Grünhof, Dobeln, Kurland 1907-1910

  • Guten Tag,
    ich suche Informationen über den Ort Grünhof im Kreis Dobeln in Kurland (Ostseeprovinz, Baltikum, seit 1795 zum russischen Reich gehörig).
    Grünhof ist einer der Orte, für die unter anderem zwischen 1906 und 1914
    wolhyniendeutsche Pächter bzw. Knechte angeworben wurden. Möglicherweise
    ist dies der Ankunftsort meiner Vorfahren zwischen 1907 und 1910.
    Weitere Fragen: Was passierte nach der Ankunft? Wer teilte die Emigranten ein bzw. wies ihnen Höfe zu? Gibt es darüber noch Aufzeichnungen? Wohin gingen die Angeworbenen?
    Späterer Geburtsort von Familienmitgliedern ist Jelgava (Mitau), heute lettisch. In welchen deutschsprachigen online-Quellen könnte ich nach "Stierle", "Stirlis", Stirelis" suchen?
    Besten Dank für jede weiterführende Information,
    Gunnar Stierle

  • Hallo,


    den Bericht hier: http://wwwhaplogruppe-u5-europ…us-dem-lubliner-land.html wirst Du ja evtl. auch schon gelesen haben. Der Schreiber war ja weiter westlich aktiv, aber in seiner Reisegruppe war ja dem Bericht zufolge auch ein Bevollmächtigter der Gräfin Medem-Grünhof.
    Hier https://dspace.ut.ee/handle/10062/19055 kann man die Baltische Monatsschrift 1929 herunterladen, wo ab S. 143 (pdf 150) Ein Herr Schulz über den deutschen Bauern in Lettland schreibt.


    Gruß


    Thomas

  • Hallo Thomas,


    ja, ich habe den Bericht (Teil 1 und 2) des K. von Manteuffel "Meine Siedlungsarbeit in Kurland" gelesen.In einem kurzen Abriss der Geschichte von Grünhof ist auch der Besitzername Karl Theodor von Medem auf Elley enthalten. Der Eigentümer in dem für mich interessanten Zeitraum war wohl Alexander Friedrich Karl von Württemberg. Auf dem Anwesen müssen zahlreiche bekannte Künstler gelebt / gearbeitet haben, so z.B. die Sopranistin Natalie (Eschborn) Baronin von Grünhof, (später) verheiratet mit Herzog Ernst Alexander Konstatin von Württemberg.


    So interessant das alles ist, sagt es jedoch nichts zu meinen Fragen bezüglich der Ankunft / Verteilung der wolhynien-deutschen Ansiedler und insbesondere meiner Familie aus.
    Dennoch: vielen Dank,jedes Puzzleteilchen hilft :-)
    Beste Grüße,
    Gunnar

  • Hallo Thomas,


    ja, danke, auch bekannt.
    Der Bericht von Schulz in "Baltische Monatsschrift 1929 Jg. 60" verweist auf die Landknechtskolonien in Kurland, ca. 65 Höfe sollen es gewesen sein (S. 154 in der pdf). Pro Hof sollen durchschnittlich knapp 50 Personen ansässig gewesen sein. Das entspräche den familiären Angaben über die Größe des Hofs meines Großvaters Emil .


    Auf Seite 156 (pdf) wird auch auf Eigentümerkolonisten hingewiesen, die (selbst "schwerreich") Ländereien von v. Manteuffel erwarben. Möglicherweise ist dies die Geschichte meines Urgroßvaters Georg, der aus Masowien über Wolhynien nach Kurland zog und bereits aus dem Verkauf von Grundbesitz das Geld für einen Erwerb mitbringen konnte. Aber: Das ist alles Spekulation.


    Auf S. 157 (pdf) wird auch die Vermutung geäussert, dass die Ansiedler ursprünglich aus Schwaben kommen. Das würde ebenfalls passen, denn die Herkunft meiner Familie ist Oberaichen.


    Habe ich in der pdf noch etwas übersehen?
    Besten Gruß,Gunnar

  • Hallo Gunnar,
    infolge der Revolution 1905/06 kam es zu Veränderungen, die auch für die baltischen Provinzen Auswirkungen.


    Einige Rittergutsbesitzer (u.a. Carl Baron Manteuffel - Katzdangen und Silvio Broedrich - Kurmahlen) leiteten eine innere Kolonisation in die Wege, die privat organisiert war.
    Die Siedler, die angesiedelt wurden, entstammten den Bauerngebieten an der Wolga und in Wolhynien.
    Es war ein Ziel, "das Deutschtum numerisch zu stärken" und z.B. Letten zu verdrängen, um so die deutschen Bauernkolonien zu stärken, indem lettische Knechte durch deutsche Knechte ersetzt wurden.
    Dies ist auf 68 Gütern geschehen. Ein nicht unbedeutender Teil dieser Wolhynier wurde in diesen Gebieten heimisch und stiegen teilweise von Knechten bis zu selbständigen Pächtern auf.
    So sind 1911 z.B. alle 12 Güter Manteuffels zum größten Teil in die Hände deutscher Pachtbauern gelangt und es entstanden Eigentumsparzellen.
    Von beiden Kolonisatoren wurden insgesamt 41 Güter in deutsche bäuerliche Hände überführt und ca. 10.000 - 11.500 Personen, zu denen noch ca. 3.500 Knechte hinzukamen, wurden seßhaft.


    Die Finanzierung wurde vom Kolonisator getragen ud die Siedler mußten zur Inventarbeschaffung Kredite aufnehmen.
    Hierüber schreibt Hans - Jürgen Seraphim in "Die deutschen Kolonisten aus Wolhynien, in: Wilfried Schlau, Sozialgeschichte der baltischen Deutschen, Köln 1997 auf Seite 260 - 264.
    Ich hoffe mit diesen Informationen etwas den Hintergrund der Fragestellung aufhellen zu können, auch wenn ich hier nicht auf genaue Güter und Personen eingehen kann.
    Viele Grüße
    Frank