kleine babylonische Verwirrung: "...ажресагумашлян..."

  • Das hat jetzt wirklich nichts mit Ahnenforschung zu tun!
    Ich dachte aber, dass ich im Übersetzer-Bereich besser aufgehoben bin, als im Off-topic-Bereich.


    Hier ist ein Text, den ich sprachlich nicht einordnen kann:


    Амен каймангасас, амен абу уман ме гату.
    Со скагме гаман ажресагумашлян
    кайгя туман одегипапи стедгя!


    Und in Lateinischen Buchstaben liest sich das:


    Amen kaimangasas, amen abu uman me gamu.
    So skagme gaman aschresagumaschljan
    kaigja tuman odegipapi stedgja!


    Ich kenne viele slawische Sprachen dem Gehör nach, doch hier passt es nicht annäherungsweise hin. Zigeuner habe ich befragt, die kannten die Sprache auch nicht. Die Agglumeration vieler Silben brachte mich auf eine Turksprache, aber zahlreiche in Berlin ansässige Türken teilten mir mit, dass sie darin keine entfernte Ähnlichkeit zum Türkischen sehen.
    Heute traf ich im Park eine Gruppe Russen, und fragte sie gleich auf Russisch, ob sie mit dem Text etwas anfangen könnten. Sie stiegen darauf ein, aber im Gespräch fehlten mir schnell die Vokabeln, so dass ich auf das mir geläufigere Bulgarisch umschwenkte. Die Befragten machten mit, und sprachen Bulgarisch mit mir, mit wachsender Begeisterung. Doch je schneller das Gespräch wurde, verließen mich auch die Bulgarischen Kenntnisse, oder ich hätte einfach zu lange nachdenken müssen. Also ging es dann Englisch weiter. Sie antworteten aber auf Deutsch. Da blieb mir am Ende nur der Bulgarische Französismus "merci"- so sagt man in Bulgarien Dankeschön. Aber weiterhelfen konnten sie mir auch nicht.
    (Dass einer der Russen einen 2 cm dicken Stapel 50€-Scheine in der Hand hielt, wird mich in Zukunft vorsichtiger werden lassen. Die Mafia lauert überall)


    Der ganze Text stammt aus einem Lied zweier Bulgarischer Sänger, beide sind Romani.
    Doch wie gesagt, es hat rein überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Bulgarischen Sprache und der Zigeunersprache.
    Hier könnt Ihr Euch das Lied und damit den Text anhören, falls Euer PC Sound hat.


    Nachbesserung: Um den Widerspruch zum später gesagten zu erklären: Dass diese Wörter keine Ähnlichkeit zum Zigeunischen hätten, sagten mir die Kinder des Nachbarn. Sie sind darin nicht so kompetent wie der Vater. Der Vater konnte durch Zufall einen Kontakt zu seinem Oberhaupt herstellen, denn der ist nur selten in Berlin.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

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  • Helfen kann ich erstmal nicht, aber ich habe es mal geggogelt...
    Hier http://liternet.bg/publish17/p_shulikov/stihova.htm findest du unter 8. anscheinend bulgarische Anmerkungen zu dem Text... Ich kann kein Bulgarisch, aber vielleicht hilft dir das? Und hier http://www.sibir.bg/index.php?…ayTopic&id=2339&tid=21556 ist ebenfalls eine bulgarische Seite wo darüber diskutiert wird.. Hast du die schonmal angesehen?


    Falls es eventuell doch Romani ist, dann gehört es ja auch nicht zur slawischen Sprache, sondern ist eine indoarische Sprache... Und Romani ist eben nicht nur eine Sprache, da gibt es ganz schön viele Formen, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Romani , vielleicht haben die Roma die du gefragt hast nicht den richtigen Dialekt gesprochen?


    Hier zumindest http://www.roma-service.at/ könntest du wahrscheinlich mit einer Mail wirklich klären, ob es Romani ist oder nicht...

  • Hallo und guten Morgen!
    Mein Mann ist Russe und zum Glück nicht in der Mafia, auch wenn es um den Geldstapel schade ist! Dafür könnte ich soviele Archivanfragen starten!!! :P Die Buchstaben sind wirklich kyrillisch, und die Sprache höchstwahrscheinlich Kamlmückisch:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kalm%C3%BCckische_Sprache
    Erkennbar ist nur "туман", was auf russisch "Nebel" heisst, in einigen Turksprachen aber als "Tausend" verwendet wird. Leider kennen wir keinen Kalmücken, um unseren Verdacht endgültig zu bestätigen. Vielleicht ja jemand anderes? Uns würde es auch interessieren.
    Viele Grüße von Agnagha

  • Hallo und vielen Dank.
    Jetzt hat sich die Frage nach der Sprache eindeutig gelöst: Es handelt sich um "bulgarisches Zigeunisch". Der Artikel zur Sprache "Roma" in Wikipedia hat sich dabei als völlig irreführend und falsch erwiesen. Das ist nur ein Pamphlet falschverstandener politischer Korrektheit.
    Durch Vermittlung, und weil ich meine zigeunischen Nachbarn schon lange kenne, hatte ich die große Ehre, heute den Clanchef des hiesigen Volkes persönlich kennenzulernen.
    Er hat mich zum Schnaps eingeladen, und mir ausführlich erklärt, er sei weder Sinti noch Roma, sondern nur Zigeuner. Und eine Sprache namens Roma gibt es nicht, denn jedes Zigeunervolk hat seinen eigenen Dialekt (er bezeichnete es als eigene Sprache), der mitunter stark von den Nachbarvölkern abweichen kann.
    Die in der deutschen Öffentlichkeit praktizierte Sitte, von "Sinti und Roma" zu sprechen, zeugt nach Meinung des Clanchefs von einer sehr distanzierten Haltung gegenüber Zigeunern. Man hätte den Begriff als abwertend eingeordnet, und tut jetzt so als sei der Begriff allein schon ein Gift, welches man nicht in den Mund nehmen will.
    Nun, alle Zigeuner die ich kenne, sind recht stolz auf ihre alte Kultur und ihre einzigartige Geschichte. Da darf man auch gerne Zigeuner sagen, das ist eher ein Kompliment als ein Schimpfwort.


    Sehr kluge Worte, fand ich, und wollte sie Euch deshalb nicht vorenthalten.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • ...Jetzt hat sich die Frage nach der Sprache eindeutig gelöst: Es handelt sich um "bulgarisches Zigeunisch"...

    Das war sehr interessant und aufschlußreich! Ich hatte bisher auch so meine Probleme, den Begriff "Zigeuner" zu benutzen, und sehe das nun in einem neuen Licht.
    Aber, meine Neugier ist nicht befriedigt: Konnte der Clanchef den Text auch übersetzen? Ich wüsse so gerne, was es heisst!
    Viele Grüße von Agnagha

  • Ich habe ihn nicht danach gefragt, weil ich spürte, dass es ihm nicht ganz geläufig ist. Wenn man es mit einer Respektsperson zu tun hat, die quasi wie ein Staatschef verehrt wird, unterlässt man unnötige Fragen. Aber mir war ja auch nur wichtig, überhaupt die Sprache zu identifizieren.
    Nach diesem Erfolg kann ich nun jeden bulgarischen Zigeuner um eine Übersetzung bitten, der mir über den Weg läuft. Da müsste ich nur einen treffen. Aber wenn ich das nächste Mal in Bulgarien bin, werde ich einfach einen ansprechen.
    Ach so: Einzelne Wörter konnte er natürlich übersetzen. Aber das war uninteressantes Zeug, wie "Wie weit" hier oder "hundertmal" dort, es gab keinen Zusammenhang.


    PS: Traditionell ist jede Form des Zigeunisch keine Schriftsprache. Das bedeutet, ob man es Kyrillisch, Arabisch oder Lateinisch lautmalerisch nachformen will, man erschafft immer eine gekünstelte Schreibform. Die meisten Zigeuner sind Analphabeten, da ihnen unter kommunistischer Herrschaft in fast allen Ländern das Recht auf Schulbesuch verwehrt wurde. Mein zigeunischer Nachbar war sehr verdutzt, eine Sprachquelle in schriftlicher Form präsentiert zu bekommen. Empört entgegnete er, "Zigeunisch wird nicht geschrieben!"
    Es ist offenbar ein Sakrileg, die Sprache schriftlich ziu fixieren. Zwar gibt es einige wenige Bücher in Zigeunisch, wie etwa die Bibel. Aber die schriftliche Fixierung wird von den Betroffenen stark abgelehnt.

    QVEM QVAERIS? ("Wen suchst Du?"- Johannes 20,15)

  • Guten Morgen!
    Danke, das war eine sehr interessante Information. Leider wissen die meisten viel zu wenig über Zigeuner und ihre Traditionen, so geht es mir auch. Vor einigen Jahren gab es in unserer Stadt noch einen sogenannten "Zigeunerplatz", wo Durchreisenden Platz für ihre Wohnwagen bereitgestellt wurde. Einmal kam eine Zigeunerin bei uns vorbei und bat um Kleidungsstücke, die wir nicht mehr brauchen. Wir tranken Kaffee mit ihr, weil sie so durchgefroren aussah. Nachdem kam sie öfter, bat und nichts, sprach kaum, saß einfach nur da. Als ihre Leute weiterzogen, schenkte sie uns zum Abschied eine gehäkelte Puppe. Die Frau hat mich sehr fasziniert, sie besaß Würde, bat, aber bettelte nicht. Leider haben wir sie nie wiedergesehen, und den Zigeunerplatz gibt es längst nicht mehr, weil die Gemeinden massiv versuchen, die Zigeuner in die Sesshaftigkeit zu drängen.
    Viele Grüße von Agnagha