgendjemand ist nach 1626 aufgefallen, dass auch 1597 übermäßig viele Menschen gestorben sind - wie 1626 - und hat diese Beobachtung dann ins KB geschrieben.


    Aber was mag
    ... siehe innerhalb zum 13. (Sonntag) nach Trinitatis.
    bedeuten? Das sich die Todesfälle in 1597 bis 13 p. Trin. gehäuft haben?
    Das könnte ich im Oktober mal nachsehen, wenn ich wieder im Kirchenarchiv Magdeburg bin.


    Verstanden (und gelernt) habe ich, dass die damals häufigen Seuchen anscheinend nicht immer die Pest waren, wie allgemein angenommen.


    Die beiden genannten links hatte ich schon "konsultiert" und noch einige mehr. Vielleicht hatte ich davon mehr erwartet, als ich dann letztlich fand.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo Jörg,
    das "siehe innerhalb ..." verstehe ich auch so, daß im Buch an einer Stelle um den betr. Sonntag herum entweder etwas zur Sache steht, oder einfach mehr Menschen als gewöhnlich gestorben sind.
    Vielleicht berichtest du mal, ob du bei diesem Datum etwas gefunden hast. Es ist eine interessante Sache.


    Den Rest des Textes interpretiere ich genau so wie du. Und das i lassen wir dann einfach mal in Frieden ruhen. :D
    viele Grüße
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Hallo,
    nur ein Buchstabe: statt intra lese ich infra, also nicht "innerhalb", sondern "unten"; das ändert aber eigentlich nichts an Giselas Interpretation, dass dort ein entspr. Eintrag zu fionden sein müsste.
    In der unteren Zeile könnte man lesen: Die 9 Epiphania Domini = am 9. Tag, also an Epiphanias, und das dürfte den folgenden Eintrag betreffen.

  • Hallo Jörg,


    auch dir Dank für die kleine Korrektur.


    Die untere Zeile des scans ist der Beginn des ersten Eintrags des Jahres 1597 und ist eindeutig von anderer Hand geschrieben als der angefragte lateinische Text der zwischen die Jahreszahl und dem "Epiphania Dm." [Domini]. Und das ist natürlich der 6.1.1597.
    Dieser Textstummel rechts, den ich als
    "Die G. #" gelesen ;) habe, gehört sicher nicht zu dem abgeschnittenen Taufeintrag.


    Überliefert sind von Kroppenstedt die Taufbücher ab 1591. Die Trau- und Sterbebücher fangen 1624 an, ob dies tatsächlich die ersten sind weiß ich nicht.
    Auf dieser ersten Seite zu 1597 sind 6 Taufeinträge, bei drei ist ein + (für "verstorben") nachgetragen. Nur über diese Kreuze kann ich hoffentlich nachvollziehen, was in dem Jahr da abging.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Dieser Textstummel rechts, den ich als "Die G. #" gelesen ;) habe ...


    Es war mir schon bei sehr vielen Einträgen aufgefallen, das seitlich ein Großbuchstabe notiert ist, eine Struktur konnte ich aber nicht erkennen.
    Bei der Auswertung der umfangreichen Notizen und Kopien, die ich von meinem kürzlichen Besuch im Kirchenarchiv Magdeburg mitgebracht habe, fand ich vorhin die Lösung.
    Der Pfarrer hat den Kirchensonntag oder ein Feiertag eingetragen und darunter alle Taufen (bzw. Trauungen, Sterbefälle), die in der betreffenden Woche "anfielen".
    Am Rande des Eintrags ist der Wochentag durch den Buchstaben codiert genannt. Dabei steht A für Sonntag, B für Montag usw. bis G für Samstag.


    Der Vermerk, um den es ja hier in dieser Frage geht, bezieht sich auf das gesundheitsschädliche ;) Jahr 1626, aus diesem Jahr habe ich eine KB-Seite Sterbeeinträge aus denen sich dieser Tagescode leicht ableiten lässt.


    Tagescode

    Ganz oben ist der Rest der Woche "In Festo pentecoste" und Pfingsten war am 28.5.1626, Dom. Trinitatis am 4.6., Dom 1 Trin. am 11.6. (alles julianisch!).


    Evtl. ist dieser Code auch auf das noch fragliche "Die G #" anwendbar? Aber was für ein Samstag wäre das dann? Ich fürchte ich muss mich bis Oktober gedulden, um die KB dazu gezielt zu durchforsten.


    Ist irgendwer schon mal auf eine gleiche oder ähnliche Codierung gestoßen? In allen anderen Orten, von denen ich KB durchgesehen habe, war der Ereignistag immer im Klartext.

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)