Lateinischer Ausdruck

  • Was bedeutet wohl der folgende Ausdruck, der in einem Kirchenbuch von
    1741 bei den Gestorbenen auftaucht:


    semi terty anni - es meint wahrscheinlich das Alter der gestorbenen Person.
    Wenn man berücksichtigt, dass in den alten Kirchenbuchtexten der Buchstabe
    y oft als Kürzel für die Endung -us steht, könnte das mittlere Wort auch
    tertus oder vielleicht tertius(?) lauten.


    Semi heisst ja wohl halb, und anni Jahre, aber was meint das Ganze?
    Vielleicht kann mir jaemand helfen?
    ?(

  • Hallo FaFoFan,


    spekulativ: heißt es evtl. semi tertii anni und meint die halben dreißiger Jahre, also um 25 Jahre, wenn das genaue Sterbealter (bzw. das Geburtsdatum) nicht bekannt war?


    Gruß
    Detlef

  • Hallo FaFoFan,


    kannst Du den lateinischen Ausdruck hier einstellen, damit man eventuelle Schreib- oder Lesefehler erkennen kann? Ich glaube nach wie vor an die die übliche Kirchenbucheintragung "alt soundsoviel Jahre". Wenn dort nicht senis steht, ist möglicherweise die Komparativ-Form von senis = senius zu lesen. Dann hieße es "30 Jahre älter" (als bei Geburt).


    Gruß
    Detlef

  • Hallo,
    wie auch immer die semi-seni Frage beantwortet wird .... auf jeden Fall sind wir hier im Bereich von 3 Jahren unterwegs und keines Falls bei 30 Jahren.
    tertius = der dritte
    trig/cesimus = der dreissigste.
    Frühere Gymnasiasten besuchten ja bekanntermaßen noch die Klassen Unter- und Obertertia. Damit waren sie vom Ende her gesehen in der 3. Klasse und nicht etwa in der 30. Klasse. Wenn man bedenkt, wie viel kürzer in früheren Jahrhunderten die Lebenserwartung war, wäre es auch sehr unpraktisch gewesen, nach der Tertia noch 30 weitere Klassen durchlaufen zu müssen bis man endlich in der Prima angelangt wäre. ;) ganz zu schweigen von der Vevielfachung der Möglichkeiten, sitzen zu bleiben. 8o 8o


    Nach meiner Erfahrung mit lateinischen und semi-lateinischen KB-Einträgen wird für die Altersangabe i.d.R. das Wort aetas (Lebensalter) verwendet. Senex und die davon abgeleiteten Adjektive nur dann, wenn jemand wirklich schon dem Greisenalter nahe war (senex = Greis vgl. das Fremdwort senil), und auch dann nur in einem anderen Zusammenhang.


    Als Ergebnis scheint mir daher auch nur 2,5 Jahre plausibel, aber ich warte da gerne auch ab, was das Dokument aussagt, wenn es denn eingestellt ist. Das ist ja bekanntlich immer der beste, weil sicherste Weg.
    viele Grüße
    Gisela

    Ein Jegliches Ding hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde
    Derzeitige Lieblingsbaustellen: GRUNER u. LINCKE, Sachsen, ab 1849 auch Schweiz. WURMSER von Schaffoltzheim, Bormio, Schweiz, Elsaß, Heidelberg. STREICHER, Ulm, 16. Jhdt. (Schwenckfelder). WERNBORNER, Hessen u.a.

  • Hallo,


    danke für die verschiedenen Beiträge!


    Ich glaube, J. Steffen und Gisela liegen in etwa richtig, denn bei dem semi terty (oder semiterty?) kann die geschriebene Endung neben -y (mit 2 Punkten) auch als –ij gelesen werden.


    Der Text an der Stelle lautet: (Vatersname) civis hujatis filiola Joanna semi terty – wie oben – anni sepulta est usw.


    Wenn die Übersetzung an der Stelle also wörtlich „im halb dritten Jahr“ lautet, ist das mit 2 ½ sicher, oder könnte es auch 3 ½ sein? (Falls sich da jemand so genau auskennt.)

  • ...... denn bei dem semi terty (oder semiterty?) kann die geschriebene Endung neben -y (mit 2 Punkten) auch als –ij gelesen werden......


    nicht kann, sondern muß !!!


    Die Angabe, ob Punkte über dem y-ähnlichen Gebilde sind, oder eben nicht, ist grundlegend. Mit Punkten handelt es sich tatsächlich um i+i, letzteres mit einer Unterlänge.
    Wenn keine Punkte darüber sind, ist es ein u+s, wobei das s durch handschriftliche Verschleifung die Form eier bloßen Unterlänge ohne was obendrüber angenommen hat.
    Hier bin ich aber automatisch von i+i ausgegangen, einfach deshalb, weil es für einen -us-Nominativ keinen syntaktischen Bezug gibt.


    Also, es ist doch im Prinzip immer besser, einen scan einzustellen, denn nicht immer sind die grammatischen Verhältnisse so eindeutig. Oder aber zumindest das Schriftbild von Anfang an exakt beschreiben.


    Zu deiner Frage: mein jahrzehntealtes lateinisches Sprachgefühl sagt eindeutig: Hälfte des dritten Jahres, also 2,5.
    Ich habe versucht, das in meiner Literatur zu überprüfen. Auf die Schnelle fand ich natürlich keinen genauen Beleg, aber in meinem Standard-Wörterbuch stehen viele Beispiele mit semi- . Zwar ist leider kein Beispiel mit einer (Ordnungs-)Zahl dabei, aber in jedem einzelnen Fall steht semi immer vor dem Wort, dessen Hälfte bezeichnet wird. Auch daraus schließe ich dann, daß es in deinem Fall um die Hälfte des dritten Jahres geht.
    viele Grüße
    Gisela

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  • Hallo,
    ich bin mir ziemlich sicher, dass das (dritthalb=) 2 1/2 bedeutet (das Kind hat das dritte Lebensjahr zur Hälfte erreicht).
    Uns ist im Deutschen heute noch geläufiger die Bezeichnung anderthalb, und das heißt, dass das "andere"/zweite (Lebensjahr oder was auch immer) erreicht ist, also 1 1/2.

  • Hallo, Gisela und J.Steffen


    danke zunächst für die Beantwortung der Frage des „2 ½“, besonders aber Gisela für die umfassende Aufklärung zum „gepunkteten y“!


    Der Unterschied zwischen dem “y“ mit/ohne 2 Punkte war mir so eindeutig nicht bewusst, ist aber u.a. beim dem hier vorliegenden KB (Oppeln um 1740) zutreffend. (Werde mir beim nächsten mal bei den Mormonen den Film wegen ähnlichen Fällen noch mal ansehen - das wird aber erst Anfang Februar sein - bin aber fast sicher, dass Giselas Erklärung stimmt.). Ich habe aber woanders früher schon mal andere Fälle gehabt, wo der Schreiber auf das normale y zwei Punkte gesetzt hat (eventuell deutscher Text, bei dem i+i gar keinen Sinn macht.).


    Der Vorschlag ‚Scan’ überzeugt mich. Dass ich kein Scan oder Foto der Stelle angefügt habe, hat 2 Gründe:
    1) wäre es für mich recht aufwändig, herauszufinden, wie ich das hier im Forum zu bewerkstelligen habe (mit u.a. begrenzter kB-Zahl), bin da etwas unbedarft.
    2) vor allem aber sind Teile des Textes im KB wegen eines Wasserschadens sehr dunkel, nicht auf einem Foto erkennbar. (Die habe ich mit Mühe am Lesegerät entziffern können.)
    Ich mache mir aber in Zweifelsfällen immer eine genaue Abschrift der vorgefundenen Schriftzeichen.


    Danke noch mal – alles geklärt!

  • Hallo FaFoFan,
    du hast insoweit recht: ich meinte mit meinen Erklärungen zum "gepunkteten" y nur lateinische Texte bzw. Wörter. Bei deutschen Texten oder Wörtern habe ich sogar auch schon gedruckte "gepunktete" y gesehen, wobei entweder kein Sinn dahinter steckte, oder ein evtl. Sinn nicht ersichtlich war. Ich habe mich in letzter Zeit häufiger mit gedruckten Leichenpredigten beschäftigt. Gerade im 17. Jhdt. sind u.a. die Deckblätter sehr interessant, wenn man nur die Beispiele nimmt, die keine Fremdworte sind: z.B. sey oder bey habe ich schon mit und ohne Punkte drüber gesehen.
    Für lateinische Texte habe ich meine Regel bisher immer bestätigt gefunden, auch für einzelne lateinische Wörter in einem sonst deutschen Text, was ja immer mal wieder vorkommt.
    Natürlich gibt es auch immer wieder Fälle, wo ein Pfarrer beim Eintrag besonders schlau sein wollte, oder besonders extravagant. Aber ich denke, die Ausnahmen können wir erst mal weg lassen, und erst im Einzelfall analysieren.


    Viele Grüße
    Gisela

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