Russische Kriegsgefangenschaft

  • Hallo M.,
    Das Bild 1 mit der deutschen Bescheinigung ist eine wortwörtliche Übersetzung des russischen Entlassungsscheins (Bild 2). Derartige Bescheinigungen waren üblich, um den Betreffenden bei Kontrollen durch die Besatzungsmacht zu legitimieren. Das russische Original trägt oben den fast unleserlichen Stempeldruck "Entlassen aus der Kriegsgefangenschaft", außerdem einen Vermerk darüber, welche übergeordnete Befehlsstelle die Entlassung archivierend registriert hat. Vielleicht kann man noch einiges aus dem Stempeln herauslesen. Wenn man den Scan auf den Kopf stellt, wird erkennbar, dass die Entlassung der diensthabende Stabsoffizier der Militäreinheit -Feldpost-Nr. 61948 - verfügt hat. Anhand dieser Nummer ist es ein leichtes, in russischen Archiven, vielleicht sogar online, zu ermitteln, welches Lager die Nr. 61948 im Jahr 1948 verwaltet hat. Auf jeden Fall war es ein von der Roten Armee, d. h. dem Verteidigungsministerium verwaltetes Kriegsgefangenenlager und nicht ein dem Innenministerium unterstelltes Arbeitslager (Stichworte GULAG, URALSEWLAG u. a.).
    Bis zum Ende der Sowjetunion waren deren geheime Dienststellen nur über eine Briefkasten-Nr. erreichbar.


    Beste Wünsche
    Detlef

  • Mein Vater wurde am 4.7.1945 in Berlin zu einer Zeugenaussage zum Amtsgericht bestellt und dann verhaftet wegen Zugehörigkeit zur NSDAP und kam ins Lager Hohenschönhausen, von dort über Weesow nach Neubrandenburg bis Dez. 1947. Im Lager Torgau wurden er und 30 weitere Ingenieure und Mechaniker aus anderen Internierungslagern zusammengezogen und dann nach Nowogorsk bei Moskau in ein durch die GPU bewachtes Lager gebracht. Hier waren bereits 25 weitere Wissenschafter. Dieses Lager war Moskau Postfach Nummer 1323. Hier blieb er bis 1951. Dann wurden der Gruppe Arbeitsverträge als "freie Mitarbeiter " vorgelegt, mit entsprechendem Druck unterschrieben nach anfänglicher Weigerung dann doch alle. Jetzt kam die Gruppe in ein neues umzäuntes Lager mit ca. weiteren 200 Deutschen, Frauen und Kinder eingeschlossen. Moskau Postfach Nr. 908.


    Dann kam Adenauer nach Moskau und holte die letzten Kriegsgefangenen heim! Mein Vater wurde kurz vor dem Besuch nach Suchumi verladen mit 72 anderen und nun war es Suchumi Postfach 126. In 1957 wurden ca. 40 nach Ostdeutschland entlassen und die restlichen 33 verließen am 12.2.1958 Suchumi mit dem "Blauen Expreß", in Frankfurt an der Oder stiegen sie in einen Sondertriebwagen der sowjetzonalen Reichsbahn um und kamen über Berlin in Helmstedt an.


    Ich kannte meinen Vater bisher nicht, aber die Postfach Nummern, die weiß ich noch, denn wir durften Briefe schreiben.


    Regina

  • Hallo Regina,


    die Feldpost-Nr. 61948 wurde für das Lager Gronenfelde als Hauptentlassungelager in Frankfurt / Oder vergeben. Von dort wurde dein Vater also in Richtung Heimat entlassen.


    Empfehlen kann ich dir bezüglich der Gefangenschaft und NSDAP-Zugehörigkeit Anfragen an folgende Stellen


    1. Bundesarchiv Berlin (http://www.bundesarchiv.de/auf…en/reich/00340/index.html) - wegen NSDAP Zugehörigkeit
    2. WASt (http://www.dd-wast.de) - wegen Gefangenschaft / evtl. Militärdienst?
    3. DRK-Suchdienst (http://www.drk-suchdienst.de) - Anfrage bzgl. der Postfachnummer / Vorhandensein einer Gefangenenakte bzw. Entschädigungsakte
    4. Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung (http://www.bik.ac.at) - Anfrage bzgl. der Postfachnummer / Vorhandensein einer Gefangenenakte (auch wenn kein Österreicher, Besorgung evtl. über russisches Staatsarchiv)


    Vielleicht ergibt sich ja etwas neues. Viel Erfolg.


    Gruß Alex

  • Hallo Alex,


    durch die Filmberichte über "Stalins willige Helfer" habe ich angefangen, mich mehr mit der Verschleppung meines Vaters zu beschäftigen. Es war nur ein schmaler Hefter, den er aufgehoben hatte, und da ging es um seine Rentenansprüche und die Anerkennung als Kriegsgefangener. Er war ja nicht freiwillig ein "williger Helfer Stalins", so wie Manfred von Ardenne oder Prof. Hertz. Die Siedlung in Moskau hieß übrigens Tuschino und in Suchumi Agudserie. Inzwischen habe ich einen Ordner im Computer angelegt und dort sammele ich alles, was ich zu diesem Thema finde. Die Berichte über die Lager Hohenschönhause, Weesow, Neubrandenburg haben mich doch ziemlich deprimiert und ich bedauere jetzt, dass ich dieses Thema nie angesprochen habe.Aber mein Vater hätte wohl nichts erzählt, dem sass die NKWD-Aufsicht bis zum Lebensende im Nacken. Im Internet habe ich auch Zeitungsartikel über die noch immer Internierten gefunden und auch Protokolle aus dem Bundestag. Die neuen Links werde ich nutzen. Danke


    Regina