Berlin 1945/46 und Flüchtlinge aus Pommern ?

  • Hallo Ihr Lieben ,
    gestern habe ich eine Abschrift /Übersetzung eies in Süterlin geschriebenen Briefs erhalten.
    Dort schreibt die Schwiegermutter der Tante meines Vaters an deren Schwester ,(Wie ich finde sehr interessan in bezug auf die Lebensumstände in Berlin 1945/46)über die Thyphuserkrankung besagter Tante nach einer Impfung, deren Tod 1946 und über dahmalige Preise für Lebensmittel sowie die Rationierungen.
    Jetzt werfen sich einige Fragen auf , bei denen Ihr mir vieleicht behilflich sein könnt :


    Sie schreibt betreffend die Familie meiner Gr0ßmutter : meine Oma und Ihre Schwester (mit samt Kindern) sollen von März bis Juni 1945 bei Tante Else gewesen sein . Dort wurde mein Vater im Mai geboren .Sie durften sich aber dort nicht lange aufhalten , weil sie keine "Karten" bekamen .
    Was hat es mit besagten Karten auf sich ?


    Weiter schreibt Sie , Vater und Mutter meiner Oma , waren im Lager in Strausberg und kamen nach acht Wochen auch nach Berlin .gemeinsam sind jetzt alle auf einem Gut in der Nähe von Wismar .
    Ab 1947 lebte die Familie meiner Oma dann in Sehnde bei Hannover .
    Da mir bis dato nichts über die Stationen und Umstände der Flucht aus Pommern bekannt ist, wäre es nun doch interessant näheres zu erfahren .
    Kann man irgendwo so eine Art Auflistung der Flucht bekommen ?
    Zumindest wann und wo die Familie in welchem Lager war ?
    Bekommt man sowas auch über das Rote Kreuz oder ist da nichts zu machen ?


    Danke im voraus und liebe Grüße


    Simone

  • Hallo Simone,
    bei den "Karten" handelte es sich sicher um Lebensmittelkarten.
    Lebensmittel und viele andere Dinge waren rationiert und wurden nur auf entsprechende Bezugsscheine ausgegeben.
    MfG
    Ahnensucher39

    Suche ständig Hinweise zu Lein u. Weiß im Erzgebirge und Vogtland, sowie zu Pieplow und Johannsen in M-V.

  • Hallo Simone


    Du solltest auf jeden Fall den Kirchlichen Suchdienst anschreiben. Ob die allerdings
    so ausführliche Informationen haben, wie du dir wünschst, bleibt dahingestellt.
    Es wird kaum über jede Flüchtlings-Familie lückenlose Informationen über die
    Flucht, die Aufenthaltsorte oder Lager, in denen sie waren, geben.


    Wenn du an allgemeinen Informationen bzw. Zeitzeugenberichten von anderen
    Flüchtlings-Familien interessiert bist, kann ich dir einige Bücher empfehlen.


    Guido Knopp, Die Grosse Flucht - Das Schicksal der Vertriebenen
    Guido Knopp, Der Sturm - Kriegsende im Osten - Econ Verlag


    Ingeborg Jacobs, Freiwild - Das Schicksal Deutscher Frauen 1945
    (in den ehemaligen Ostgebieten bis Brandenburg und Berlin)


    Anonyma, Eine Frau in Berlin - Tagebuchaufzeichnungen
    vom 20. April bis 22. Juni 1945 (Ihr richtiger Name wird in
    diesem Buch nicht genannt, aber im Buch "Freiwild")


    Gruss
    Svenja

  • Hallo zusammen


    Nun kann ich doch glatt auch mal was beitragen und nicht nur Fragen stellen :-)
    Ich habe nämlich vom DRK die Antwort erhalten, dass die Flüchtlinge nicht gleich bereits während der Flucht oder kurz nach der Kapitulation registriert wurden, da zu dieser Zeit alles drunter und drüber ging. Erst nach einigen Monaten begannen die Registrierungen. In Deinem Fall ist die Chance also durchaus gegeben (in meinem hingegen nicht) Informationen zu einzelnen Fluchtstationen über das DRK zu bekommen. Ich würde unbedingt eine Suchanfrage stellen.


    Informationen haben auch die einzelnen Landsmannschaften (siehe die Antwort auf meinen Thread). Wenn Du den Ausgangspunkt der Flucht (Ort) kennst, lohnt sich sicherlich auch an dieser Stelle eine Anfrage.


    Ausserdem gibt es die Ost-Dokumentation. Eine mehrbändige Buchpublikation mit vielen Berichten der Ost-Dokumentation gibt es. Ansonsten müsstest Du nach Koblenz in die Aussenstelle des Bundesarchives reisen und dort nach Berichten suchen, die aus den entsprechenden Gegenden stammen. Aber Berlin sollte in dem erwähnten dreibändigen Buch vorhanden sein. Ich kann da mal bei Interesse noch nachsehen (hab das Ding hier bei mir stehen).


    Gruss
    Eva

    Einmal editiert, zuletzt von EHeller ()

  • Hallo zusammen


    Die Ost-Dokumentation als Buch ist hier zu finden. Achtung: Gibt es auch in Einzelbänden. Habe im Register zahlreiche Einträge zu Berlin gefunden, jedoch keine Stichproben des Inhalts genommen (da die Kids hier rumflitzten).


    Kann ggf. noch Orte entlang des Fluchtweges prüfen oder den Ausgangspunkt. Brauche dazu aber Angaben.


    Mein persönlicher Hinweis: Die Lektüre ist extrem belastend. Ich schaffe nie mehr als drei Berichte am Stück. Wir lesen es ja "nur", die Zeitzeugen haben es erlebt. Trotzdem... Ich träume davon.


    Gruss
    Eva

  • Hallo an alle ,


    danke Alex .Hatte schon dort wegen des verbleibs meines Opa`s und seiner Familie angefragt , da hab ich aber einfach nur ne Auflistung von Namen und Geburtsdaten erhalten .Mehr hatten die wohl nicht . Sie wollten noch den Kontakt mit der Verwandschaft meiner Oma herstellen aber denn den hab ich ja .Na dann frage ich da einfach mal spezifisch nach.


    liebe Grüße


    Simone


    Danke an Svenja ,
    werde mir mal was von den besagten Büchern zulegen und beim Suchdienst bin ich mir eben auch nicht sicher ob das die richtige Anlaufstelle ist .Naja einen Versuch ist es wert .
    Auch Dir einen lieben Gruß


    Simone


    Danke Eva,


    über die Flucht und Vertreibung hab ich schon viel im Internet gefunden .Es ist dort natürlich nur Auszugsweise eingestellt aber das ist ja schon heftig genug.Komisch , dass ich mich nicht schon viel früher mit diesen Dingen befasst habe .Da hätte ich noch ne chance gehabt alles genau zu erfahren .Aber wie das so ist , in der Schule wurde das Thema WK nur mit drögen Zahlen , lapidar und langweilig abgehandelt und meine Oma zu fragen hab ich mich nicht getraut . Irgendwie hab ich Damals schon gespührt , das Thema ist nicht wirklich etwas worüber Sie reden wollte . Es würde mich halt grob der Weg interessieren , den meine Oma Damals zurück gelegt haben muß.Sie wohnte zu dem Zeitpunkt in Annafeld Kreis Flatow(schätzungsweise seit Dezember 1943 bis Dez.1944) . Geschwister und Ihre Eltern und lebten vermutlich in Karlsaue bei Arnswalde , also gehe ich davon aus , sie sind separat geflohen .Ein Wunder das Sie sich in Berlin trafen .Leider weis ich nun nicht ob Sie Damals mit dem Zug raus ist oder mit nem Treck . Einerseits erzählte sie etwas von einem Kameraden meines Großvaters ,der ihr von einem Zug aus zugerufen haben soll mein Opa sei gefallen.Andererseits erzählte Sie , sie hätten sich damals von Steckrüben , die sie an Feldern fanden und mit geschmolzenem Schnee kochten , ernährt .Hört sich wiederum nicht nach Zug an . Ein Verwandter aus Berlin , den ich erst vor kurzem gefunden habe, ließ mir besagten Brief zukommen und wir überlegten schon vorher hin und her was meine Oma nach Berlin getrieben haben könnte, zumal sie da schwanger mit meinem Vater war.Zu dem Zeitpunkt hatte er mir erzählt das seine Mutter 1943 (sie war Damals mit Ihm schwanger)extra aus Berlin zurück nach Pommern gegangen war, weil man Ihr gesagt hatte , sollte der Krieg zuende gehen ,wäre Berlin für Frauen und noch dazu schwanger die Hölle . Also ahnten die Menschen schon was da auf Sie zukommen würde.
    Nun erzählte meine Oma immer vom Krampenburgweg in Berlin/ Müggelheim (ab März 1945) , wo mein Vater geboren sein soll (Mai 1945). Wir hielten das für ein Lager .Wie sich nun herausstellt war das wohl das Haus besagter Schwester meines Opas . Von Wismar(ab Juni 1945) hat Sie nie etwas erwähnt . 1948 wurde dann mein Onkel bereits bereits bei Hannover geboren .Alles was dazwischen liegt weis keiner .
    Naja vielleicht , wenn Du Dir die Mühe machen würdest ,findet sich ja was .


    Dir auch liebe Grüße und Danke für die Hilfe


    Simone

  • Hallo Simone


    Ich denke, dass man im Kopf haben muss, dass die Leute auf der Flucht nach Möglichkeiten gesucht haben, irgendwo unterzukommen. Sie orientierten sich also nach Möglichkeit an Bekannten und Verwandten, selbst wenn es sehr entfernte oder lose Beziehungen waren, in der Hoffnung, dass sie da vielleicht unterschlüpfen könnten. Das persönliche Netzwerk hat also die Fluchtwege unsichtbar gelenkt. Unwegbarkeiten mal ausgenommen. Die Idee war ja eigentlich immer, irgendwo wegzugehen und gleichzeitig irgendwo Unterschlupf zu finden. Das hat nicht immer funktioniert, da man vielleicht "im Westen" keine Kontakte hatte oder nicht an den Ort kam, an den man wollte. Aber als generelles Motiv funktionieren die persönlichen Netzwerke ganz gut. Das scheint ja auch bei den wenigen Eckdaten, die Du hast, durch.


    Wenn es dann an dem Ort, an dem man gerade war, brenzlig wurde oder man keinen Unterschlupf fand, zog man weiter. Auch mal wieder Richtung alte Heimat, denn das Vertraute war ein Ort der Hoffnung. Wenn es einem in Berlin wegen der Luftangriffe, der Versorgungslage oder was auch immer "zu ungemütlich" wurde, erschien die Heimat im Osten plötzlich doch der bessere Ort zu sein. So ergaben sich manchmal Zickzack-Kurse.


    Ich denke, dass Du beim DRK einen Suchantrag stellen solltest. Die Chance, dass Du Angaben bekommst, ist gegeben.


    Zum "zufälligen" Zusammentreffen in Berlin: Es gab noch gewisse Postverbindungen zu der Zeit. Manches kam durch. Man konnte also Treffpunkte vereinbaren auf diesem Wege u.U., oder man hatte bereits längere Zeit vor der Flucht im Familienkreis Treffpunkte vereinbart. In meiner Familie war das so, dass zu Beginn der Flucht ein klarer Treffpunkt (Person aus dem persönlichen Netzwerk) vereinbart wurde. Diesen Punkt wussten alle Parteien und man hat sich dann da auch wiedergefunden. Eine weitere Möglichkeit ist, dass durch das DRK in Berlin der Kontakt wiederhergestellt wurde (wäre dann für Dich interessant, da möglicherweise dokumentiert).


    Vielleicht kannst Du Dir mal eine Landkarte nehmen und die Punkte eintragen. Dann noch bekannte Punkte des persönlichen Netzwerkes. Allerdings ist es immer schwierig, das nach 60 Jahren zu rekonstruieren, da man v.a. Bekannte nicht mehr kennt und die vielleicht Dir gar nicht überliefert wurden. Aber versuchs mal.


    Ich sehe mal heute Abend in dem dtv-Band nach den Orten. Und hast DU mal nach Feldpost recherchiert? Soche, die noch beim DRK lagert evt.? Vielleicht fänden sich dort noch HInweise.


    Ich denke übrigens, dass Deine Grossmutter nicht wesentlich mehr erzählt hätte, selbst wenn Du zu ihren Lebzeiten auf das Thema gekommen wärst. Gibt es noch lebende entfertere Verwandte, die evt. was wissen könnten?


    Gruss
    Eva

  • @Eva ,
    ja ich habe eine Cousine meiner Großmutter ausgemacht , die etwa 1930 geboren wurde ,also die Flucht mitgemacht hat .Ich habe seit kurzem Kontakt zu Ihr aber traue mich nicht so richtig nachzufragen .Vielleicht im laufe der Zeit mal wenn ich Sie etwas besser kenne . Da Sie mir aber schreib , Sie wisse nicht so viel über meine Oma ,wird das nicht viel Neues ergeben .
    Naja man kann ja nie wissen !


    Gruß Simone

  • Sie schreibt betreffend die Familie meiner Gr0ßmutter : meine Oma und Ihre Schwester (mit samt Kindern) sollen von März bis Juni 1945 bei Tante Else gewesen sein . Dort wurde mein Vater im Mai geboren .Sie durften sich aber dort nicht lange aufhalten , weil sie keine "Karten" bekamen .
    Was hat es mit besagten Karten auf sich ?


    Sie sind dort sicher nicht registriert worden und haben deshalb keine Lebensmittelkarten bekommen. Wenn sie sich, wie meine Familie, nicht in einem Treck von Pommern her aufgemacht haben, sondern auf eigene Faust losgezogen sind, dann haben sie sich (wie meine Leute auch) illegal aufgehalten.


    Meine Familie hat diesen "illegalen" Weg gewählt um ja nicht in ein Lager zu müssen. Sie hatten gehört, dort herrschten furchtbare Zustände, Krankheiten, Läuse etc. und dem wollten sie unbedingt entgehen.


    Viele Grüße,


    Karen