Pfarrer und gleichzeitig Ritter?

  • Hallo allerseits,


    bei Recherchen zu meiner Adelsfamilie v. Sandow bin ich in brandenburgischen Urkundenbüchern auf eine seltsame Kombination gestoßen:


    - 1324 wird in einer bischöflichen Urkunde ein "Leutpriester" in Perleberg (übersetzt aus dem lateinischen "Plebanus") Günther v. Sandow erwähnt.


    - 1325 wird in einer kirchlichen Urkunde aus Perleberg der "Dominus" (also Herr) Günther v. Sandow als einer der Entscheider über ein Statut einer geistlichen Stiftung genannt.


    - 1326 und 1327 war ein "miles" (also Ritter) Günther v. Sandow Zeuge bei Urkunden seines Dienstherren, des Markgrafen Ludwig.



    Und das irritiert mich etwas: natürlich können es auch mehrere Günther v. Sandows gewesen sein, möglicherweise aber auch nicht! Das einzige, was ich mit einiger Sicherheit weiß ist, dass eine Familie v. Sandow (leider bin ich noch nicht einmal sicher, ob es sich dabei um "meine" v. Sandows handelt) zumindest im 14. Jahrhundert mit Gütern in und um Perleberg belehnt waren.


    Wie würdet Ihr die genannten Informationen einschätzen?


    Grüße!


    Giacomo-Marco

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Hallo Giacomo-Marko
    Denk an die Tempelritter.Der Orden wurde von Mönchen gegründet und war bei den Kreuzzügen auf einmal ein schlagender Orden.Diese Mönche waren auf einmal zu Rittern geworden.Es könnte ja aber auch sein ,dass dieses Gut mit dem er belehnt wurde ein Rittergut war und er deshalb auch gleichzeitig Ritter wurde.
    Liebe Grüße
    Franz Josef

  • Hallo Franz Josef,


    die Mitgliedschaft in einem Ritterorden würde ich bei Günther v. Sandow selbst zwar nicht völlig ausschließen (ich müsste mal schauen, ob die Kirche in Perleberg irgend etwas mit einem Ritterorden zu tun hatte), aber ein Lehen hätte in diesem Falle wohl nur ihm persönlich gelten können, da Ordensritter meines Wissens ein "Keuschheitsgelübde" ablegen mussten und somit wohl kaum Nachfahren hatten, die als FAMILIE in seiner Nachfolge (wenn es denn seine Nachfolge war und die Familie nicht auch sonst Ansprüche dort hatten) hätten belehnt werden können.
    Genau diese Tatsache hat zum Aussterben meiner eigenen Familienlinie als Adelsfamilie geführt: der letzte männliche Adlige war in diesem Falle ein Deutschordensritter und sein (von ihm anerkannter) Sohn musste sich als nichtadliger Schulmeister durchschlagen...


    Liebe Grüße


    Giacomo-Marco

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  • seltsame Kombination

    Hallo Giacomo-Marco,


    heutzutage denkt man vornehmlich an den weltlichen Ritterstand (mit Schwert und Schild, ggf. auf hohem Ross). Daneben gab es jedoch den geistlichen Ritterstand. In dem fand man vor allem den männlichen Ritternachwuchs, der sich -meist mangels körperlicher Voraussetzungen- nicht für den weltlichen Ritterstand qualifizieren konnte.


    Gruß
    Detlef

  • Hallo Detlef,


    ich glaube eher nicht, dass in der Urkunde, in der Günther v. Sandow als "miles" bezeichnet wurde, an einen Menschen gedacht worden sein könnte, der nicht waffentauglich war. In einem solchen Fall hätte man doch sicherlich einen anderen Begriff genutzt und keinen, der so unmittelbar an den aktiven Waffendienst denken lässt - zumal zu einer Region, die gerade zur Zeit der Urkundenerstellung alles andere, als friedlich war...


    Gruß


    Giacomo-Marco

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  • Hallo Giacomo-Marco,


    ein Schildknappe, der nicht durch Schwertleite oder Ritterschlag für den weltlichen Ritterstand qualifiziert wurde, war natürlich für einen miles, also für einen gemeinen (Fuß-)Soldaten, qualifiziert genug.


    Gruß
    Detlef

  • Hallo Detlef,


    tut mir leid, Dir widersprechen zu müssen:


    1. bedeutete das Wort "miles" in mittelalterlichen Quellen keineswegs "gemeiner Soldat" (einerseits, weil es damals keine stehenden Heere gab, andererseits, weil einfache Soldaten niemals als Zeugen für irgendwelche staatsrechtlichen Verträge infrage gekommen wären, da sie nicht nur zu unbedeutend waren, sondern zudem auch nicht als eidfähig angesehen wurden);
    2. war die lateinische Bezeichnung für Knappen nicht "miles", sondern "armiger";
    3. widersprichst Du Dir selbst: wer aufgrund mangelder körperlicher Eignung nicht waffenfähig war, wäre wohl kaum als Fußsoldat eingesetzt worden.


    Dass kein Landesherr einen einfachen Soldaten als Zeugen für eigene Verträge nehmen oder einen nicht waffenfähigen Menschen zum Soldaten machen würde (von absolut außergewöhnlichen Umständen - z.B. nach Verlust der eigenen Herrschaft auf dem Weg ins Exil oder nach Verlust der gesamten sonstigen Gefolgschaft mal abgesehen, die ich bei Kurfürst Ludwig beim besten Willen nicht sehen kann), sollte eigentlich selbst Menschen einleuchten, die kein Latein können und von Geschichte keine Ahnung haben...


    Wobei ich Dir solches selbstverständlich nicht unterstellen möchte.


    Gruß


    Giacomo-Marco

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  • Hallo Giacomo-Marco,


    da liegen wohl einige Mißverständnisse vor.
    1.)

    "miles" (also Ritter) Günther v. Sandow

    Ein miles war keinesfalls ein Ritter (= eques/equester), sondern ein Fußsoldat. Ob Du überhaupt einen Beleg dafür hast, daß v. Sandow ein Ritter war, erschließt sich mir aus Deinen Ausführungen nicht.


    2.) Daß ein Schildknappe ein miles sei, habe ich mit keinem Wort behauptet.


    3.) Du setzt irrtümlich immer noch Ritterfähigkeit mit Waffentauglichkeit gleich.


    Das Thema ist für mich damit abgeschlossen.


    Gruß
    Detlef

  • Hallo Giacomo-Marco,


    zur Definition des Begriffs "miles" siehe folgenden Link.


    http://www.litde.com/fiktion-u…griff-und-ritterstand.php


    Zitat hieraus


    Zitat

    Die weitere Geschichte des Wortes miles läßt sich nicht mehr mit derselben Eindeutigkeit beschreiben, weil von nun an die verschiedenen Bedeutungen nebeneinander herliefen und vor allem weil bedeutende regionale Unterschiede den Wortgebrauch bestimmt haben. Für die Ausbildung des höfischen Ritterbegriffs war es von großer Bedeutung, daß das Wort miles im 12. Jahrhundert vereinzelt auf Mitglieder des hohen und höchsten Adels angewandt wurde. Daneben gewann miles eine besondere Bedeutung in bezug auf die Ministerialität. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts konnten die Wörter miles und ministerialis geradezu als Synonyme verwendet werden. Ob sich darin bereits der Aufstieg der Ministerialen zu einer adelsgleichen Position spiegelte oder ob das Wort miles eher die Dienstbindung der Ministerialen zum Ausdruck brachte, ist nicht leicht zu entscheiden. Wo es um den Rechtsstatus ging, blieben die Begriffe Adel und Ministerialität getrennt. In den Zeugenlisten der Urkunden wurde noch lange zwischen nobiles und ministeriales unterschieden. Erst im Verlauf des 13. Jahrhunderts - in manchen Gegenden etwas früher, in anderen später
    - wurde es üblich, die Ministerialen generell als milites zu bezeichnen.


    Zitat aus Wikipedia zu Ministeriale


    Zitat

    Erst im 11. Jahrhundert, in dem sich die Ministerialen begannen auszubreiten, sollte sich der Begriff als endgültige Bezeichnung für eine privilegierte Gruppe unfreier Dienstmannschaften durchsetzen. Im 12. Jahrhundert durften sich die Ministerialen mit dem Titel „milites“, also Ritter, bezeichnen, der bis dahin dem niederen und höheren Adel vorbehalten war.



    Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Ministeriale



    Demnach könnte :!: es sich nach o.g. Definition bei Günther v.Sandow um einen Ministerialen,also Beamten, gehandelt haben der die Urkunde als Zeuge gezeichnet hat.


    Es könnte :!: auch sein das wie im ersten Zitat genannt miles eine Bezeichnung für den hohen Adel war. Hier wird aber nur von


    "vereinzelt" :!: gesprochen !


    Führt Ihre Familie denn einen Titel, z.B. Freiherr (Baron), Graf, oder ähnliche :?:


    Vielleicht helfen ja o.g. Definitionen weiter! :)


    MfG


    DSCH

  • Hallo DSCH,


    schöne Zitate, die ich in dieser exakten Form noch nicht kannte - wenn mir die Sachen an sich auch schon früher bekannt waren.
    Die v. Sandows waren ganz klar KEINE Angehörigen des hohen Adels. Wenn meine Annahmen aufgrund der Gebietsgeschichte und dem Vorkommen als Zeugen in bestimmten Urkunden stimmen, waren die v. Sandow ursprünglich Lehensleute der Familie v. Plotho und wurden dann mit dem Wechsel der Herrschaft in ihrem Gebiet zeitweilig Lehensleute der Markgrafen und zeitweilig der Grafen von Lindow-Ruppin.


    Innerhalb ihres Standes gehörten sie zu einer Gruppe, die spätestens im 16. Jh. in so bescheidenen Verhältnissen leben musste, dass sie in Kriegesituationen nur gemeinsam mit einer weiteren Adelsfamilie einen berittenen Kämpfer stellen konnten. Leider weiß ich nicht sicher, wie ihre Verhältnisse früher aussahen, da es wahrscheinlich zwei verschiedene Familien v. Sandow in der Region gab - zumindest existieren zwei sehr unterschiedlich aussehende Wappen. Eine Herkunft meiner eigenen Familie aus dem Rittertum erscheint - neben der gelegentlichen Bezeichnung als "miles" - auch dadurch gesichert, dass es sich bei ihren Lehen um sogenannte "Mannlehen" handelte. Bei anderen Formen des Lehens waren im Zweifel auch weibliche Nachkommen erbberechtigt, bei Mannlehen aber nicht, da dieses die Pflicht zum Heeresdienst zumindest prinzipiell beinhaltete. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass das Mannlehen zumindest im Fall der Mark Brandenburg eine eindeutige Standeszuordnung ermögliche.


    Grüße!


    Giacomo

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