Was bedeutet in einer Urkunde "genannt"??

  • In einer Urkunde werden als Eltern angegeben Mathias Busch und Anna Christina Wolters. Nun habe ich die Heiratsurkunde der beiden gesucht, habe aber nur gefunden: Mathaeus Bosch und Anna Christina Krienen genannt Wolters. Da ich unsicher war, ob dies nun die Fortsetzung meiner Ahnen ist, oder nicht, habe ich online nochmals gesucht und siehe da: gebe ich in der Suche bei pilot.familysearch.org "Krienen" als Name im Ort St.Hubert ein, so erhalte ich eine Liste mit mehreren Ereignissen, wo wild durcheinander sowohl Busch, als auch Bosch als Ehemann von "Krienen genannt Wolters" auftauchen.
    Ich gehe also davon aus, dass sich der Name Bosch just um 1826 einfach in Busch verwandelt hat. Die Eheleute haben auch die Urkunde wegen "Schreibens-Unkenntnis" nicht selbst unterschrieben. Auch die spätere Geburturkunde der Tochter wurde nicht vom Vater unterschrieben. Das würde erklären, dass die Namensänderung durch Verständigungsfehler stattgefunden hat. Naja, auch ein kleiner Ermittlungserfolg, wenn man weiß, ab wann die Änderung vorkam und auch warum....


    So, nun aber mein Problem mit dem "genannt"
    Zunächst dachte ich Krienen sei als Form von Christina gemeint, aber nein, in der Heiratsurkunde steht an späterer Stelle ganz klar: "....daß Mathaeus Bosch und Anna Christina Krienen hierdurch miteinander...."


    In der vorhin schon erwähnten Geburtsurkunde der Tochter stehen als Eltern aber Mathias Busch und Anna Christina Wolters. (also hier nichts von Krienen oder "genannt Wolters")


    Was hat es mit dem genannt auf sich? Wer weiß Rat und kann mir helfen?


    Entschuldigt den langen Post, aber kürzer bekam ich die Erklärung nicht hin ;-)

  • Mit BOSCH und BUSCH hast du völlig recht. Wundere dich nicht, wenn du auch noch die Versionen Buschmann oder Busman findest...
    Was das "genannt" angeht, so kannst du in Westfalen ständig darüber stolpern, besonders im Münsterland habe ich dauernd damit zu tun, aber offensichtlich ist das in Ostwestfalen auch nicht selten.
    Wenn mir so ein genannt (gt. oder gnt.) begegnet, schaue ich, wie der Name in die Familie kommt. Ich vermute mal, dass der Vater von Anna Christina Krienen mit seinem Geburtsnamen Krienen hieß. Vielleicht heiratete er auf dem Hof Wolters ein. Da der Hofname meist erhalten blieb, geriet der Name des Vaters oft schnell in Vergessenheit, obwohl er offiziell seinen Familiennamen beibehielt.
    Das Vertrackte ist, dass die Mutter deshalb keine geborene Wolters sein muss, sie kann auch in erster Ehe mit einem Wolters verheiratet gewesen sein. Es gibt etliche Möglichkeiten, woher die Leute ihren Genannt-Namen haben - etwa bei der Neubesetzung eines Hofes kann das Ehepaar ganz anders geheißen haben - aber der alte Name setzt sich meist durch und die Kinder heißen dann bei der Taufe eben "Krienen gnt. Wolters" und 20 Jahre später, bei der Hochzeit, nur noch "Wolters".
    Das ist alles ganz normal und man gewöhnt sich sehr schnell daran. Man muss sich nur abgewöhnen, zu denken: aha, Wolters (oder auch Krienen), das sind meine! Kann schon sein - muss aber nicht... :D da hilft nur das schrittweise rückwärtsgehen, um in der richtigen Spur zu bleiben.

  • Ganz lieben Dank für Eure Antworten. Ich dachte schon, ich sei auf einer falschen Fährte gelandet. Nun weiß ich, alles ist bisher richtig, und ich kann mich weiter tasten.
    LG Angela

  • Das ist zumindest im letzten Jahrhundert sehr gängig gewesen. Die aus den Hofnamen resultierenden Genanntnamen sind im 20.Jahrhundert dagegen stark zurückgegangen, weil sie namensrechtlich wohl nicht mehr zulässig waren - das heißt, eheliche Kinder hatten nach den Vätern zu heißen. in der Bevölkerung haben sich die Hofnamen aber viel länger gehalten.

  • Was das "genannt" angeht, so kannst du in Westfalen ständig darüber stolpern, besonders im Münsterland habe ich dauernd damit zu tun, aber offensichtlich ist das in Ostwestfalen auch nicht selten.

    Hallo Rotraud,


    über dieses genannt oder vulgo stolpern wir Familienforscher nicht nur in Westfalen. Meine Frau stammt aus dem Sauerland, die letzte Namensträgerin ihres "Genannt-Namens" Schledorn ist 1737 gestorben, der Name lebt aber noch weiter.


    Bislang habe ich hier noch nicht die großen Probleme mit diesen Namen gehabt, wie sie mir in (Süd)böhmen unterkommen. Da war ein Pfarrer wohl ein großer Liebhaber davon, auf einer Seite im Kirchenbuch mit 11 Taufeinträgen hat er 10 x nur den "Genannt-Namen" verwendet. Hoffentlich habe ich da immer die richtigen Zuordnungen gefunden.


    Aber ein bisschen Detektivarbeit ist ja reizvoll.


    Gruß aus Bochum
    Herbert

  • Ich glaube, Genannt-Namen gib es im Prinzip überall, aus den verschiedensten Gründen. Hier bei uns ist das besonders heftig, weil bis vor hundert Jahren die Hofnamen erhalten blieben und deshalb die Männer genauso häufig den Namen wechselten wie die Frauen. Ich habe viele Beispiele, wo der Name der Väter von Generation zu Generation wechselt. Ich habe mich schnell daran gewöhnt, schließlich leben woir ja auch ganz normal damit, dass die Namen der Mütter wechseln. Ich habe nur gelernt, dass die Bewohner eines Hofes innerhalb von 50 Jahren nicht unbedingt miteinander verwandt sein müssen.

    Zitat

    Aber ein bisschen Detektivarbeit ist ja reizvoll.

    Ja genau, irgendwie gibt das der Sache manchmal den richtigen Pfiff, weil es nicht so stur geradeaus geht.... :)

  • Liebe Foren-Mitglieder,


    mit den "genannt" - Namen hatte ich zu Beginn meiner Ahnenforschung in den 1990er Jahren auch meine Probleme. Ein "Hackmann" aus Stapelfeld (bei Cloppenburg) hat auf einen Hof "Kuhlmann" eingeheiratet. Dieser Mann hieß nun fortan "Hackmann genannt Kuhlmann". Manchmal wurde in den Kirchenbüchern auch "Hackmann dictus oder condictus Kuhlmann" geschrieben. Richtig kompliziert wurde es bei den Kindern aus dieser Ehe. Da wurden wirklich alle 4 möglichen Fälle "durchexerziert":


    1. Hackmann genannt Kuhlmann
    2. Hackmann
    3. Kuhlmann
    4. Kuhlmann genannt Hackmann


    Nur durch die Hilfe und freundliche Unterstützung einer Familienforscher-Kollegin (die zudem in Stapelfeld geboren ist und dort aufwuchs) ist mir klar geworden, dass es nicht 4 verschiedene, sondern EINE Familie war!


    Mein Fazit daraus: Bei "genannt"-Namen vorsichtshalber beide Namens-"Teile" durchgehen!


    Liebe Grüße


    Lothar