Seit wann gibt es eigentlich Ortsschilder ?

  • Hallo, es fällt manchmal schwer, sich in die Zeit vor einigen hundert Jahren
    zurück zu versetzen. Und unsere Ahnen, die oftmals des Lesens und Schreibens
    unkundig waren, sie sind gewandert ... Woher wußten sie , dass es der Ort war,
    den sie erreichen wollten, wenn sie nicht gerade auf ausgetretenen Pfaden
    zum Nachbardorf unterwegs waren ?


    Und seit wann gab`s die ersten Ortsschilder ?


    Verrückte Frage, ich weiß. Aber im Internet habe ich keine zufriedenstellende
    Antwort oder vielleicht nicht die richtige homepage gefunden.


    Gruß
    Ingrid

  • Hallo Ingrid,
    nicht vor 1920. Hausnummern gab es nicht vor 1890. Es war Jedem alles bekannt und wir lebten nicht in einer globalisierten Welt. Lediglich Grenzzeichen wurden aufgestellt und Grenzposten waren besetzt. Mit dieser interessanten Frage habe ich mich beschäftigt und war bei den Ergebnissen überrascht.


    Grüße Lupus

    Nicht Gold hat die Welt verändert, es war das Blei.
    Nicht das Blei aus der Flinte, eher das Blei aus dem Setzkasten (Willi)

  • Hallo zusammen,
    also in Bayern gibt es Ortsschilder seit mindestens 1824:"Am 2. September 1824 erteilte die Regierung des Obermainkreises, nach der Feststellung daß es zweckmäßig wäre, wenn alle an "Hoch- oder Poststraßen" gelegenen Ortschaften durch aufgestellte Tafeln namentlich bezeichnet würden, allen Polizeibehörden in ihrem Bezirk den Auftrag, für die Aufstellung solcher Ortsschilder Sorge zu tragen." Aus "Der Rußbuttenträger - Berichte des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen", Nr. 17 (1994), S. 265-267 (Ortstafeln und Wegweiser am Beispiel Marktleuthens)
    Grüße Weissenstein

  • Hallo


    Vor den Ortsschildern (aus Holz oder Metall) gab es natürlich schon die Grenzsteine an den Strassen. Hier konnte man sehen wo eine Markung aufhörte und die Markung der nächsten Ortschaft anfing ! Im Enzkreis findet man heute noch diese Steine mit Ortsnamen und Jahreszahlen z. B. 1843 ! Landesgrenzen gab es schon viel früher !

  • Guten Morgen,


    mit Hilfe von Wegweisern konnten sich die Leute orientieren. Seien sie nun in Holz oder Stein. Die standen hier bei uns früher an fast jeder Weggabelung und zeigten die nächsten Dörfer plus die Entfernung, heute gibt es sie nur noch vereinzelt.


    An den Poststraßen in Sachsen gab es dann das System der Postmeilensäulen, welches ab 1722 aufgebaut wurde. Dazu gibt es ein kleines Büchlein herausgegeben von der Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen e.V. und erschienen im SEW-Verlag Dresden "Postmeilen und Meilensteine".


    Wolfg.

  • Hallo Lupus, Weißenstein, Didirich, Wolfgang und Jens,


    vielen Dank für Eure interessanten Antworten !
    Bestimmt kann man davon ausgehen, dass Ortskennzeichnungen und
    Beschilderungen regional recht unterschiedlich gehandhabt wurden,
    je nach Fürstentum oder Königreich.


    @ Wolfgang, die Postmeilensäulen speziell in Sachsen sind ja häufig
    wiederentdeckt und saniert worden, eine steht z.B. in Mügeln
    bei Oschatz.
    Stimmt schon, die Postkutschen und -reiter spielten eine nicht
    unerhebliche Rolle bei der Kommunikation zwischen den Orten und
    diese Wege waren sicher bekannt.
    Hinzu kommt, dass unsere Vorfahren viel naturverbundener waren und
    es kein Problem war, z.B.an den Bäumen wenigstens die Himmelsrichtung
    zu erkennen, wenn sie sich verlaufen hatten.
    Schließlich gab es ja damals vor 300 Jahren noch urigen Mischwald, auch
    in Sachsen - und nicht nur klägliche Reste und gülleverseuchte
    Kulturlandschaft.
    Und eins finde ich z.B. in alten Taufeinträgen beeindruckend (ab Ende
    17. Jahrhundert habe ich das schwarz auf weiß), wo die Taufpaten
    herkamen, die ja fast immer Verwandte waren. Da war selbst die
    Großmutter mindestens einen halben Tag zu Fuß oder per Kutsche unterwegs,
    um als Patin die Taufe eines Enkels mitzuerleben.


    Und Hausnummern ? Die gab es doch bestimmt in den großen Städten zuerst,
    sonst hätte sich doch keiner mehr zurechtgefunden.
    Auf alten Personenstandsurkunden steht in den kleineren Orten mitunter
    "Ortslistennummer" oder eine dreistellige Zahl zum Straßennamen, die sich
    bei näherer Erkundung als alte Brandkataster-Nummer herausstellt.


    Ist schon recht interessant, wie sich unsere Vorfahren orientiert haben.


    Gruß
    Ingrid

  • Hallo zusammen,


    ich denke, dass einige wichtige Hinweise schon gegeben wurden. Die Einführung von "regulären" Ortsschildern lag sicher an der Region bzw. dem Staat, zu dem die jeweilige Region gehörten. Das gleiche wird für die Hausnummern gelten.
    Zu Hausnummern weiß ich, dass sie in der K.u.K-Monarchie Österreich-Ungarn Ende des 18. Jh. eingeführt wurden und zwar auch für kleine Orte. - Müsste jetzt nachsehen, ob von Maria Theresia oder erst von ihrem Sohn. (Ganz grobe Hausnummer: so um 1770 - 1790. - Ich habe das irgendwo auch genauer, muss ich aber suchen.) Für andere Regionen habe ich da noch keine Hinweise gefunden.


    Es wird auf jeden Fall regionale Unterschiede gegeben haben.


    Die Frage ging ja ursprünglich um die Ortsschilder. Vielleicht noch zwei Anmerkungen dazu: 1. Ich habe im Netz ein Ortsschild aus preußischer Zeit aus Ginnheim (heute ein Stadtteil von Frankfurt am Main) gefunden, das ganz sicher aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg stammt - wahrscheinlich vor Jahrhundertwende (vor 1900).
    2. Ich meine mich zu erinnern, Fotos aus dem 1. Weltkrieg aus Belgien oder Frankreich gesehen zu haben, auf denen Ortschilder zu sehen sind. Finde sie aber gerade im Netz nicht.


    Dann noch ein paar Überlegungen:
    An Stadttoren sowie über den Eingängen von Burgen, Schlössern und adeligen Hofgütern waren spätestens im 16. Jh. (wahrscheinlich aber schon früher) die jeweiligen Wappen angebracht - teils kunstvoll in Sandstein ausgeführt. Sie können sicher als frühe Formen von "Orts-" oder "Türschildern" gelten. Und anders als heute konnten sie die Menschen damals wahrscheinlich "lesen" - wußten also aufgrund der Wappen, mit wem sie es da zu tun hatten.


    Meilensteine mit Ortsangaben gab es übrigens in den Regionen, die zum Römischen Reich gehörten, schon vor ca. 2000 Jahren. Im Linksrheinischen - ehemals keltischen, später "gallo-römischen" Kulturgebiet - waren ab ca. dem 3. Jh. n. Chr. sogenannte "Leugensteine" in Mode. Das waren ebenfalls Steine mit Entfernungsangaben zu bestimmten Orten, nur dass die Entfernung nicht in "römischen" Meilen sondern in "keltischen" (bzw. "gallischen") Leugen angegeben war (einer Einheit, die wahrscheinlich schon in vorrömischer Zeit angewendet wurde) (1 Leuge entsprach ca. 2,2 - 2,5 km).


    Übrigens waren die Hausmarken die Vorläufer der Hausnummern. Das waren Zeichen, die meist an ein Haus gebunden waren und von einem auf den anderen Hausbesitzer übergingen. Erwachsene Kinder, die einen eigenen Hausstand gründeten (bzw. ein neues Haus bauten, das noch keine Hausmarke hatte) variierten oft die Marke ihres Elternhauses, z. B. durch Zu- und Abstriche. In meiner Ecke (Vorderhunsrück) wurden noch bis nach dem zweiten Weltkrieg z. B. Ackergeräte mit den Hausmarken versehen und es gab in jedem Ort "Losbeutel" mit Loshölzern, in die die Hausmarken eingraviert waren, mit denen z. B. die Reihenfolge bei der Benutzung des Dorfbackhauses ausgelost wurden. (Heutzutage sind die Hausmarken in einigen Orten wieder "en vogue" und die Hausbesitzer hängen sie neben den Hausnummern neben der Haustür auf.)


    Nur mal so ein paar Überlegungen, auch wenn es die eigentliche Frage nicht klären kann.


    Viele Grüße
    Bärbel

  • Hallo und es ist schon interessant was die alten Römer kannten und bei uns erst 2000 Jahre später neu erfunden wurde.


    Ingrid, mit den urigen Buchenwäldern vor 300 Jahren liegen wir völlig daneben. In Mecklenburg gab es 1572 ein Holzeinschlag- und Ziegenhaltungsverbot. "Unsere Hölzungen sind übermäßig und unverantwortlich verwüstet. Anstatt Dornitzen (beheizbare Stuben) zu bauen verbrennen die Bauern das Holz den ganzen Tag auf dem Herde. Nur den Schäfern sey es vergönnet zwey Ziegen zu halten."


    Noch einmal zu den Vorläufern der Hausnummern. Ich kenne als Vorläufer auch Feuerodnungsnummern, Brandkatasteraufstellungen oder Nachtwächterverzeichnisse. Letztendlich sind daraus die Katasternummern und später die Hausnummern entstanden. Diese Nummern dienten vordergründig nicht der Orientierung für Postboten oder Fremde. Hauptanliegen war die Übersicht für ein Schuldenregister. Unter dieser Nummer waren Schuldverträge abgelegt. In den Archiven sind die alten Schuldakten immer unter dieser Nummer zu finden und für uns einsehbar. Eine gute Quelle für uns Ahnenforscher. Ich hatte schon einige in der Hand.
    Solch eine Katasterinstruktion von 1763 habe ich mir vom Original kopiert. Wer Interesse hat kann sich bei mir melden.


    Viele Grüße Lupus

    Nicht Gold hat die Welt verändert, es war das Blei.
    Nicht das Blei aus der Flinte, eher das Blei aus dem Setzkasten (Willi)

  • Hallo Bärbel und Lupus,


    vielen Dank für Eure interessanten Beiträge und die Mühe, die Ihr Euch
    mit der Beantwortung gemacht habt !


    Gruß
    Ingrid