Mädchenschulen (ab wann gab es sie, für welche Mädchen, was wurde da gelehrt?)

  • Hallo allerseits,


    Weiß jemand von euch, ab wann es in Deutschland spezielle Mädchenschulen gab?
    Ab wann gab es sie im nördlichen Harzvorland?
    Was wurde da gelehrt?
    Wie wurden die Lehrer bezahlt (im Vergleich zu allgemeinen Dorfschulen und Schulen für Jungen)?


    Hintergrund meiner Frage: einer meiner Vorfahren und später dessen Witwe waren in der zweiten Hälfte des 17. Jh. Mädchenschulmeister in Dardesheim (einer Kleinstadt im Einzugsbereich von Halberstadt und Wernigerode).


    Viele Grüße
    Giacomo

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Hallo Simone,


    das ist ja immerhin schon mal EINE Info, die mir Wikipedia NICHT gegeben hat :) !


    Ich hätte nie gedacht, dass es mit Mädchenschulen doch schon so früh los ging - aber der in dem Artikel hergestellte Zusammenhang mit dem protestantischen Erziehungsansatz auch in Bezug auf die Mädchenbildung klingt auf jeden Fall stimmig. Es wird da wohl im Wesentlichen (wie in den Dorfschulen auch - habe einen dörflichen "Stundenplan" aus dem 18. Jh. - ) im Wesentlichen um eine Kombimation von Religionsunterricht, Lesen, Schreiben und Rechnen gegangen sein.
    Aber ob es im städtischen Bereich und insbesondere für Mädchen auch noch andere Unterrichtsinhalte (Nähen, Sticken, Stricken etc.?) gab, würde mich (neben der Lehrerbesoldung) auch noch interessieren. Zumal der erste Mädchenschulmeister, den ich unter meinen Vorfahren habe, ein MANN war, der zu allem Überfluss seinerseits eine für adlige Standespersonen ausgelegte Erziehung durch einen Privatlehrer erhalten hatte (was er davon wohl für seinen späteren Job nutzen konnte...?).


    Auf jeden Fall Danke für Deinen spannenden Verweis!


    Giacomo

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

  • Auch in katholischen Gegenden gab es in Städten und Kleinstädten schon früh Mädchenklassen an den Schulen. Der Hintergrund war, dass die Frauen der Handwerker schon im Mittelalter den Laden (falls es einen gab) und die Buchführung übernahmen und somit lesen, scheiben und rechnen können mussten.

  • Hallo Giacomo,


    nördliches Harzvorland - ich habe von Schauen eine Schulordnung vom 05.06.1761. Da heißt es immer nur "Kinder", nicht Jungen oder Mädchen, einmal auch "Kinder ohne Ausnahme".
    Daraus dürfte zu schließen sein, dass die zusammen in die Schule gegangen sind.
    Hier der Text:


    Schulordnung des Reichsfreiherren zu Schauen Otto Heinrich Grote 
vom 5. Juni 1761
    Nachdem malen ich bei meiner jetzigen Anwesenheit sowohl befunden, als auch vom Pastore u. Cantore einmüthige Beschwerde geführt worden,
    daß die hiesigen Unterthanen ihre Kinder theils sehr wenig theils gar nicht zur Schule schicken;
    Und ich dann nicht gemeinet bin, dieser Unordnung länger nachzusehen, sondern zu der Jugend Aufnahme u. Unterricht deren bestens väterlich zu sorgen;
    Als setze, ordne u. befehle ich hierdurch allen meinen Unterthanen in meiner freyen Reichsherrschaft Schauen so gnädig als ernstlich:


    1. Sollen jedwede meiner Unterthanen, welche Kinder haben, alltäglich solche sowohl des Vor- als Nachmittags bei Strafe allerernsten Einsehns und gerechter Ahndung fleißig zur Schule schicken.


    2. Mache ich wegen Haltung der Schule folgende Einrichtung:
    a) Soll die Schule im ganzen Jahre nicht länger als von Johanny bis Michaelis gänzlich ausfallen. – Ich will dahero, daß in denen 3 Quartalen die Kinder ohne Ausnahme
    fleißig und ohne Widerrede, nämlich von Michaelis bis Johanny zur Schule geschickt werden.
    b) Wer von denen Eltern in dem eingehenden Schulquartal seine Kinder freiwillig zur Schule schicken will,
    so ist der Cantor befehligt, nichts desto weniger dieselben zu informiren und auf selbige zu achten.


    3. Das Schulgeld betreffend, soll ein jeder Unterthan für jedwedes Kind, welches nicht schreiben lernt, alljährlich 16 Mariengroschen Schulgeld,
    nämlich für die 2 Winterquartale von Michaelis bis Ostern 12 Mariengroschen, also von jedwedem Quartal 6 Mariengroschen, von Ostern bis Johanny aber nur 4 Mariengroschen entrichten.


    Gleich wie ich nun hoffe, meine getreuen Unterthanen werden diese, zur Aufnahme der Schule so nöthige und heilsame Verordnung von selbsten in allen Stücken genau zu befolgen sich befleißigen,
    so hat auch im Gegentheil der Amtmann hierdurch ausdrücklichen Befehl, die Contravenienten auf des Pastoris und Cantoris Anzeige zur nachdrücklichen Strafe zu ziehn.


    Wo nach sich also ein jeder zu richten hat.
    -----------
    Quelle: Reinecke, Geschichte der Freien Reichsherrschaft Schauen, Osterwieck, 1889

    Freundliche Grüße
    Jörg


    Berlin und Umgebung: Mohr, Hartung, Zienicke, Krusnick, Grünack, Linto (vor 1750); Magdeburger Börde (rund um Egeln, etwa 1600 - 1800)
    Gera: Dix (vor 1740); Wunstorf: Brandes, Steinmann (vor 1800), Hildesheim: Michael (vor 1800); Gönningen (und Umgebung, vor 1650)

  • Hallo Jörg,


    Danke für Deinen durchaus interessanten Text, der mich übrigens sehr an ältere sizilianische Verhältnisse erinnert...


    Dass Mädchen und Jungen in Deutschlan zumindest Dorfschulen gemeinsam besucht haben, wusste ich schon (ich hatte sogar mal Gelegenheit, eine Art "Schulbuch" einer Dorfschule des 18. Jh. einzusehen, in dem es u.a. Angaben zu den Unterrichtsfächern für die verschiedenen Jahrgänge und zum "Betragen" der einzelnen Schüler gab).


    Es wäre mich interessant zu wissen, ob und in wiefern sich der Unterricht in städtischen Mädchenschulen von dem in städtischen Jungenschulen und in Dorfschulen unterschieden hat (wenn das denn der Fall war) und ob es eine Veränderung der Schulfächer zwischen der Zeit meines lehrenden Vorfahren und der des von mir eingesehenen Dorfschulbuches gab.


    Und warum ausgerechnet mein Vorfahre mit seinem Hintergrund (und nicht eine entsprechend vorbereitete Frau) der erste von mir überhaupt gefundene Mädchenschullehrer in Dardesheim war: was hatte ein von einem Privatlehrer unterrichteter männlicher Adelsspross mit einer Mädchenschule zu tun?!
    Das passt für mich irgendwie nicht zusammen, wenn nicht - was ich sehr wohl für möglich halte - dieser "Job" in Dardesheim eigens für meinen Vorfahren geschaffen wurde, um ihm einen Unterhalt zu verschaffen, nachdem es mit der Anerkennung als legitimer Erbe der Familie seines Vates trotz dessen Bemühen nicht geklappt hat...
    Denkbar wäre das für mich u.a. weil der Schwiegervater des Mädchenschullehrers Mitglied des städtischen Senats und sogar zeitweiliger Bürgermeister war und sich so fr ihn eingesetzt haben könnte.


    Viele Grüße
    Giacomo


    P.S.: mein Vorfahre war übrigens zumindest in der Frühzeit der Dardesheimer Mädchenschule, so weit ich es verfolgen kann, deren einziger MÄNNLICHER Leiter...

    IRGENDWIE sind wir doch ALLE miteinander verwandt... ;)

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