Wenn Mastung verhanden, und von jeglichen Hofe ...

  • Hallo, ich habe in einem Hofübernahmevertrag aus dem Jahr 1700 (Magdeburger Börde) folgenden Absatz, den ich nicht zu 100% deuten kann.


    Wenn Mastung verhanden, und von jeglichen
    Hofe 4 Rinde oder darüber eingetrieben
    werden, hat die Mutter frey von ihren
    Schweinen eines mit eizujagen unter sol-
    cher Zahl aber erhält sie nichts.


    Ich würde mich freuen, wenn jemand, der es (annähernd) weiß, sich bemerkbar machen könnte.


    Danke, Daniel

    [b]"Stammgast" im Kirchenarchiv sowie Stadtarchiv Magdeburg und im LHASA (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt)


    Mitglied: AGGM; AMF; GGG (NY); Volksbund; Compgen


    Meine Namensliste, interessante Geschichten rund um die Familie, sowie Biographien besonderer Vorfahren kann man meiner Homepageentnehmen.

  • Hallo Daniel,


    Mastung
    Erklärung: Fütterung von Schweinen: als Leistung von einer Mühle, im Wirtschaftsbetrieb einer Hofhaltung oder abgelöst als Geldleistung.


    Der Text klint wie die Vereinbarung über eine Vergütung - daß die Mutter ein Schwein erhält, wenn die vorgenannten Bedingungen erfüllt sind: Mastung und 4 Rinder.


    ... würde ich mal Laienhaft so interpretieren.


    vielleicht hilft es Dirja weiter


    Gruß Clair

  • Auch heute gibt es noch Schweine- und Rindermastbetriebe.


    Ich würde den Text so deuten: wenn 4 oder mehr Rinder übernommen werden können (vom neuen Besitzer), dann erhält die Mutter (quasi als Lohn) ein Schwein kostenlos (frey).
    Wenn weniger als 4 Rinder übernommen werden (und die Mutter somit ev. einen schlechten Job gemacht hat), erhält sie nix.


    Es ist nicht klar, ob die Schweine oder die Rinder oder beides gemästet werden sollen.



    Ich hoffe, es hilft Dir.


    LG Andrea

  • Meine erste Idee war: Mastung - das Futter zum Mästen (jedenfalls in diesem Kontext)
    Und ggf. darf die Mutter ein Schwein konstenfrei mästen, d.h. muß nichts für das Futter bezahlen oder abgeben.
    viele Grüße
    Gisela


    Weißt du, was es mit den anderen Höfen auf sich hat? ich interpretiere "jeglichen" Hofe so, daß irgendwie noch andere Höfe involviert sind. Das wäre ja bei der Rindermast auf der Weide nicht ungewöhnlich.

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Hallo Daniel,



    es geht dort, schlicht und ergreifend, um verbriefte Rechte in der Waldmast von Haustieren die dem Hof zugeordnet wurden. Die Mutter durfte für ihren Eigenbedarf ein Schwein in die Waldmast "einjagen". Zu der Zeit war es noch üblich, dass Schweine sich im Wald "großhungerten". Bei Rindvieh wurde das Futter häufig aus dem Wald geholt. Eine Anbindhaltung war seinerzeit nicht üblich. Der Wald diente als Futterquelle und Brennstofflieferant (Brennholz). Die Nutzung war streng reglementiert (siehe dein Dokument). Ich kenne Schreiben, in denen sich über den "übermäßigen Holzverbrauch für den Zaunbau" beschwert wurde. Haustiere wurden im Wald eingezäunt.


    Erst mit Einführung der Kartoffel wurde die Waldmast unbedeutend.



    Beste Grüße Lupus

    Nicht Gold hat die Welt verändert, es war das Blei.
    Nicht das Blei aus der Flinte, eher das Blei aus dem Setzkasten (Willi)

  • Hallo! Ich habe selber null Ahnung. Wenn ich nach "Mast eintreiben" bei google suche, finde ich ständig irgendwelche alten Texte, wo es um Schweine geht, die in einen Wald eingetrieben wurden, um dort gemästet zu werden...

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  • Hallo Lupus, sorry, Dein Posting hatte ich übersehen! Vielen Dank für Deine äußerst kompetente Aussage. Was heißt dann aber: "Unter solcher Zahl erhält sie aber nichts."?
    Daniel

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  • Wenn die Mastung, also das Futter, das für die Kühe wächst, nicht für die genannte Anzahl Kühe ausreicht, darf die Mutter ihr Schwein nicht (umsonst) mit in den Wald treiben.
    Deshalb hatte ich ja gefragt, ob du weißt, was es mit den anderen Höfen auf sich hat.
    Rinder wurden oft auch in den Wald getrieben, es gab dort mehr als heute Lichtungen, wo Gras wuchs.
    Ich verstehe aber trotzdem die Begründung inhaltlich nicht ganz, denn Kühe uns Schweine stehen nicht in Futter-Konkurrenz.
    Aber vielleicht zerstören sie sich gegenseitig die Weideplätze, bzw. eher die Schweine die Plätze der Kühe. Aber bei einem einzigen Schwein kann ich mir nicht vorstellen, das das ausschlaggebend war.
    viele Grüße
    Gisela

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  • Vielleicht noch einmal etwas genauer.



    Wenn soviel Mast (Futter)im Wald vorhanden war, dass jeder Hof im Dorf 4 Rinder oder mehr eintreiben konnte, durfte die Mutter ein Schwein mit einjagen (in den Wald schicken). War nicht soviel Futter (Mastung) vorhanden, konnte sie kein Schwein einjagen.


    Noch heute sagt der Forstmann, dass es mastreiche oder mastarme Jahre gibt wobei jetzt nur das Wild eine Rolle spielt.

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  • Ihr seids super! Mein Wochenende ist gerettet... :P

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  • Hallo Gisela,


    leider ist es so, dass damals eine Nahrungskonkurenz vorhanden war. Schweine ernähren sich überwiegend pflanzlich.


    Die Wälder sind nicht mit der heutigen Forstkultur zu vergleichen. Häufig fand eine Übernutzung der Wälder statt.


    Die Obrigkeit reagierte mit strengen Regularien, wie Ziegenhaltungsverbot, Holzeinschlagverbot und Einschränkungen der Waldmast (Daniels Dokument). Solche Dokumente sind mir vor 1549 nicht bekannt, spielen aber bis ca. 1800, eine sehr große Rolle.



    Beste Grüße Lupus

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    leider ist es so, dass damals eine Nahrungskonkurenz vorhanden war. Schweine ernähren sich überwiegend pflanzlich.


    Die Wälder sind nicht mit der heutigen Forstkultur zu vergleichen. Häufig fand eine Übernutzung der Wälder statt.


    Die Obrigkeit reagierte mit strengen Regularien, wie Ziegenhaltungsverbot, Holzeinschlagverbot und Einschränkungen der Waldmast (Daniels Dokument). Solche Dokumente sind mir vor 1549 nicht bekannt, spielen aber bis ca. 1800, eine sehr große Rolle.


    Hallo Lupus,
    ja, das ist mir alles schon klar, ich bin als Landei sozialisiert und stamme aus einem Haushalt voller Landwirte.
    Auch kann man alte Rassen - grade bei Schweinen - nicht mit den heutigen Zuchtformen gleichsetzen.


    Dennoch ist die Sache nicht ganz so simpel, denn Pflanze ist nicht gleich Pflanze. Schweine fraßen (ich nehme die Vergangenheitsform, weil die heute Aufzucht von Schweinen nichts mehr mit der alten Ernährungsweise zu tun hat) eher Wurzeln im weitesten Sinne. Sie pflügten gradezu den Boden auf, um daran zu kommen. Das erlebt man heute noch in ähnlicher Weise, wenn Wildschweine in Gärten oder landwirtschafliche Felder "einbrechen". Sie rupfen nicht den Salat oder die Weizenpflänzchen ab, sondern sie "pflügen" wirklich alles um, um sich ihre Nahrung im Boden zu suchen.
    Wenn Schweine "oberirdisches" fraßen, fraßen sie in erster Linie (wenn sie im Wald waren) Früchte wie Bucheckern und Eicheln o.ä. und Pilze, außerdem auch Kleintiere wie Egerlinge, Mäuse, Larven, die sich im Boden entwickeln usw.
    In Zeiten von Nahrungsmangel waren Schweine - sie sind von Natur aus sogenannte Allesfresser/Omnivoren - natürlich flexibel.


    Möglicherweise fraßen sie in Zeiten des Nahrungsmangels auch mal den einen oder anderen Grashalm, aber die Regel war das nicht. Sie könnten sich gar nicht davon ausreichend ernähren, denn ihr Verdauungstrakt ist nicht dazu ausgelegt, genügend Nährstoffe aus so "magerem" Futter zu ziehen. Sie würden einfach verhungern.


    Kühe sind/waren keine Allesfresser in diesem Sinne. Sie fressen natürlicherweise nur Gras und Kräuter verschiedener Art. Sie beschädigen dabei nicht den Boden und graben auch nichts aus.
    Vermutlich waren die vor einigen 100 Jahren üblichen Rassen - ähnlich wie bei den Schweinen - nicht so sensibel und zimperlich wie die heutigen, aber das Grundprinzip war das gleiche.
    Das kann man auch noch klar an den heute noch lebenden Tieren, die den Urformen näher sind, sehen: Büffel leben auf der Prairie und zupfen Gras, Wildschweine leben im Wald und wühlen im Boden.


    In den anderen Punkten stimme ich dir zu. Es stimmt mit dem überein, was mir auch bekannt ist, und durch Quellen belegt ist.
    Vor den niederen Gerichten kam es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, wenn jemand sein Vieh auch nur über die Weide eines anderen Bauern getrieben hatte. Und "Futterraub" fand oft in der Form statt, daß jemand seine Ziege oder anderes Tier einfach unerlaubt auf der Weide eines anderen fressen ließ.
    Gerichtsprotokolle sind voll von solchen Vorfällen. Manchmal wird schon Klage erhoben, wenn nur ein Nachbar 1 einzige Ziege heimlich auf einer fremden Wiese weiden läßt. Irgendwo habe ich im Netz Gerichtsprotokolle eines kleinen Ortes gesehen, wo das auch immer wieder Thema ist. Wenn ich den Link wieder finde (leider vergessen) stelle ich ihn gerne rein.


    Gerade in Eichenwäldern war die Mast und der Zugang dazu strikt geregelt. Eicheln gehörten zu dem Futter, das als bestes für Schweine galt. Die Schweine gediehen am besten damit und das Fleisch bekam durch kein anderes Futter so hervorragende Qualität und Geschmack. Ähnlich ist es heute mit den sogenannten "Maishähnchen".
    Allerdings waren da aus genannten Gründen keine Kühe darunter.


    Ich denke, es muß noch andere Gründe gehabt haben, wenn sich Schweine und Kühe, wie in Daniels Dokument angedeutet, ins Gehege kamen.
    - Ich denke mal weiterhin - wie ich schon oben geschrieben habe - daß es um die destruktive Art der Bodennutzung geht, die Schweine so an sich haben.
    - Oder es war einfach ein Platzproblem, bei dem man in diesem Fall die Kühe bevorzugte, einfach weil Schweine leichter auf dem Hof zu ernähren waren (Allesfresser!). Kühe brauchen einfach ein Riesenvolumen an Gras, eben weil es so nährstoffmäßig relativ unergiebig ist. Das war dann eine Frage des Transports und der aufgewendeten Arbeitszeit.


    Du hast Recht daß die damaligen Wälder nicht mit den heutigen zu vergleichen sind: das sagen schon die Worte "Wald" gegenüber "Forstkultur". Genau darum sind ja die Regularien in Daniels Dokument und in vielen anderen gleichermaßen, aufgestellt worden.
    Es ist wirklich ein interessantes Thema.
    viele Grüße
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
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    Einmal editiert, zuletzt von Gisela ()

  • Hallo Gisela,


    es ist wirklich ein interessantes Thema mit der damaligen Übernutzung der Wälder.
    Als Jäger sehe ich, besonders im Frühjahr, regelmäßig Wildschweine grasen wie die Kühe. Zusätzlich nehmen die Schweine auch Eiweiß auf und suchen nach Engerlingen und Würmern. Ich kenne es noch, wie Hausschweine zur Krankheitsvorsorge mit Brennesseln (Ordnung Urticales), wegen der Vitamine, gefüttert wurden.
    Es ist tatsächlich so, dass ein heutiger Vergleich mit den damaligen Verhältnissen nicht möglich ist. Die gegenwärtige Wilddichte in unseren Wäldern wäre für unsere Vorfahren utopisch. Das hat aber nichts mit Tierschutzmaßnahmen oder Bekämpfung der Wilderei zu tun. Es ist der Anbau von Energiepflanzen (Raps und Mais). Selbst der Wolf, der bei uns vorkommt, kann nicht helfen die Bestände zu regulieren.
    Interessant ist in alten Dokumenten immer wieder das Ziegenhaltungsverbot. Ziegen fressen alles. Keine Pflanze wird gemieden. In einer Landesordnung von 1572 heißt es
    "nur den Hirten soll es vergönnet sein zwey oder drey Ziegen zu halten". Schaut man in arme Länder, dominiert dort die Ziegenhaltung obwohl sie jede Vegetation eleminieren.
    Leider sind ältere Dokumente sehr selten. Ich freue mich immer wieder ein Dokument zu entdecken aus dem der Tintentrocknungssand rieselt. Alle bestätigen, das eine Waldnutzung ab ca. 1500 streng geregelt war. Eine geordnete Forstwirtschaft im heutigen Sinne, entwickelte sich erst nach 1840.
    Es ist ein unerschöpfliches Thema, jedoch sind wir dafür verantwortlich es zu ergründen.


    Beste Grüße Lupus

    Nicht Gold hat die Welt verändert, es war das Blei.
    Nicht das Blei aus der Flinte, eher das Blei aus dem Setzkasten (Willi)

  • Hallo Lupus, ich glaube, dieser Artikel passt auch gut zum Thema.


    Im früheren Amte Neumünster gab es ursprünglich nur einen Bauernwald, der aber nicht von jedem nach Belieben genutzt werden konnte. Über die Nutzungsart eines Bauernwaldes heißt es im Erdbuch von Neumünster aus dem Jahre 1606:


    Quelle: Das "Krähengehölz" aus "Forgotten Places".


    "Holtzungk hadt ein Jeder Hueffner ihren antheil an Eichen, der Mast sie sich ohn allen entgeldt, Holtz zu fällen, haben Sie vor undt ohne verlaubnis keine Macht."


    Da der heimische Holzbestand nicht mehr zum Hausbau ausreichte, wurde aus Skandinavien Fichtenholz teuer importiert.


    Deswegen beschloss gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Regierung, auf den Heideböden, der von den Boostedter Bauern genutzten Schafweide einen Fichtenwald anzupflanzen. Die Bauernschaft protestierte, weil dann die Schafhaltung eingestellt werden müsste. Zum einen, wegen der dann fehlenden Weidemöglichkeit, und zum anderen, um weite Wege für den Viehtrieb zu vermeiden.


    Das Amt Neumünster nahm zu den Einwänden Stellung, und die Bauern erhielten eine vom Gemeindeland abgetrennte Weide.


    Ab dem Jahr 1802 haben Hufner aus Boostedt, Großenaspe und Groß Kummerfeld (auch einige meiner Vorfahren waren dabei) mit den Auffostungsarbeiten und Wallbefestigungen begonnen.


    Viele Grüße, Ursula

    Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Ich gieß Wasser zur Suppe und heiß alle willkommen.


    Viele Grüße, Ursula