Familie von Nemluwil

  • Hallo zusammen,


    ich hätte da mal eine Frage, die mir hier vll. jemand beantworten kann. Und zwar würde mich interessieren, ob eine Geschichte, die ich über die Familie Nemluwil gehört habe stimmt. Ich möchte anmerken, dass ich mir das nicht ausgedacht habe und nur wiedergeben wie es mir erzählt wurde. Ein Teil ird wohl stimmen...


    Und zwar soll ein Träger dieses Namens (aus Böhmen oder Österreich) laut Familiengeschichte einem König (wahrscheinlich eher ein Fürst oder so) bei der Flucht über die Grenze nach Österreich von Böhmen aus geholfen haben und dieser hat ihn dann zum Dank in den Ritterstand erhoben und ein Wappen gestiftet.


    Kann man herausfinden ob an der Geschichte zumindest teilweise was dran ist (die Erhebung zum Ritterstand), ich weiß nicht, ob Ritterstand wirklich etwas mit Adel in dem Sinne zu tun hat?


    Ist hier jemand der mir dazu etwas sagen kann, also ob ich die Geschichte in die Märchentruhe packen kann oder nicht?


    Grüße Kai

  • Hallo Kai,


    ja, die Geschichte kannst Du ruhigen Gewissens in die Märchenkiste packen ;) .


    Der Ritterstand hat etwas mit Adel zu tun. In Böhmen gab es seit dem 15. Jh. Erhebungen in den Adelsstand. Dort gab es den Herrenstand und die Wladyken, den Ritterstand. In den Adelsstand erheben konnte nur der König von Böhmen (und natürlich der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, da Böhmen seit dem Mittelalter Bestandteil dessen war).


    Schaut man sich aber den Lauf der Geschichte an, wird schnell klar, dass es sich um eine hübsche Legende handelt, die aber eben keinerlei Fakten standhält.


    Ab Ferdinand I., der von 1526-1564 regierte, waren alle Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation auch König von Böhmen und waren Habsburger, also "Österreicher", wobei es das Kaiserreich Österreich ja erst ab 1804, nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gab.


    Bleiben also noch sieben Könige, die infrage kommen würden. Davon waren allerdings vier auch Römisch Deutscher Kaiser, Römisch Deutscher König oder Herzog von Österreich. Bleiben also nur drei übrig: Georg von Podiebrad, Matthias Corvinus (Hunyadi) und Vladislav II.


    Georg von Podiebrad besiegte die österreichischen Truppen und wäre ganz bestimmt nicht nach Österreich geflohen, was er auch nicht tat. Er starb 1471 in Prag. Bleiben also noch zwei übrig.


    Matthias Corvinius (Hunyadi) Böhmischer Gegenkönig, regierte also neben dem König von Böhmen. Er eroberte aber auch gleich ganze Teile der Habsburgischen Erblande. Von Flucht also keine Spur, er residierte erhobenen Hauptes in Wien. Bleibt also nur noch einer übrig.


    Vladislav II. war der eigentliche König von Böhmen. Er war Sohn von Kasimir IV., König von Polen und Elisabeth von Habsburg. Er führte acht Jahre Krieg gegen Hunyadi in Böhmen, dann kam es 1479 zum Frieden von Olmütz und beide Könige regierten bis zum Tod von Hunyadi jeder einen Teil des Königreichs Böhmen. Vladislav II. wäre, wenn er hätte fliehen müssen, eher in die Gegenrichtung, als nach Wien zu Hunyadi geflohen. Er musste jedoch nicht fliehen.


    Zuguterletzt natürlich noch der obligatorische Blick in die Register der Standeserhöhungen (Böhmische Saalbücher und Regesta imperii) und div. Nachschlagewerke des Adels. Eine Erhebung eines Nemluwil in den Adels-/Ritterstand ist nicht nachgewiesen.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Hallo Hina,


    ich danke dir vielmals für deine umfassende Antwort. Danke das du dir die Zeit genommen hast und das für mich zusammengestellt hast.
    Es ist immer wieder erstaunlich dass so viele Geschichten über Adel in der Familie umgeistern, ich habe das ja auch hier im Forum oft gelesen. Aber hier war ja zumindest nichts absolut haarsträubendes auf den ersten (Laien-)haften Blick von mir zu erkennen. Keine Räuberpistolen mit verkauften, versoffenen, verspielten ... Adel.
    Naja, aber ob ich demjenigen nun davon überzeugen kann, das nichts dran ist, glaub ich bald nicht :rolleyes:
    Ich frag nochmal im Wappenforum, ob es ein Wappen für diese Familie gibt (das er nämlich stolz sein Eigentum nennt). Vielleicht hat die Familie tatsächlich ein bürgerliches Wappen und es wurde dann zu einer größeren Story umgeschmückt... zumindest das möchte ich noch überprüfen, ehe ich mit deiner Darstellung komme :D
    Nochmal Dankeschön.


    Grüße Kai

  • Hallo Kai,


    ja, das sind immer irgendwie jede auf seine Weise abenteuerliche Geschichten. Wenn als Dank für eine Rettung eines Kaisers, Königs oder Edelmanns eine Standeserhöhung heraus sprang, kann man schon getrost davon ausgehen, dass es ein Märchen ist. Lebensretter wurden durchaus belohnt aber garantiert nicht mit Adel. So viele "vom Volk" gerettete Könige gab es auch gar nicht.


    Nach einem Wappen habe ich schon geschaut aber auch das ist nicht verzeichnet, zumindest nicht in den einschlägigen Nachschlagewerken von Siebmacher und Rietstap. Ich bin aber überzeugt, dass derjenige, von dem Du die Geschichte gehört hast, ein buntes Blatt mit einem Wappen, einer schnörkeligen Überschrift mit dem Namen der Familie und der Geschichte besitzt. Wenn man das Wappen dann mal nach heraldischen Regeln betrachtet, werden einem die Haare zu Berge stehen. Das Ganze wird sicher aus dem 19. Jh. oder später stammen. Ebenso wird die Familie keine Genealogie - zumindest keine, die etwa in den Bereich kommen würde -, erforscht haben und natürlich hat auch niemand danach gefragt, woher das "heraldische Institut", das das Blatt ausfertigte, eigentlich die lückenlose Genealogie der Familie kennt und wusste, dass es sich eben um die Nachkömmlinge dieses "Helden" und nicht um eine zufällig namensgleiche Familie handelt. Interessant ist natürlich auch immer, dass noch mindestens eine handvoll anderer Familien aus der Straße ebenso heldenhafte Vorfahren und auch Wappen haben ;) .


    Die Erfolgschance jemandem, der nicht selbst vage Zweifel ob dem Wahrheitsgehalt hegt, so eine Geschichte auszureden, ist verschwindend gering. Da helfen erfahrungsgemäß nichteinmal die härtesten historischen Fakten.


    Übrigens bedeutet der tschechische Name Nemluvil, so die ursprüngliche Schreibweise - nicht gesprochen, also ein Name für jemanden, der stumm war.


    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

  • Hallo Hina,


    also kann ich mir das mit Wappen auch sparen, aber ich lasse es mir bei Gelegenheit von ihm zeigen. Es gab einen Ahnenpaß der, man glaubt es nicht, nicht mehr zu finden ist.
    Ich hatte hier ja auch gefragt, weil derjenige mir gesagt hat, das ein Onkel ihm gesagt hat, das im "Dresdener Wappenmuseum", eben jenes Wappen hängen soll. Hab grade erstmal nachgesehen und so ein Museum gibt es gar nicht :whistling: .
    Also naja, das sagt dann wohl doch alles...


    Deine Vermutung, dass es ein Wappen aus dem 19. Jhrd., oder später, ist, wird sicherlich stimmen.


    Grüße Kai

  • Hallo Kai,
    das Dresdner Wappenmuseum stand dann bestimmt als Quelle für das Wappen drauf. Diese unauffindbaren "Quellen" sind natürlich auch typisch für Fakewappen. Ganz nett sind auch Angaben wie "Wappenbuch Band 7, Tafel 35" oder "Historisches Wappenbuch". Da kann sich dann jeder selbst ausdenken, was das sein könnte. Aber ich habe auch schon "Siebmachers Wappenbuch Band 4 Tafel XXX" gelesen. Abgesehen davon, dass die nicht in dieser Art durchnummeriert sind, sondern nach Regionen bezeichnet wurden und dann innerhalb dieser die Bd.-Nr., frage ich mich schon lange, warum da immer dieser mysteriöse Band 4 herhalten musste :rolleyes: .
    Viele Grüße
    Hina

    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann


  • Hallo Kai,


    ich habe aufgrund eines runden Geburtstages meiner Mutter, eine geborene Neluwil aus Mähren/Sternberg, heute Olmütz, Deinen Beitrag gelesen, da ich ein bißchen geforscht habe. Ist dieses Thema noch aktuell für Dich? Würde gerne hierzu Kontakt aufnehmen. Sie bestätigt Deine Geschichte, die ihrer Meinung zur Zeit von Ottokar II Premysl sich ereignet hat. Der Feind sei im Anzug gewesen und der Schatzmeister, sie hat den Namen "Band" in Erinnerung, hätte den Schatz in Sicherheit gebracht. Der König hätte ihm zugerufen "nemluv" = nicht sprechen. Später hätte der Schatzmeister den Schatz wieder zurückgebracht und ihm sei der Adelstitel verliehen worden und folglich trug er den Namen "Nemluvil" = hat nicht gesprochen. Zugleich berichtet meine Mutter, dass im Schalfzimmer ihrer Eltern ein Familienwappen hing. Wie das genau aussah, weiß sie nicht mehr. Sie meint sich an so ähnlich wie Schwanenhälse zu erinnern. Die Farben meint sie wären grün und gelb gewesen. Für dieses Wappen gibt es auch noch eine lebende Zeugin, die Nachbarin.


    Ich glaube nicht, dass es ein Märchen ist, wie die Kommentatoren dazu schrieben.


    VG Aurelia1000

  • Bitte nicht gleich köpfen :!: ;(


    Schlechte Nachrichten :
    Zur Schreibweise "Nemluwil" konnte ich in keiner der Wappen-Sammlungen
    einen Eintrag oder auch Hinweis finden.
    Die allseits immer wieder in den Familien vorgetragene "Geschichte" über die Standeserhöhung,
    für eine angeblich große Tat, war bei den Wappen-Fälschern als "Verkaufs-Argument" sehr beliebt
    ... aber hundertfach "ausgelutscht". :!:
    Wäre dem wirklich so, hätte der angesprochene "Herrscher" dies angesprochene Wappen
    durch seine Hof-Kanzelei registrieren und eintragen lassen.
    (Zumal das auch für den "Herrscher" Einnahmen versprach )
    Natürlich ist es schwer, solch eine schlechte Nachricht zu verdauen, zumal diese
    "Geschichte" in den Familien über Generationen hinweg weitergegeben wurde.
    Uns bleibt jedoch leider nicht's anderes übrig als Sie mit den Tatsachen zu konfrontieren. :!:
    Sorry :)